SPD und Grüne stimmen in erster Lesung mit Hilfe von CDU für Verfassungsänderung zur Einführung von „Senats Volksentscheiden von Oben“: trotz Ablehnung von Verfassungsexperten und Protesten von „Mehr Demokratie“

7 Mai

SPD, Grüne und die Helfer der CDU HH haben heute in 1. Lesung in der Bürgerschaft für eine Verfassungsänderung gestimmt, die künftig generelle „Volksentscheide von Oben“, also für Vorlagen des Senats, möglich machen soll. Fünf bekannte Verfassungsexperten hatten diese geplante VErfassungsänderung bei einer Anhörung erst vor wenigen Tagen aus Sorge um unsere Demokratie einhellig abgelehnt. Dies wurde aber in den vielen Erklärungen in der heutigen Bürgerschaftssitzung von SPD, Grünen und CDU mit keinem Wort erwähnt.

Die Experten hatten ausdrücklich zu einer Einzelfall-Lösung nur für einen Volksentscheid/Referendum zum Thema Olympia in Hamburg geraten.Grund: Diese Verfassungsänderung für generelle Senats-Volksentscheid zerstört nach Ansicht der Experten das Gleichgwicht von Exekutive und Legislative, also die Gewaltenteilung, Grundlage unserer Demokrate. Heftige Kritik kommt auch von Bürgern und dem Verein „Mehr Demokratie“, da die Verfassungsänderung eine massive Einschränkung für Volksintitiaven und Begehren des Volkes zur Folge haben wird.

Olaf Scholz, der diese Verfassungsänderung gegen den Rat der Verfassungsexperten zu verantworten hat, liess sich bei diesem tiefgreifenden Eingriff in Hamburgs Verfassung in der Bürgerschaft nicht blicken. Er erschien nicht bei der Abstimmung über die Verfassungsänderung.

Am 28. Mai muss die Bürgerschaft zur endgültigen Entscheidung in zweiter Lesung über die Verfassungsänderung abstimmen.

Massive Einschränkung oder sogar Stop von Volksinitiativen, auch zum Thema Schulpolitik, in Hamburg geplant: Hamburgs Rot-Grüner Senat will mit Hilfe der CDU Verfassung ändern

7 Mai

Die Hamburger Bürgerschaft wird heute, am 7. Mai, in erster Lesung über eine Änderung der Hamburger Verfassung beraten, die gravierende Einschränkungen der Volksabstimmungsverfahren in Hamburg zur Folge haben würde, auch der Volksinitiativen zum Thema Schulpolitik, mit denen Hamburger Bürgerinnen und Bürger über schulpolitische Entscheidungen der Politik mitbestimmen bzw. sie ändern können:

Anlass ist die geplante Olympiade in Hamburg, für die eine Volksbefragung durchgeführt werden soll. Bürgermeister Olaf Scholz und sein Rot-Grüner Senat wollen sich mit Unterstützung der  CDU allerdings nicht auf ein „Olympia Referendum“ beschränken, sondern per Verfassungsänderung einen generellen „Senats-Volksentscheid“ einführen, mit dem der Senat jederzeit – über die Bürgerschaft – Volksentscheide mit eigenen Vorlagen durchführen und die Volksabstimmungsverfahren des Volkes drastisch einschränken kann.

Gegen diese Verfassungsänderung und die damit einhergehenden gravierenden Eingriffe in die demokratischen Rechte der Bürger gibt es massive Proteste des Vereins „Mehr Demokratie“ und von Hamburger Bürgern, auch von Initiatoren früherer“echter“ Volksentscheide und Volksinitiativen zum Thema Schulpolitik. Der Grund:  Künftig kann der Senat mit eigenen Vorlagen über die Bürgerschaft nicht nur bei der Olympiade, sondern bei allen Projekten oder Vorhaben des Senats die Volksabstimmungsverfahren von ehrenamtlich engagierten Hamburger Bürgern ausbremsen oder sogar verhindern.

Hinzu kommt, dass die Voraussetzungen, die für die bisherigen „echten Volksentscheide des Volkes“ erfüllt werden müssen, für „Senats-Volksentscheide/Referenden“ nicht gelten sollen: Der Weg über Volksintiative und Volksbegehren, bei denen Bürger bis zum 3. Schritt, dem Volksentscheid, zweimal Unterschriften sammeln müssen, soll für Senats-Volksentscheide nicht nötig sein. Ohne diese Voraussetzungen soll der Senats-Volksentscheid trotzdem rechtlich wirksam sein und für alle echten Volksentscheide des Volkes jahrelange Sperrfristen zum selben Thema zur Folge haben.

In einer erst vor wenigen Tagen stattgefundene Experten-Anhörung im Verfassungs-Ausschuss der Bürgerschaft mit fünf anerkannte Verfassungsrechtlern und -Experten wurde der Enwurf mit seiner einschneidenden Verfassungsänderung von allen Experten abgelehnt!

Die Begründung brachte der bekannte Verfassungsrechtler Prof. Meyer aus Berlin so auf den Punkt: Der Plan, generelle Senats-Referenden bzw. Volksentscheide mit Vorlagen des Senat einzuführen sei „töricht“. Die geplante Verfassungsänderung sei ein Eingriff in die demokratische Gewaltenteilung und zerstöre das Gleichgewicht von Legislative und Exekutive. Der Senat sei ja schon gewählt, doch jetzt wolle sich per „Verfassungsänderung über einen Zugriff auf das Volk Legitimation verschaffen“ und damit auch die „Verantwortung auf das Volk verlagern“, speziell wenn etwas schief geht.

Wenn wirklich nötig, so die Experten, solle es allenfalls ein Einzelfall Referendum geben, also ein „Lex Olympia“. !

Wortprotokoll der Sitzung und Erklärungen der Experten: https://www.buergerschaft-hh.de/ParlDok/dokument/48472/wortprotokoll-der-%C3%B6ffentlichen-sitzung-des-verfassungs-und-bezirksausschusses.pdf

Die Kritik vieler Hamburger Bürger: Der geplante Senatsvolksentscheid ist aus ihrer Sicht ein doppelter „Anschlag“: Auf die Gewaltenteilung, die Grundlage der Demokratie, sowie auf die demokratischen Rechte der Hamburgerinnen und Hamburger, wie sie in der Hamburgischen Verfassung mit dem bisher gültigen Volksabstimmungsverfahren vorgesehen sind: In Art. 50 heißt es dort: „Das Volk kann den Erlass, die Änderung oder die Aufhebung eines Gesetzes oder eine Befassung mit bestimmten Gegenständen der politischen Willensbildung (andere Vorlage) beantragen“.

Die Verfassungsänderung soll in beispiellosem Tempo schon in zwei Wochen in zweiter Lesung der Bürgerschaft beschlossen werden.

 

Quellen zum Thema:

Newsletter 04/2015] Mehr Demokratie: Olympia-Referendum – ja, aber…Editorial
Olympia-Referendum – ja, aber…:
„An die Formel „Olympia“ sollen Verfassungsänderungen geknüpft werden, deren Folgen derzeit niemand seriös beurteilen kann. Ob mit oder ohne Spiele in Hamburg – betroffen sind dann viele Themen. Unter dem Vorwand Olympia geht es um den Kern der Volksabstimmungsverfahren in Hamburg, etwa in der Frage: Dürfen Senat und Bürgerschaft dann auch ganz generell schnell mal mit einem Referendum dazwischen grätschen, wenn ihnen eine Volksinitiative, ein Volksbegehren nicht in den Kram passt?“ (noch kein Internet Link vorhanden)

BILD: Rathaus intern | „Gegen „Volkstribun“ Brandt hilft nur die ganz große Koalition“: http://www.bild.de/regional/hamburg/hamburg/kolumne-rathaus-intern-40733098.bild.html

Hamburger Abendblatt: „Volksbefragungen Olympia-Bewerbung: Juristen widersprechen Rot-Grün“Peter Ulrich Meyer http://www.abendblatt.de/hamburg/article205272433/Olympia-Bewerbung-Juristen-widersprechen-Rot-Gruen.html
Antrag in der Bürgerschaft: „Änderung der Verfassung-Bewährte Rechtsgrundlage :zu Volksentscheiden um die Möglichkeit eines „Hamburg-Referendums“ ergänzen“. Text des Antrags gefunden bei: http://nolympia-hamburg.de/wp-content/uploads/2015/04/Olympia-HH-SPD-Gruene-AntragVerfassungsaendernung.pdf

Hamburger ZEITgeist: Anti-Bildungsbürger- und Anti-G9-Dossier einer Bildungsbürger Zeitung

10 Feb

Kommentar

Wer sich noch wundert, dass die CDU in Hamburg ihre Wähler verliert, der sollte in der jetzigen Ausgabe der ZEIT lesen, wie ausgerechnet der ehemalige schulpolitische Sprecher der Hamburger CDU Fraktion, Robert Heinemann, ZEIT „Chefreporter“ Stefan Willeke als Kronzeuge beim Bildungsbürger-Bashing unterstützt: „Die Kassierer“ heißt das Dossier, in dem Chefreporter Willeke seine These über die angebliche „Lüge von der armen Mittelschicht“ vorstellt, die seiner Meinung nach in Wirklichkeit von ihren eigenen massiven Abgaben profitiere.

Kronzeuge Robert Heinemann schimpft in dem Dossier über die „Unehrlichkeit in Teilen des Bürgertums“ und macht deutlich, dass er für den Wunsch von bürgerlichen Eltern nach einem Gleichgewicht zwischen guter Bildung in der Schule und Freiräumen für außerschulische selbstbestimmte Zeit, für Kindheit, Jugend oder Familie kein Verständnis hat. Es spricht von einer „Gesellschaftsschicht“, die „einerseits ihren Kindern einen gradlinigen Lebensplan bis zur Berufskarriere“ zimmere und andererseits „unverstellte Kindheit.. frei vom Effizienzdenken der Ökonomie“ wünsche. Robert Heinemann, der über ein Jahrzehnt die Schulpolitik der CDU Hamburg mitprägte, spottet damit über Mittelschicht-Eltern, die sich humanistische Bildung für ihre Kinder wünschen, die dem Menschen und nicht dem ökonomistischen Zweck dient, die ausreichendes Grundlagenwissen für Studium oder Beruf vermittelt und findet ihren Wunsch nach Ausgewogenheit zwischen Schule und Freiheit, Kindheit, Jugend, Familie „seltsam“: Zitat ZEIT: „Heinemann nennt es einen „seltsamen Mix aus Harvard und Bullerbü“.

Interessant auch, selbst erleben zu können, wie ZEIT-Reporter Willeke über Bildungsbürger urteilt. Da wird schlicht und streng zwischen Guten und Nicht-Guten sortiert: Robert Heinemann ist eher gut, denn er ist für G8. Wer für die Verlängerung der Schulzeit an Gymnasien ist, ist für Willeke nicht gut: Das wird schon in unserem Interview klar:

G9-Anhängern gehe es gar nicht um Kinder, Kindeswohl und mehr Zeit zum gründlichen Lernen: Dossier Autor Willeke urteilt da ganz klar: „Vordergründig geht es um Fragen des Gymnasiums, in Wahrheit geht es darum, den Nachwuchs der gebildeten Mittelschicht in einem homogenen Umfeld einzuzäumen und gegen die gefährlichen Einflüsse unangepasster Migranten und anderer Störenfriede abzuschotten“. Protestierende Eltern sind, auch da steht sein Urteil fest, immer „Anwälte, Redakteure oder Architekten…Putzfrauen oder Hilfsarbeiter spielen in diesen Konflikten keine Rolle“, urteilt Willeke, selber durch und durch Bildungsbürger.

Gar nicht gerne läßt er sich daran erinnern, dass einer seiner Kollegen aus der zutiefst bildungsbürgerlichen ZEIT Redaktion einen der schönsten Artikel über die Schrecken des Turbo G8 geschrieben hat: http://www.zeit.de/2011/22/DOS-G8<

Die ZEIT: 5. Januar 2015, Dossier: Die Mitteschicht Lüge- Die Kassierer. S.13 bis 15,
ua. mit Robert Heinemann und Mareile Kirsch

Dazu der erwähnte Artikel über die Schrecken des Turbo G8 von Henning Sußebach

Warum müssen Fünftklässler sonntags büffeln statt Freunde zu treffen? Weshalb dieser Unsinn? Henning Sußebach versucht, es seiner Tochter in einem Brief zu erklären. zeit.de|Von ZEIT ONLINE GmbH, Hamburg, Germany
 
 
Sußebach hat zum Artikel auch ein Buch geschrieben:

Sußebach, Henning,

„Liebe Sophie!

Brief an meine Tochter“

Verlag Herder
Aufl./Jahr: 1. Aufl. 2013

im Begleittext des Herder Verlages heißt es dazu:„Henning Sußebach erzählt von der zunehmenden Unterwerfung der Kindheit – auch der seiner Tochter – unter Leistungsdenken, Zeitknappheit und Konkurrenzdruck, und versucht Sophie zu erklären, warum das so ist. Vor allem aber ermutigt er sie (und mit ihr alle Kinder und Eltern!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!), die äußerlichen Erwartungen und Zumutungen nicht fraglos zu erfüllen und ihren eigenen Weg zu gehen.
Henning Sußebach bringt das Lebensgefühl der heutigen Kinder und Eltern auf den Punkt. Sein dem Buch zugrunde liegender Artikel ist auf ZEIT Online einer der meistgelesenen und am häufigsten kommentierten. Ein kluges und bewegendes Plädoyer, die Kindheit, überhaupt das Leben, nicht mit Ängstlichkeit, Vor-Sorge und Eile, sondern mit Zuversicht, Neugier und Gelassenheit zu gestalten.“

Ähnlich äußern sich viele Eltern, Lehrer und Großeltern, die G9-Petitionen und G9-Volksbegehren unterzeichnet haben und in überwältigender Mehrheit in repräsentativen Umfragen in allen westlichen Bundesländern die Wiedereinführung des G9 an Gymnasien fordern. Einige Hamburger Eltern – darunter die Autorin dieses Blogs – haben deshalb in Hamburg die Hamburger Bürger-Liste gegründet. Sie setzt sich für bessere Schulpolitik für Hamburgs Kinder und die Wiedereinführung des G9 mit Wahlfreiheit zwischen G8und G9 ein und kandidiert für die Bürgerschaftswahl am 15. 2.2015: Ihr Ziel:

Mehr Zeit zum gründlichen Lernen, für Wissen und für Kindheit, Jugend und Persönlichkeitsentwicklung!

Weitere Informationen zu den Zielen der Hamburger Bürger-Liste und zu aktuellen schulpolitischen Entwicklungen siehe:

http://mareilekirsch.de/

Hamburger Bürger-Liste, HHBL

 

Welche Folgen haben Ganztagsschule und lange Ganztagstage des G8 Gymnasiums für die Musik? Wunsch und Wirklichkeit der Schulpolitik beim letzten Schulausschuss vor der Bürgerschaftswahl

18 Jan

Nach heftigen Protesten von Eltern war erst vor wenigen Wochen ein Antrag der CDU Fraktion im Schulausschuss der Hamburger Bürgerschaft gescheitert: Die Eltern hatten klargemacht, dass sie Wahlfreiheit zwischen Ganztags- und Halbtagsschule für ihre Kinder wünschten und gegen einen Antrag der CDU protestiert, alle G8-Gymnasien in Hamburg in gebunden Pflichtganztagsschulen „weiterzuentwickeln“.

Doch nach schulpolitischen Grundsatzerklärungen von SPD Schulsenator Ties Rabe und CDU zum Ende der Legislaturperiode ist klar, dass der Ausbau der Ganztagsschulen in Hamburg, der in den letzten zwei Regierungszeiten von  SPD wie von CDU und Grünen massiv betrieben wurde, auch nach der Bürgerschaftswahl am 15. Februar weiter für sie oberste Priorität hat.

Welche Folgen Ganztagsschule für Kinder- und Jugendmusik hat, war Thema des letzten Schulausschuss vor der Bürgerschaftswahl am 16. Januar. Dabei tat sich ein tiefer Graben auf:

„Der Ganztag ist der Musik nicht hinderlich“,

erklärt Maren Knebel von der Hamburger Schulbehörde für den Senat: Der letzte Schulausschuss der Bürgerschaft vor der Wahl ist bei Punkt 4 der Tagesordnung angekommen. Es geht um Drucksache 20/12058: Ein Senats-Konzept zu der Frage, wie musikalische Aktivitäten in den kommenden Jahren in Ganztagschulen stärker verankert …werden können. Eine wichtige Frage, denn für den SPD Senat wie für die CDU und die übrigen Bürgerschaftsparteien ist die Umwandlung der Hamburger Schulen in Ganztagsschulen ein zentrales schulpolitisches Ziel. Das belegt auch dieses Senatskonzept.

Frau Knebel und Senat sind sich einig – in der Drucksache teilt der Senat mit: „Durch den Ausbau des Ganztagsschulwesens mit seinen vielfältigen Angeboten haben musikalische Aktivitäten innerhalb und außerhalb des Unterrichts insbesondere an Hamburger Grundschulen einen hohen Stellenwert erhalten“.

„Das G8-Gymnasium beschädigt die Musik“,

so im Gegensatz dazu die massive Kritik von Hamburgs erfahrenstem Fachmann für Kinder- und Jugendmusik, der EX-Präsident des Landesmusikrates und langjährige Leiter der Hamburger Jugendmusikschule, Professor Wolfhagen Sobirey im letzten Jahr im Abendblatt. Das G8-Gymnasium werde vonseiten der Musik… von musikpädagogischen Verbänden, musikinteressierten Eltern und Musikstudierenden, „praktisch einhellig abgelehnt“. Es „behindert die musikinteressierten jungen Leute und beschädigt damit die Musik“, so Prof. Sobirey weiter.

Grund seien die langen Schultage des G8, also die Ganztagstage, so Prof. Sobirey: „Drei oder gar vier Achtstundentage oder länger pro Woche, dann Hausaufgaben, Nachhilfe, Arztbesuch, Konfirmandenunterricht, Tanzstunde, Leistungssport, Jugendorganisation, alles, was Kinder und Jugendliche sonst noch tun oder tun sollten – dann heißt es immer noch nicht Freizeit oder Freunde treffen oder einfach mal träumen, denn dann sollen die musikinteressierten jungen Leute auch noch frisch und motiviert am Klavier sitzen und üben… oder aufnahmebereit zum Geigenlehrer gehen? Das findet in der Regel nur noch bei den Schülern statt, deren Eltern kontinuierlich und konsequent darauf achten, sei es um den Preis, dass noch am Abend geübt wird. So verhalten sich aber nur die Eltern, die selbst seinerzeit von Eltern zur Musik geführt wurden, die wissen, wie wichtig und kostbar das ist. Dadurch spielt die Herkunft mehr denn je eine Rolle. Chancengerechtigkeit für mehr Jugendliche entsteht so nicht.“

Das G8 hat zwei bis drei lange Ganztagstage, gebundene Ganztagsschulen haben noch mehr. Trotzdem sieht Frau Knebel im Schulausschuss alles ganz anders: Die Musikangebote „Jeki“ (jedes Kind ein Instrument) und „Young Classics“ fänden in je 70 bzw. 22 Schulen statt, 100 Ganztagsschulen kooperierten mit der Jugendmusikschule.

Zeit für Musiklische Individualbildung ?

Als der schulpolitische Sprecher der SPD, Lars Holster fragt, ob der Ganztag denn Zeitfenster für die musikalische Individualbildung biete, erklärt Frau Knebel, die Zahl der Schüler mit Individualbildung sei zuletzt von 8900 auf 9000 Schüler gestiegen (Schülerzahl 2013 insgesamt: 185.173). Das beweise ja, dass es ginge: Im übrigen, erklärt sie, „sind wir froh, wenn es nicht Einzelunterricht gibt, sondern Gruppenunterricht“. Klavierunterricht könnten z.B. auch vier Schüler gleichzeitig nehmen.“

Ganz anders beschreibt Professor Sobirey die Situation der Jugendmusik: „Die Klagen der Instrumentallehrkräfte hat man inzwischen vernommen. Schüler kommen müde und abgehetzt zum Unterricht, melden sich vom Unterricht ab. Zumindest üben sie weniger. Die Musiklehrer in den Schulen sprechen sogar vom „Ensemblesterben“, denn die Jugendlichen haben auch weniger Zeit und Kraft für die Schulchöre, Schulorchester und Schulbands. …..Mittlerweile zeichnen sich weitere Auswirkungen ab. Beim Wettbewerb Jugend musiziert, der bedeutendsten Nachwuchsförderung des Musikbereichs, ist das Problem auch angekommen. Die Zahl der Gymnasiasten, die zum Wettbewerb kommen, geht erschreckend zurück. Auch die Leistungen entwickeln sich dort kontinuierlich nach unten“. Auch die Aufnahmeprüfung an den Musikhochschulen werde von immer weniger Bewerbern geschafft, 40 Prozent der Musikstudenten seien mittlerweile junge Leute aus er ganzen Welt.

Es gehe ihm aber nicht um nur um die kleine Gruppe der professionellen Musiker, so Sobirey. Musik funktioniere nicht, wenn sie nur gehört werde, Musik müsse auch gemacht werden.

Auch dafür gibt es im Ganztag, sagt Frau Knebel, eine Lösung: Größere Schüler könnten für Musik ja Unterrichtszeiten nach dem gebundenen Ganztag, sowie am Samstag, oder in Kompaktkursen in den Ferien nehmen.

Auch Professor Sobirey nennt diese Ausweichzeiten von Ganztagsuntericht und G8. Er schildert sie allerdings weniger optimistisch wie die ganztags-euphorische Frau Knebel von Hamburgs Schulbehörde: „Das Instrumental- und Gesangsunterricht können beim G8-Schüler an mehreren Tagen der Woche erst nach dem ganzen langen Schulalltag stattfinden. Selbst am Wochenende fehlt oft die Zeit, denn dann sind viele Schüler noch mit Hausaufgaben, Klausurvorbereitungen, Referaten oder Praktikumsberichten belastet. Es ist unabweisbar, für die musikinteressierten G8-Schüler ist die Hürde zu hoch“

Dies gilt nicht nur für das G8 sondern generell für die Ganztagsschule und nicht nur für die Musik, sondern für alle freiwilligen Tätigkeiten, soziales Engagement und Sport von Kindern und Jugendlichen. Freiwillige Aktivitäten sind bei G8- Schülern und Ganztagsschülern nach der „Bildungsberichterstattung im Auftrag der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland und des Bundesministeriums für Bildung und Forschung“ nachweisbar deutlich zurückgegangen, erklärt das Deutsche Kinderhilfswerk. Und weiter:

„Es konnte bislang kein Hinweis dafür gefunden werden, dass sich das Engagement von Ganztagsschülerinnen und -schülern aufgrund längerer Anwesenheitszeiten in der Schule in den schulischen Bereich verlagert.“ Dieser Befund lässt sich auch auf den Bereich der Bewegungsförderung übertragen“.

https://www.dkhw.de/cms/presseundmaterialien/pressemitteilungen/1751-das-deutsche-kinderhilfswerk-unterstuetzt-die-volksinitiative-zur-wiedereinfuehrung-des-g9-an-hamburger-gymnasien

http://www.abendblatt.de/meinung/article127242624/Das-G8-Gymnasium-beschaedigt-die-Musik.html

Falsche Inklusionszahlen des Schulsenators – Demonstration: „Inklusion braucht mehr“ am 26. Januar

18 Jan

Nun steht fest: Ties Rabes Inklusionszahlen waren falsch. Die Fördermittel für die Inklusion, die er Hamburgs Schulen in den letzten zwei Jahren zugestanden hat, waren viel zu niedrig.

Der Schulsenator hat nun nach heftigen Druck in der Öffentlichkeit die Ergebnisse von Viertklässler-Gutachten offengelegt. Statt bei 4 Prozent besteht demnach bei 6,6 Prozent der Schüler sonderpädagogischer Förderbedarf. Demnach werden mindestens 350 mehr Pädagogen als bisher gebraucht.
Eine „Gewaltige Blamage für Ties Rabe (SPD). „, so brachte die Hamburger Morgenpost diese Ergebnisse auf den Punkt: „Seit Jahren tönt der Bildungssenator, dass Hamburgs Schulen deutlich weniger Problemkinder haben, als die Lehrer behaupten. Immer schwang dabei mit, dass die Schulen sich nur zusätzliche Stellen ergaunern wollen. Jetzt stellen Gutachten aus seiner Behörde klar: Der Förderbedarf liegt etwa 70 Prozent über Rabes Berechnung!“
http://www.mopo.de/politik/problemkinder-gutachten-blamage-fuer-hamburgs-bildungssenator-ties-rabe,5067150,29516148.html

Die Förderzeiten wurden im Vergleich zum damaligen Intergrationsmodell nach Angaben von Fachleuten mit der Einführung des neuen Inklusionskonzeptes des Schulsenators dagegen um bis zu 70 Prozent gekürzt. Doch selbst mit zusätzlichen Lehrern ist eine sonderpädagogische Förderung wie in der früheren Kombination von Förderschulen und Integrationsklassen allein nicht  möglich. Wichtigste Forderung der  Kritiker des Inklusionskonzeptes des Schulsentors ist die Einstellung von mehr Sonderpädagogen. Es müsse außerdem sichergestellt werden, dass  „die jeweilige sonderpädagogische Fachrichtung zu dem jeweiligen sonderpädagogoischen Förderbedarf passt.“

Das „Hamburger Bündnis für schulische Inklusion“, ein Bündnis von 10 Fachgruppen und Institutionen aus dem Bereich der Inklusion und die GEW haben deshalb zu einer Demonstration am 26.12015 aufgerufen. Ihre Forderung:Inklusion braucht mehr – mehr Personal, mehr Räume, mehr Sachmittel“: Start ist 17 Uhr am Dammtorbahnhof.

Hier der Link mit den Details: https://www.gew-hamburg.de/termine/demo/2015-01-26/demonstration-inklusion-braucht-mehr-mehr-personal-mehr-raeume-mehr-sachmitt

 

INKLUSIONS-SKANDAL IN HAMBURG

2 Jan

Hält Schulsenator Rabe brisante Ergebnisse von neuen sonderpädagogischen Gutachten aus wahltaktischen Gründen geheim? So die massive Kritik der GEW in einer Pressemitteilung. Es geht um bis zu 300 zusätzliche Lehrerstellen für die Inklusion für bis 19 Millionen Euro:

Zwei Jahre lang unterstellte Schulsenator Rabe den Hamburger Schulen, ihre Zahlen zu Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf im Bereich Lernen, Sprache sowie emotionale und soziale Entwicklung (LSE) seien viel zu hoch und verweigerte Schulen und Schülern damit entsprechende Mittel und zusätzliche Pädagogen für die sonderpädagogische Förderung: Nun liegen neue Gutachten- Ergebnisse und Zahlen der Regionalen Bildungs- und Beratungszentren (ReBBZ), für alle Vierklässler vor, doch der Schulsenator weigert sich, trotz einer kleinen Bürgerschaftsanfrage, die konkreten Zahlen zu veröffentlichen.

Die GEW in ihrer Pressemitteilung:
“Bisher erhalten die Grundschulen von der Schulbehörde durchschnittlich für 4% ihrer Schüler zusätzliche Lehrerstunden für den Förderbedarf LSE. Nach Angaben der Schulen sind es aber fast doppelt so viele Schüler. Wenn die von den ReBBZ erstellte Diagnostik mehr als 4% ergeben hat, müssten die Grund- und Stadtteilschulen zukünftig mehr Lehrerstunden von der Schulbehörde erhalten. Bei 5% wären es von der Vorschulklasse bis Jahrgang 10 insgesamt ca. 150 zusätzliche Lehrerstellen im Wert von 9,5 Millionen Euro. Bei 6% liegt der Zusatzbedarf bei 300 Lehrerstellen und 19 Millionen Euro.”

Das Hamburger Bündnis für schulische Inklusion dazu: “Es ist ein Skandal, wenn der Senator zwei Jahre lang den Schulen falsche Zahlen unterstellt und nun die Ergebnisse der von ihm selbst angeordneten Diagnostik aus wahltaktischen Gründen geheim hält”. Das Bündnis forderte Schulsenator Rabe auf, die Zahlen sofort zu veröffentlichen und die Lehrerzuweisung für die Schulen entsprechend anzupassen, “damit die schulische Inklusion qualitativ verbessert werden kann.”http://bildungsklick.de/pm/92895/schulsenator-rabe-haelt-brisante-zahlen-ueber-sonderpaedagogischen-foerderbedarf-unter-verschluss/

Geburtstagsgeschenk für Hamburgs Schulsenator

14 Nov
Kommentar zum Portrait des Hamburger Schulsenators, Ties Rabe, SPD, im Hamburg Teil der  ZEIT , Titel: „Ties Rabe – Graf Zahl“, 13. 11. 14

 

Die ZEIT hat Mitleid!!! Nicht mit den Eltern eines Asberger Kindes, die bei einer Anhörung im Schulausschuss der Hamburger Bürgerschaft schildern, wie sie seit langem vergeblich für eine bessere Förderung ihres Kindes kämpfen! Auch nicht mit anderen Kindern, die nach den Regeln des Inklusionskonzeptes von Ties Rabe jetzt 70 Prozent weniger Förderung erhalten, als im früheren Intergrationsmodell in Hamburg. Auch nicht mit überforderten Lehrern oder mit Kindern in Klassenraum-Ganztagsbetreuung im neuen staatlich-schulischen Betreuungsmonopol, das Ties Rabe so schnell durchgesetzt hat. Und schon ganz und gar nicht mit Kindern in Hamburgs G8-Gymnasien!!!

Nein, die ZEIT hat Mitleid mit Hamburgs Schulsenator Rabe!!! Denn dieser hat, so ist in der ZEIT zu lesen: „meistens Recht“ . Leider wollen Hamburgs Eltern das nur partout nicht anerkennen. Dabei hat der Schulsenator – so die Zeit – Hamburgs Schulen und Leistungen so „transparent“ gemacht wie „nirgends sonst“. Die ZEIT erklärt auch, wie der SPD Senator das aus ihrer Sicht geschafft hat: „Weil die Leistung der Schüler regelmäßig standardisiert getestet wird“. Da können Wissenschaftler der Gesellschaft für Bildung und Wissen in der Ferne noch so sehr an Ties Rabes „transparenten Ergebnissen“ und überhaupt am Standardisierungs-Wesen zweifeln. Die ZEIT hat Mitleid mit Ties Rabe, denn sie weiss ja, Ties Rabe hat „meistens Recht“ !!!

Immerhin, das müssen nun auch Hamburger Eltern anerkennen: Einen Erfolg kann Ties Rabe wirklich verbuchen: Die ZEIT hat dem Schulsenator mit diesen Beitrag ein schönes Geburtstagsgeschenk gemacht.

Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag auch von hier aus, Schulsenator Ties Rabe!

http://www.zeit.de/…/47/ties-rabe-schulsena…/komplettansicht

Die Frustration der G8 Absolventen im Studium: Bildungsforscher über die Gründe: „Für verstehendes Lernen und kritisches Hinterfragen bleibt im G8 keine Zeit“

1 Sept

Ein Gespräch mit dem Erziehungswissenschaftler Professor Dr. Volker Ladenthin von der Universtität Bonn sowie dem Fachdidaktiker Professor Dr. Hans Peter Klein von der Goethe Universität in Frankfurt für Hamburgs schulpoltischen Blog „Kirschsblog“

Kirschsblog: Sie sind als Universitätsprofessoren gegen G8?
Professor Ladenthin: Darf ich mit einer schlichten Gegenfrage antworten: Welchen Sinn macht es, Abiturienten an der Universität einzuschreiben, die zuerst Vor- oder Brückenkurse an der Universität absolvieren müssen, damit sie überhaupt mit dem Studium beginnen können? Was soll dann noch das Abitur? Inzwischen richten fast alle Fächer Kurse zwischen gymnasialer Oberstufe und Universität ein. Es entsteht gewissermaßen eine neue Schulart: Die Vor-Uni. Kollege Volkmar Gieselmann, Prorektor für Studium, Lehre und Studienreform an der Uni Bonn (und Naturwissenschaftler), sagt das ganz konkret: „Man muss die Lehrpläne in den Schulen besser auf die Bedürfnisse der Hochschulen abstimmen, Brückenkurse beibehalten“.
Professor Klein: Ich kenne eigentlich kaum jemand mit sachlichen oder pädagogischen Argumenten für G8 und gegen G9. Auch in Hamburg ist – wie in vielen anderen Bundesländern – die eigentliche Argumentation doch eine ganz andere: die Stadtteilschulbefürworter wollen das Alleinstellungsmerkmal G9 für sich beanspruchen, weil sie ihren Bestand befürchten, wenn den Gymnasien ebenfalls G9 zugesprochen werden sollte. Außerdem würden auf Dauer die Gymnasien bei G8 an Nachschub verlieren und könnten dann in den Stadtteilschulen aufgelöst werden, so das erklärte Ziel der Befürworter einer Einheitsschule. Die Gymnasialvertreter sind sich da mit den Linken überraschend einig, allerdings aus einem anderen Grund: ein G9 für die Gymnasien würde den weiteren ungebremsten Zulauf auch leistungsschwacher Schüler dorthin verstärken.

Kirschsblog: Aber ist G8 nicht auch ein Sparprogramm? Es hilft Steuern sparen.
Prof. Ladenthin: Mir ist unklar, wie man das rechnet: Wenn Studierende nunmehr von kostspieligen Hochschullehrern improvisiert das beigebracht bekommen, was Lehrer im ökonomisch günstigeren Schulzusammenhang nicht mehr lehren konnten, weil die Zeit zu knapp war – wo wird da gespart? Es ist die gleiche Lernzeit – nur sind die Lehrkräfte wesentlich teurer. Und die Gesamtausbildungszeit bleibt wie zuvor. Ganz im Gegenteil scheinen immer mehr G8 ler zuerst einmal ein Auslandsjahr oder ähnliche Aktivitäten einzuschieben, was sicherlich vom Bildungsgedanken her zu begrüßen ist.
Prof. Klein: Die Bildungsökonomen haben doch spätestens seit PISA und Bologna den Politikern ins Ohr geflüstert, das gesamte Konzept sei effizienter und helfe, die Bildungsausgaben ökonomischer zu handhaben. Die ursprüngliche Annahme, dass entsprechend dem anglo-amerikanischen Vorbild ca. 80% der Studierenden nach G8 nur den 6-semestrigen Schmalspur-Bachelor machen sollten und nur 20% den wissenschaftsorientierten Master, hat sich doch längst in Luft aufgelöst. Auch in den USA ist man nicht glücklich, dass 17-Jährige unreife Schüler die Colleges oder Unis stürmen und hätte gerne ein 13. Schuljahr, das aber in den USA kein Bundesstaat bezahlen kann oder will. Die Bildung wird spätestens nach der High School privatisiert. Dennoch räumt man dort den G8 „Freshmen“ eine Art Studium Generale während der ersten beiden Semester ein – ganz im Humboldtschen Bildungsgedanken. Daher dauert der Bachelor in den USA auch 8 Semester und hat eine ganz andere Qualität, auch für die dortigen Abnehmer der Absolventen.

Kirschsblog: Nun zeigen aber empirische Untersuchungen, dass G8 und G9-Schüler die gleichen Kompetenzen haben.
Prof. Klein: Welche empirischen Untersuchungen zeigen was? Wenn eine Essener Forschergruppe mittels Befragung Erstsemester nach ihrem schulischen Befinden in ihrer G8 oder G9 Entwicklung keine großen Unterschiede feststellt – welche hätte man da auch erwarten sollen? – heißt dass noch lange nicht, dass G8 besser ist als G9 und diese Aussage ist dort auch keineswegs so getroffen worden. Die einzige Studie, die behauptet, dass G8 Abiturienten des Jahrgangs 2011 im direkten Vergleich mit G9 Abiturienten des Jahrgangs 2005 trotz deutlicher Erhöhung der Abiturientenzahl in diesem Zeitraum auch qualitativ bessere Leistungen erbracht hätten und dies ein Erfolg von G8 sei, ist die Hamburger behördenintern durchgefühte KESS Studie 12. Die dort eingesetzten Testinstrumente aus den Naturwissenschaften und der Mathematik haben wir mit Fachmathematikern ausführlich qualitativ untersucht. Unsere Untersuchungen widerlegen diese Aussagen von KESS 12 eindeutig. G8 Turbo Abiturienten lernen keinesfalls besser, wie damals in der Presse zu lesen war. Der tatsächliche Grund für diese Entwicklung war eine klare Nivellierung der Ansprüche im Abitur in diesem Zeitraum.
Prof. Ladenthin: Außerdem muss man fragen, welche Kompetenzen dass denn sein sollen. Keinesfalls die Fähigkeiten und Kenntnisse, die man zum Studieren braucht. Ich kann Ihnen anhand von Klausuren der letzten 3 Jahre belegen, dass bei völlig gleichen Ansprüchen die Ergebnisse schlechter werden – obwohl ich in der Lehre immer mehr Zeit auf Klausurvorbereitung verwende. Fähigkeiten, die vor ein paar Jahren die Mehrheit der Studierenden hatten, fehlen heute völlig.

Kirschsblog: Welche zum Beispiel?
Prof. Ladenthin: Eigenständige Textanalyse. Textwiedergabe. Strukturierte Zusammenfassungen. Beschreibung von einfachen Vorgängen (Versuchsaufbau). Eigenständige Formulierungen antinomischer, paradoxer oder multikausaler Zusammenhänge.
Prof. Klein: Die Fähigkeit zu kritischer Reflexion fehlt völlig. Die Bachelorisierung steht da G8 in nichts nach. Selbstständiges Denken oder Hinterfragen ist unerwünscht. Alles, was nicht für die Klausur relevant ist, bekommt den Stempel des Unnützen, wie in G8 auch. Also weg damit. Entsprechend haben insbesondere die G8 Absolventen – aber nicht nur – eine Kompetenz: Augen zu und durch. Das kann ich Ihnen aber auch bei den Vorgaben nicht verdenken.

Kirschsblog: Und wie erklären Sie sich das?
Prof. Ladenthin: Zwei Gründe sehe ich. Die Studierenden sind so jung, dass bestimmte kognitive Operationen noch nicht geleistet werden können. Abstraktionsfähigkeiten fehlen deutlich. Das ist ein Entwicklungsproblem. Zudem scheint Schule auf Grund des Zeitmangels eben diese Fähigkeiten, die man nur in einem längeren Zeitraum schulen kann, nicht mal so eben für eine Klausur, nicht mehr zu lehren. Offensichtlich fehlt die Zeit für gründliches Lernen.
Klein: Auch hat doch gerade G8 zweifelsfrei dazu geführt, dass Fakten in noch kürzerer Zeit und ohne die dringend notwendige Wiederholung zu einer Art Bulimie Lernen sondergleichen geführt hat. Für ein verstehendes Lernen und kritisches Hinterfragen bleibt da keine Zeit mehr.

Kirschsblog: Sind die Studenten also schlechter als früher?
Prof. Ladenthin: Nein, sie sind liebenswürdig, freundlich, fleißig, bemüht – aber sie werden dann an der Uni zugleich völlig frustriert, und zwar ganz tief frustriert, wenn sie merken, dass sie trotz teilweise sehr guter Abiturnoten schon in den Grundlagenkursen nicht mehr folgen können. Ihnen fehlt es an Arbeitstechniken, an kognitiv-sprachlichem Vermögen und an anspruchsvollen kognitiven Operationen, die die Wissenschaften heute abverlangen. Und vor allem an Wissen. Sie kennen die Bildsprache unserer Kultur nicht mehr. Sie haben nichts von dem wirklich gelesen, was unserer Kultur Identität gibt.
Prof. Klein: Die jungen Studierenden sind nicht schlechter, aber deutlich unreifer. Entsprechend haben wir zunehmend mit helicopter parents zu tun, wie man sie aus den USA kennt. Allerdings erlauben gute und sehr gute Colleges in den USA nicht, dass die „Freshmen“ zu Hause bei ihren Eltern wohnen oder von dort dauernd betreut werden, was übrigens ein weltweites Phänomen ist. In den ersten beiden Semestern müssen sie im College wohnen, um ihre soziale Kompetenz und ihre neue Umgebung selbstständig entwickeln bzw. erfahren zu können. Da sind die Amerikaner, uns weit überlegen. Auch in China sind die jungen „Freshmen“ erst einmal froh, an der Uni der Knute ihrer Eltern erstmal entkommen zu sein. All das kostet natürlich dort für die Studierenden oder deren Eltern eine für uns unvorstellbare Summe an Dollar.

Kirschsblog: Aber die Grundkompetenzen sind doch vorhanden.
Prof. Ladenthin: Ich weiß nicht, was man darunter verstehen soll. Ich weiß nur, dass Abstraktion, Analyse und Synthese kognitive Operationen sind, die in den Wissenschaften unverzichtbar sind und von den heutigen G8 Studierenden nicht mehr eigenständig erbracht werden könnten. Nicht mal Hilfen helfen – und zwar deshalb, weil die kognitive Entwicklung der Studierenden noch nicht so weit entwickelt ist, dass diese Operationen möglich sind. Man kann und konnte das bei Piaget in allen Einzelheiten nachlesen, warum das so ist – und was man machen kann, um hier Abhilfe zu schaffen. Ein Jahr Schule mehr gibt mehr Raum zur Entwicklung und zum Üben von kognitiven Operationen. Eine entwicklungspsychologisch argumentierende Schulplanung wird das berücksichtigen. Stichwort: Gehirngerechtes Lernen.
Prof. Klein: Bei den Kompetenzen muss man erst einmal fragen, ob es sich um fachunabhängige Schlüsselkompetenzen und fachgebundene Kompetenzen handelt und nur letztere waren eigentlich in den Bildungsstandards an oberster Stelle eingefordert. Das Blatt hat sich gewendet. Es scheint Bundesländer zu geben – Hamburg gehört wohl dazu – die ganz im bildungsökonomischen Sinne den Schwerpunkt in der Schule mehr oder weniger ausschließlich auf Schlüsselkompetenzen legen. Wie leichtfertig hier vor allem mit grundlegenden Wissensbeständen verfahren wird, zeigen die neuen Präsentationsprüfungen im Abitur, die in Hamburg selbst in der zweijährigen Vorbereitungsphase als Ersatz insbesondere für Klausuren durchgeführt werden können, in denen man – beispielsweise in Mathematik – mehr oder weniger schwache Leistungen zu verzeichnen hat. Fachliche Mängel zu kaschieren und als Kompetenz auszuweisen scheint der neue Hit in der in der Tat an kreativen Konzepten nicht mangelnden Vertreter der zuständigen Behörden zu sein. Die Abiturienten tun mir leid: außer in den Sprachen oder der Religion gibt es keinen einzigen Fachbereich an einer Universität, der nicht mathematische Grundlagen auf teilweise hohem fachlichen Niveau als Voraussetzung verlangt. Scheitern vorprogrammiert.

Kirschsblog: Aber brauchen wir nicht jüngere und mehr Abiturienten?
Prof. Ladenthin: Was wir brauchen, sind gute Abiturienten. Nicht das Plansoll gibt die Zahl der Abiturienten vor, sondern umgekehrt: ein Leistungsstandard zeigt, wie viele Abiturienten wir haben. Man kann Menschen nicht durch Zielvereinbarungen klüger machen. Die NRW Landesregierung hat auf eine Anfrage der Opposition angegeben, dass sich die Zahl der 1er Abiturzeugnisse in NRW zwischen 2007 und 2011 sogar verdoppelt hat. Wenn das so weiter steigt, haben in einigen Jahren alle Abiturzeugnisse die Note 1.
Klein: Gerade Hamburg präsentiert ja seit geraumer Zeit immer weiter steigende Abiturientenquoten bei angeblich gleichzeitig steigenden Leistungen und gekürzter Schulzeit. Hamburg steht damit keineswegs allein. Einige verantwortliche Vertreter – wie die Bertelsmann-Stiftung – scheinen genau das zu wollen und empfinden diese Entwicklung als sozial gerecht. Da sei die Frage erlaubt, was daran sozial gerecht ist, wenn man Inkompetenzen als Kompetenzen ausweist. Gedient ist damit sicherlich niemandem.

Kirschsblog: Ihre Forderung?
Prof. Klein: Wenn wir eine qualitativ hochwertige Bildungsexpansion wollen – immer im Blick habend, dass dieser natürlichen Grenzen, wie beispielsweise der Intelligenz, gesetzt sind – müssen wir mehr Schülern mehr Zeit lassen, ihre möglichen Defizite durch ein verstehendes Lernen ohne Zeitdruck mit genügend Wiederholungen aufzuarbeiten. G8 führt uns da ins genaue Gegenteil, zumal auch an den Gymnasien die Heterogenität der Schülerschaft in den letzten Jahren dramatisch zugenommen hat.                                                                                                                                                        Prof. Ladenthin: Mehr Zeit für Schule. Mehr Bildung – und nicht beziehungslose Kompetenzschulung. Die nützt niemandem. Wir leben länger, im Durchschnitt fast zwanzig Jahre länger als noch vor 40 Jahren – also haben wir auch mehr Zeit für die schulische Ausbildung. Wer das nicht möchte, kann Klassen überspringen, sich vorzeitig zum Abitur melden oder schon während der Schulzeit studieren: da gibt es genügend Modelle. Für die große Zahl benötigen wir mehr Zeit. Kurz: G9 ist das bessere Modell.

Volker Ladenthin lehrt als Hochschulprofessor für Historische und Systematische Erziehungswissenschaft an der Universität Bonn.

Siehe auch: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 04.06.2014:  Bildungsdefizite durch verkürzte Schulzeit: G8 wird die Studienzeit verlängern 

Professor Dr. Hans Peter Klein, Lehrstuhl für Didaktik der Biowissenschaften an der
Goethe Universität Frankfurt.

Siehe auch: DER SPIEGEL, Heft 14/2014, S. 47: Klarer Abstieg

Hamburger Abendblatt v. 31.3.2014: Mathe-Abitur: Niveau in Hamburg sinkt deutlich

Die Welt v. 31.03.2014: Mathe-Abitur-Niveau in Hamburg sinkt deutlich

Bild

GBS revisited: „Alle lieben Valeska“ – Reportage

19 Jun

IMG_0260Mittwoch vor den Sommerferien: Die Kinder der Zweitklässler GBS-Gruppe stehen dichtgedrängt  aber ruhig neben der Eingangstür der Grundschule Falkenberg – und blicken gespannt zu ihrer Betreuerin Valeska …. Valeska gibt ein Zeichen, dann stürmen alle laut und fröhlich los über den Hof zur zu der zur Kantine umfunktionierten Pausenhalle. Dort treffen nacheinander weitere Gruppen mit Kindern ein, jede Gruppe hat ihren eigenen Esstisch und feste Sitzplätze. An einem der Zehnertische, umringt von ihrer Gruppe sitzt Valeska  „Hallo Lukas!“ begrüßt sie die Nachzügler, die heute Projekttag hatten, „hol Dir was zu essen“, sie hakt in einem Heft  die  Namen ab. Durch die großen Fenster der hellen Pausenhalle sieht man den weitläufigen  Innenhof mit Spielplatz und Kletternetzen, viel Grün im Hintergrund, die Turnhalle und alte  Backstein-Schulgebäude  der Grundschule,  die Verwaltungsgebäude von Schulleiter und Sekretariat. Die Kinder stehen in der Reihe vor dem Tresen – gerangelt wird nicht, alles läuft ruhig und diszipliniert ab – und kommen mit  dem Essen zurück: Paniertes Huhn, Kartoffel, Gemüse, 3 Euro pro Essen. Auf jedem Tisch dazu ein Teller Gurken, Tomaten und Karotten. Die Vorschüler sind fast fertig,  sie sind die erste Gruppe in der Kantine und bekommen von ihrer Betreuerin am Tisch serviert. Valeska Stüben ist die pädagogische Leiterin und die Seele der GBS , seit die Schule 2011 im Standort Falkenberg der STS Fischbek-Falkenberg als eine der  ersten sieben Modellschulen mit der GBS-Ganztagsbetreuung bestartet ist.

IMG_0254IMG_0248

Am selben Mittwoch: Heftige Debatte über  GBS und Ganztagsschule in der Bürgerschaft. Seit Schulsenator Ties Rabe begonnen hat, alle Grundschulen in Hamburg in nur zwei Jahren in Ganztagsschulen umzuwandeln  und Horte und Hortgutscheine abzuschaffen, gibt es immer wieder Proteste wütender und enttäuschter Eltern. 2014 soll alles abgeschlossen sein, dann habe der Senator ein schulisches Betreuungsmonopol geschaffen, zu dem es keine Alternative mehr gebe, so eine Mutter bei einer Anhörung. Doch die Rahmenbedingungen,die Betreuungsschlüssel und Raumsituation der GBS Schulen sind deutlich schlechter als die in den Horten, kritisieren die Eltern. Im April hatte der Schulsenator dem Landeselternausschuss für Kindertagesbetreuung (LEA) und der Elternkammer zugesagt, die GBS-Rahmenbedingungen würden denen der Horte angeglichen, doch der Schulsenator habe seine Zusage nicht eingehalten, so  Jörg Gröndahl von LEA. Die Eltern fordern mehr Personal, bessere Ausstattung, einen beschleunigten Kantinenausbau, Mittel für die Inklusion, Zwischenmahlzeiten und bessere Informationen. Die LINKE hatte die Elternforderungen in einem Antrag  aufgegriffen,  der am Mittwoch in der Bürgerschaft debattiert und mt den Stimmen der SPD Mehrheit abgelehnt wurde.

Ärger und Proteste gegen die  Umstetzung der GBS war auch häufig Thema von Kirschsblog – berichte doch auch mal über ein Positivbeispiel von GBS, statt immer nur in „kritischen Tönen  (die auch aus meiner Sicht völlig berechtigt sind)“, forderte  Gerrit Petrich, Elternrat in der Stadtteilschule Falkenberg  Fischbeck , der neue Vorsitzende der Hamburger Elternkammer. Seine Kinder sind Schüler Grundschule des Standorts Falkenberg – sie sind dort in der GBS.

haussis machenhaussi 2

Mittwoch 14 Uhr: Die GBS  Kinder sind ins Grundschulgebäude zurückgekehrt und sitzen über Schulbücher und Hefte gebeugt nach Alter verteilt in den Klassenräumen.  Nur einige sind jetzt beim Chor und kommen später zu den „Hausis“ dazu. Am Mittwoch Nachmittag sind fast alle GBS Schüler da, an anderen Tagen sind es weniger, da viele Schüler nur für drei Tage angemeldet sind. Von 500 Schülern der Schule nehmen insgesamt 180 Schüler an der GBS teil, neun Kinder haben sonderpädagogischem Förderbedarf.  Es gibt sieben Gruppen, die jeweils  von einem Betreuer pro Gruppe betreut, eingeteilt nach Klassen von der Vorschule bis zur 5. und 6. Klasse. Ein Betreuer betreut also eine Gruppe von 25 Kindern.  Der Betreuerschlüssel für GBS  liegt bei 1:23, dh. ein Betreuer für 23 Kinder (bzw. je nach soz. Lage 1:19). Er ist damit deutlich schlechter als bisher im Hort, dort betrug er 1:17. Die Verschlechterung des Betreuerschlüssels in der GBS im Vergleich zum Hort ist einer der zentralen Gründe für die Kritik von Eltern und Kindern an der GBS, auch darum ging es in der Debatte am Mittwoch.

Die meisten Betreuer des Standorts Falkenberg haben eine zweijährige Ausbildung als sozialpädagogische Assistenten, ein Betreuer macht die berufsbegleitende Erzieherausbildung. „Ich erfülle den GBS Schlüssel nicht ganz“, sagt Valeska Stüben, die für den Kooperationspartner der Schule,  das „Kinderhaus Hotzenplotz“ , die GBS am Standort Falkenberg leitet. Zum Kinderhaus Hotzenplotz gehört auch die Kita am Rand des Schulgeländes, zu der man nur ein paar Schritte über den Schulhof laufen muss – ein „extremer Vorteil“ für Schule und Kinder, erklärt Frau Stüben,  da die kleinen Vorschulkinder schon früh mit dem Schulgelände vertraut sind und Kinder in Kita und GBS im Früh- oder Spätdienst gemeinsam betreut werden können. Nach dem Sommer  wird die GBS, die einmal mit 100 Kindern gestartet ist, noch einmal auf 200 Kinder anwachsen.  Dann sollen für die GBS zwei  Betreuer  dazukommen.  In den Ferien selber sind nur 6 bis 9 Kinder für die Ferienbetreuung angemeldet, betreut werden sie von zwei Erziehern. An diesem Mittwoch sind übrigens 3 Betreuer ausgefallen, die Gruppen werden zusammengelegt  und sind entsprechend größer.

Es ist still,  einige Kinder schreiben konzentriert, ein Junge schaut müde träumend auf sein Heft. In Valeskas Gruppe sind 25 Schüler aus zwei zweiten Klasse.  Das Klassenzimmer ist  groß, bunt und ziemlich alt, wie das ganze Grundschule-Gebäude. Die Schultische sind zu Viertisch-Inseln  zusammengerückt. Auf jedem steht ein Blumentopf mit Gänseblümchen, daneben ein Stapel Mathehefte, an den Wänden stehen Regale mit bunten Kinderbüchern,  an den Fenstern hängen gelbe Vorhänge. Es klopft. Zwei Jungs kommen rein, und fragen höflich„ Können wir einen Fußball ausleihen“? Sie bekommen den Schlüssel  zu Valeskas Büro, ein schlauchartiger, schlichter Raum am Ende des Flurs, an dem sich neben ihrem Schreibtisch Wasserkisten stapeln und Fussbälle lagern. „Komm wieder mit dem Schlüssel,“ ermahnt Valeska die Jungs .

VALESKA MIT HAUSAUFGABEN

Neben dem Lehrerpult hat sich eine Schlange von Schülern gebildet, mit den Hausaufgabenheften in der Hand. Valeska schaut sich die Hefte an, weist freundlich auf Fehler hin, schlägt geduldig Verbesserungen vor, korrigieren soll sie nicht,  und notiert in einem großen Klassenbuch, ob die Hausaufgaben gemacht sind oder ob jemand zuhause weiterarbeiten will.  Sie hat die Bücher angeschafft, um eine bessere Übersicht zu behalten, und um Eltern und Lehrern bei Problemen immer zuverlässig  Auskunft über die gemachten  Hausaufgaben geben zu können. Sind dreimal keine „Hausis“ gemacht, informieren die Lehrer die Eltern.

Einige Kinder sind fertig, packen sorgfältig ihre Stifte, Bücher und Schultaschen ein. Ein paar ziehen jetzt um zur „Förderung“  in benachbarten Klassenräumen. Bis zu 8 Schüler werden dort  in Deutsch oder Mathe von Lehrern gefördert, von Lehrern, Lehramtsstudenten und  Studenten.

Wer mit allem fertig ist, darf raus in das weiträumige Schulgelände. Draußen wartet schon eine Mutter, Andrea Niphut.  Sie hat zwei Kinder im GBS. „Wir sind sehr zufrieden“, erklärt sie.

Probleme gebe es nur mit dem Essen: „Meinen Kindern schmeckt das Essen nicht, sie sagen, es ist nur tiefgekühlt und aufgetaut.  Und es ist zu vorhersehbar, Montags gibt’s Fisch, Mittwochs immer Nudeln,  am Freitag Süßes.“  Manchmal erklärten ihre Kinder ,„ Wir wollen nicht in den Hort, weil das Essen nicht schmeckt“.  Die Kinder haben recht – das Essen der Schule wird tiefgefroren und getrennt nach Zutaten angeliefert und dann in der Kantine 90 Minuten in einem Konvektomaten dampfgegart. Die Kantinen  sind ebenfalls ein wichtiger Kritikpunkte der Eltern an der GBS. „Unsere Kinder werden an industrielles, aufgewärmtes Essen gewöhnt, statt zu lernen, wie wertvoll unsere Nahrungsmittel sind und wie sie nachhaltig zubereitet werden,“ so ua. die Kritik des Lea am mangelhaften Kantienenausbau für GBS.   http://www.lea-hamburg.de/aktuelle-pressemitteilungen/395-massive-fehler-und-versaeumnisse-bei-gbs-einfuehrung

Sehr zufrieden ist Andrea Niphut dagegen  mit den flexiblen Abholzeiten. „Das ist super, es gibt keine Probleme, wenn wir die Kinder einmal früher abholen“.  Das erklärten auch andere Eltern, die ihre Kinder an diesem Nachmittag abholen.  Flexibilität sei ihnen besonders wichtig, sagt Valeska Stüben:  „Bei uns können Eltern ihre Kinder auch zu individuellen Abholzeiten abholen “. Ich wünsche mir noch mehr mehr Kurse zum Thema „Forschen“ ,ergänzt noch ein Junge.

SPIELPLATZ HERR sTÜBENHARIM

Am Spielplatz hat sich ein jetzt kleines Grüppchen von Schülern neben Herrn Stüben, dem Vater von Valeska Stüben, versammelt. Herr Stüben macht als Honorarkraft die Aufsicht auf dem Schulhof. Betreuerin Hanim Gümis notiert in einem Heft,  welche Kinder an diesem Nachmittag an welchen Kurse teilnehmen möchten, die von 15 bis 16 Uhr angeboten werden. Die Kurse heute:  Fußball , Wald, Kochen oder Mosaik. Der Kurs „Forschen“ fällt aus, weil die Kursleiterin krank ist. Ein Junge kommt plötzlich weinend angelaufen, er hat sich am Bein weh getan, Valeska kommt und schaut sich das Bein an, klopft ihm aufmunternd auf die Schulter und der Junge zieht wieder ab.

GIRLS gbs

Ich mag am liebsten Mosaik, erklärt die 10 jährige Larischa, Zaliha mag am liebsten Kochen.

Kochen ist überhaupt sehr beliebt, erklärt Valeska Stüben, zweitweise melden sich bis zu 40 Kinder „wer will, kann dann nächste Woche teilnehmen“. Kurse an anderen Tagen sind Töpfern, Weben, Fußball für Mädchen, für Jungen, Spanisch und PC Nutzung, die Elternvertreter Gerrit Petrich anbietet. Neben den Klassenräumen hat die Schule dafür eine Bibliothek, einen Werkraum, ein Spielezimmer, einen Töpferraum und zwei Vorschulräume.

Neue Räume gibt es allerdings für die GBS Nachmittage nicht – auch keine Pausenhalle für die vielen Hamburger Regentage. Geplant war für 2014 der Neubau eines großen Grundschulgebäudes mit Räumen und neuer Kantine für die GBS. Vorher sollte noch die Turnhalle abgerissen und neu gebaut werden. „Der Plan liegt vor, aber niemand weiß Genaues, es wird immer weiter nach hinten geschoben“ erklärt Valeska Stüben.

FAHRZEUGEBetreuer Alex holt jetzt die „Fahrzeuge raus“-  Zwei-,  Drei- oder Vierräder auf denen die Kinder im Schulgelände herumrasen können. Platz dafür ist in der Schule reichlich vorhanden. Es bestehe auch keine Gefahr, dass Senat und Behörde Schulgelände verkaufen würden,  wie in Schulen in der Stadtmitte geplant, die nach Berechnungen der Behörde „zuviel Platz“ haben.  Diese Sorge müsse man sich an seiner Schule nicht machen,  erklärt der Schulleiter des Standorts Falkenberg Jens Bendixen: „Wir haben wachsende Schülerzahlen“.

Jens Bendixen ist ein weiterer Glücksfall für die Schule am Standort Falkenberg: Sein großes Thema ist Sport – Sport hat er auch zum Thema seiner Schule gemacht. Ab der 3. Klasse sind viele GBS Schüler  nachmittags in Sportvereinen der Umgebung aktiv,  die Schule hat zahlreiche Kooperationen mit Sportvereinen –  Vereine, die ihr Schulleiter gut kennt –  denn er ist selbst in vielen Mitglied. Die Schule ist eine sog. „sportbetonte Schule“  mit einer  speziellen Sportklasse.

Die GBS Nachmittagskurse sind mittlerweile aufgeteilt.Der Kurs „Wald“ wandert nur wenige Schritte und Minuten und ist schnell mitten im Wald der benachbarten „Neugrabener Heide“.Die neun  Kinder klettern auf Bäume, rutschen einen hohen Sandberg herunter und essen Gurken, Tomaten und Kirschen zum Picknick zwischendurch. Ihre Betreuerin ist  Svenja Schürmann, Grundschullehrerin und selber Mutter von zwei Kindern.

WALDPICKNIKSie  wird nach den Ferien die Stelle von Valeska Stüben als Leiterin der GBS übernehmen. „Valeska hat mich überredet. Sie hat meinen Ehrgeiz geweckt, es auszuprobieren, ich kann hier gestalten, mit Personal arbeiten und die GBS weiterentwickeln“.   Mit zu ihrer Entscheidung beigetragen habe die gute Stimmung an Schule und GBS. Es gebe Respekt, Höflichkeit, die Grenzen der anderen würden beachtet und dies werde auch den Schülern beigebracht. Wichtig sei auch der gute Austausch mit Schulleitung und den Vertretern des Elternrats in der „Steuergruppe der GBS“,  die sich alle zwei Wochen treffe. Sie habe schon Pläne für das nächste Jahr, und wolle vor allem mehr Kooperationspartner dazu gewinnen, die Musikkurse, zB. Gitarrenunterricht anbieten. Diese müßten allerdings von den Eltern bezahlt werden. Zurück in der Schule gibt mir Valeska Stüben schliesslich noch ein Foto von den Mosaiken mit auf den Weg, den die Schüler des Mosaikurses in der letzten Stunde gebastelt hat.

SANDBERG

Resümee: Die Schule Falkenberg hat zwei wichtigen Pluspunkte auf ihrer Habenseite: Das sind einmal die Menschen:  Eine ungewöhnlich engagierte, kinderliebende und organisatorisch begabte  Erzieherin, ein engagierter und in den Sportvereinen bestens vernetzter, offener Schulleiter und ungewöhnlich engagierte Elternvertreter im Elternrat. Sie haben es gemeinsam geschafft, dass sich in der GBS der Schule Falkenberg  Kinder, Eltern, Betreuer und Besucher wohl und gut aufgehoben fühlen. Bei  der neuen Leiterin der GBS, Svenja Schürmann, liegt die Nachmittagsbetreuung, so der Eindruck, weiter in den besten Händen:

IMG_0251

Pluspunkt der Schule ist zum anderen die Größe und  Lage der Schule zwischen Naturschutzgebieten und Wäldern am Rande der Stadt. Ein Vorteil, den Schulen im Zentrum nicht haben.

Unabhängig von Engagement und Leistung der Menschen  bleiben aber dennoch die Punkte, die Eltern, Lea, und Opposition in der Debatte in der Bürgerschaft so heftig und zurecht kritisieren. Es sind die mangelhaften Rahmenbedingungen, das schulisch-staatliche Monopol bei der Nachmittagsbetreuung von Kindern und die Mängel der Umsetzung der Ganztagsschulreform des Schulsenators: Dazu gehören der schleppende Ausbau der Kantinen, die fehlenden Produktionsküchen, die  fehlenden Räume für Rückzug, Ruhe, Toben und Differenzierung, die fehlenden Mitteln für Inklusion  und die deutliche Verschlechterung des Betreuungsschlüssels im Vergleich zu den Horten.

Turbo G8 – „Allgemeinbildungsanspruch und eine humane Bildung wurden nahezu völlig aufgegeben“: Bildungswissenschaftler Professor Hans Peter Klein

13 Mai

G9PlakatAn diesem Wochenende hat sich in Presse und sozialen Netzwerken in Hamburg die Debatte um die acht- oder neunjährige Schulzeit an den Gymnasien, G8 – G9, heftig zugespitzt. Auslöser ist eine Einladung zu einem Treffen der Hamburger G9 Befürworter durch die Elterninitiative „G9-Jetzt-HH“, die eine Wiedereinführung des G9 an Hamburgs Gymnasien mit Wahlfreiheit zwischen G8 und G9 fordert. Die Eltern hatten in einer Petition in drei Monaten über 6000 Unterschriften für die Rückkehr zum G9 an Hamburgs Gymnasien erhalten, doch Schulsenator Ties Rabe hält weiter an Turbo G8 fest.  Die Elterninititive kündigte deshalb an, das Treffen der G9 Befürworter könnte der Startschuss zu einer Volksinitiative für die Wiedereinführung des G9 an Gymnasien werden. 

Wie schon einmal während des Volksentscheids gegen die Primarschule ist die schulpolitische Diskussion um G8 oder G9 in Hamburg festgefahren zwischen den Eltern auf der einen und allen etablierten Parteien von Senat und Bürgerschaft auf der anderen Seite. Wie der SPD Schulsenator wollen auch CDU, FDP, Grüne und Linke am Turbo G8 festhalten. Sie erklären, man könne ja die zweite Schulform in Hamburg, die Stadtteilschule wählen, an der es das G9 gebe. Schulsenator Rabe selber hatte dagegen noch in Jahr 2009 die von CDU/FDP eingeführte Schulzeitverkürzung heftig kritisiert: „Der Senat hat mit fliegenden Fahnen und gegen alle Argumente die Schulzeitverkürzung durchgepeitscht“, hatte er damals als Oppositionspolitiker erklärt. http://www.tiesrabe.de/89.html?&tx_ttnews%5Btt_news%5D=217&tx_ttnews%5BbackPid%5D=90&cHash=a7148fe2a0

Kirschsblog hat deshalb nachgefragt. Was sagen Bildungswissenschaftler? Was beurteilen sie das Für und Wider von G8 und G9? Kirschsblogs Interview mit Professor Dr. Hans Peter Klein von der Goethe Universität Frankfurt:

KleinTCNJ2011Professor Dr. Hans Peter Klein unterrichtete mehr als 20 Jahre als Gymnasiallehrer und Lehrbeauftragter in der Lehrerausbildung an den Universitäten Köln und Koblenz, bevor er 2001 von der Goethe-Universität Frankfurt auf den Lehrstuhl für Didaktik der Biowissenschaften berufen wurde. Professor Klein ist Präsident der Gesellschaft für Didaktik der Biowissenschaften (www.didaktik-biowissenschaften.de), Vorstandsmitglied der Bildungskommission der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Ärzte, sowie Mitbegründer und Geschäftsführer der 2010 in Köln gegründeten Gesellschaft für Bildung und Wissen (www.bildung-wissen.eu). 2011/2012 war er als Gastprofessor am College of New Jersey (TCNJ) in den USA tätig. Professor Klein war am 16. April 2013 in der Experten-Anhörung zum Thema individualisierter und kompetenzorientierter Unterrricht als Sachverständiger im Schulausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft geladen.

Kirschblog: Herr Professor Klein, sind Sie für das G8 oder für das G9 an Gymnasien?

Prof. Klein: Diese Frage ist relativ einfach zu beantworten: für G9.

Kirschblog: Welche Gründe sprechen denn gegen G8?

Prof. Klein: Die Begründungen, die zu G8 geführt haben, kamen in erster Linie aus einem neoliberalen Anspruch auf Bildung, der unsere Kinder als nachwachsenden Rohstoff für den Kapital- und Arbeitsmarkt betrachtet und in der es darauf ankommt, dieses Humankapital möglichst effizient im Rahmen der Globalisierung und einer weltweiten Employability aufzustellen. Diese Forderungen werden ja unter anderem über die OECD und die weltweit agierende Bertelsmann Stiftung  vertreten. Die Finanzminister haben dann auch schnell einen Haken hinter G8 gemacht, da es Einsparpotentiale insbesondere im Bereich der Lehrerversorgung bot. Auch der Vorwurf, dass deutsche Schul- und Universitätsabsolventen deutlich älter sind als die vor allem aus den anglo-amerikanischen Ländern, ist natürlich abwegig, da es erstens ja wohl auf die Qualität des Abschlusses ankommt – und da war gerade der deutsche Absolvent sowohl des neunjährigen Abiturs als auch des 10 und mehr Semester dauernden Diploms gern gesehener Gast, Universitäts- oder auch Berufseinsteiger in diesen Ländern. Hinzu kommt, dass die USA flächendeckend einen 8-semestrigen Bachelor vergibt, der ja mit dem deutschen und teilweise europäischem 6-semestrigen Schmalspur-Bachelor nicht zu vergleichen ist.

Kirschblog: Sie glauben also, dass die Bildungsökonomie sich hier durchgesetzt hat?

Prof. Klein: Klar! „Möglichst schnell und kostengünstig durch das Bildungssystem“ scheint die leider immer noch andauernde Parole der Protagonisten dieser Entwicklung zu sein, das betrifft ja die Bacherlor-Studiengänge gleichermaßen.

Kirschblog: Hat es denn noch andere Gründe für die Einführung von G8 gegeben?

Prof. Klein: Eines der Argumente war, dass die Kinder ein Jahr ihrer Lebenszeit gestohlen bekämen, dies hatte seinerzeit der damalige Bundespräsident Roman Herzog so formuliert. Dies scheint sich seit der Einführung von G8 ins Gegenteil verwandelt zu haben: Schulkindern wird ihre Kindheit und Jugend gestohlen, da selbst die Kleinsten in immer kürzerer Zeit mit einer bisher nie gekannten Anzahl von Wochenarbeitsstunden oftmals bis in den späten Nachmittag in der Schule ihren Fächern nachgehen müssen. Die für eine positive Bildung der Gesamtpersönlichkeit dringend notwendigen sportlichen, künstlerischen und musischen Aktivitäten sind praktisch kaum noch zu realisieren. Das darüber hinaus für eine mündige und kreative Persönlichkeitsentwicklung ebenfalls wichtige „Chillen“, wie es so schön in der Jugendsprache heute heißt, hat man den Kindern weitgehend weggenommen. Sie sind in ihren Aktivitäten durchgeplant wie junge Roboter und werden leider nicht nur so durch ihre schönsten Jahre geschleust, sondern kommen danach auch an den Hochschulen in ein völlig durchstrukturiertes Bachelor/Master System hinein, dass Ihnen jede Eigeninitiative und Kritikfähigkeit geradezu nimmt. Anscheinend geht es nur noch darum, angepasste Kräfte möglichst kostengünstig für den globalen Arbeitsmarkt zu generieren. Parallel zu dieser Entwicklung wurde ein ehemals besonders im bisherigen deutschen Bildungssystem entwickelter Allgemeinbildungsanspruch und eine humane Bildung nahezu völlig aufgegeben, von Standardisierung, Effizienz und von Kompetenzen ist die Rede, eine Entwicklung, die ich eher als Weg in die Unbildung bezeichnen würde. Entsprechend wird mein neues Buch, was ich derzeit schreibe, auch den Titel oder Untertitel haben „Praxis der Unbildung“, denn genau dort sind wir mittlerweile angelangt. Bildung braucht Zeit und die Wähler werden es den Politkern danken, wenn diese ehrlich genug sind, hier eine vielleicht sogar einmal gut gemeinte Fehlentwicklung zu korrigieren.

Kirschblog: Was ist denn überhaupt Bildung?

Prof. Klein: Dies ist keine leichte Frage, denn eine einheitliche Definition von Bildung gibt es nicht. Gehen wir mal auf den Bildungsbegriff von Wilhelm von Humboldt zurück, der derzeit in der ganzen Welt eine nie gekannte Beachtung findet – außer in Deutschland –  so versteht man darunter im weitesten Sinne die Entwicklung einer ganzheitlichen Persönlichkeit basierend auf einer möglichst breiten Allgemeinbildung, in der Selbstbestimmung, Mündigkeit und Vernunftgebrauch die zentralen Elemente darstellen. Eberhard von Kuenheim, Vorsitzender der gleichnamigen Stiftung und jahrelanger Vorstandsvorsitzender von BMW, hat in einem leider viel zu wenig beachteten Artikel in der FAZ mit dem Titel „Wider die Ökonomisierung der Bildung“ eindringlich vor einem reinen Nützlichkeitsdenken gewarnt, da ein strenger Utilitarismus genau die Schäden verursache, die man beklage. Insbesondere auch die geisteswissenschaftlichen Disziplinen – die heute sowohl an Schulen als auch an Universitäten im Rahmen eines bisher nie gekannten Drittmittel- und Employabilitywahns in ihrer Daseinsberechtigung angezweifelt werden – sollten dazu beitragen, die Kindern zu mündigen und kritischen Bürgern zu erziehen, die sowohl in ihrem persönlichen als auch im gesellschaftlichen Leben auf der Basis von Wissen kompetent Entscheidungen, Bewertungen und Kommunikationen durchführen können, was übrigens auch der Anspruch eines sinnvollen Kompetenzbegriffs durchaus anfangs war.

Kirschblog: Sie verwenden in diesem Zusammenhang öfter die Definition „Bildung ist Widerstand“. Was verstehen Sie darunter?

Prof. Klein:„Bildung bedeutet Widerstand“ ist eine der Sichtweisen von Bildung, die von meiner Kollegin Ursula Frost  von der Uni Köln in einem bemerkenswerten Vortrag auf der Gründungstagung unserer 2010 ins Leben gerufenen Gesellschaft für Bildung und Wissen (www.bildung-wissen.eu) zu diesem Thema vorgetragen wurde. Davon kann nun leider heute überhaupt keine Rede mehr sein. Ganz im Gegenteil scheinen die neuen Bildungskonzepte eher den angepassten und kritiklosen, möglichst auch nicht mit zuviel Wissen ausgestatteten Menschen als das ausgewiesene Ziel eines ökonomistischen Bildungsbegriffs zu fordern, der in Politik und Wirtschaft optimal verwertbar alle ihm aufgetragenen Aufgaben ohne Nachfragen erledigt und sich möglichst eigener Gedankengänge enthält, von Kritik ganz zu schweigen. Mainstream ist angesagt und das gilt in gleicher Weise mittlerweile auch für Wissenschaft und Forschung. Auch hier schwimmt man auf der vorgegebenen Welle mit. Kritische Geister, falls es sie überhaupt noch gibt, erhalten den Querulantenstatus und keine Drittmittel. Dabei haben gerade in der Wissenschaft insbesondere kritische Geister die Forschung voran gebracht, die immer wieder die wichtigen Fragen „Wieso“, „Weshalb“, „Warum“ gestellt haben. Heute ist es nur noch das Motto der Sesamstrasse und der Sendung mit der Maus. Kritiklose Bürger, die auf der Schiene des Zeitgeistes mit gefühltem Wissen mitschwimmen, sind halt leichter manipulierbar. Wie ich schon sagte: Unbildung!

Kirschblog: Gerade im anglo-amerikanischen Raum gehen die Schüler aber auch nur 12 Jahre in die Schule. Welche Erfahrungen hat man denn dort?

Prof. Klein: Dort hat man nur deswegen 12 Jahre Schule, da der Staat nur diese Zeit bezahlt. Danach wird das Bildungssystem mehr oder weniger komplett privatisiert. Auch die amerikanischen Colleges und Universitäten sehen dies durchaus kritisch und hätten lieber um wenigstens ein Jahr ältere Studienanfänger. Die kommen jetzt – wie hier nun auch – mit 17 Jahren dorthin und werden als „Freshmen“ bezeichnet, die in den ersten beiden Semestern eine Art Studium generale durchführen können, damit sie sich zuerst einmal orientieren können. Noch nicht einmal das gewährt man den deutschen Studienanfängern. „Helicopter Parents“ begleiten die Freshmen in den USA und üben durchaus Druck auf die Lehrenden aus, sie zahlen ja schließlich deutlich mehr als Zehntausend Dollar pro Semester für ihre Zöglinge und wollen nicht, dass diese dort nur Partys feiern. Und dieser Unfug hält derzeit Einzug in die deutschen Hochschulen. Zudem empfiehlt man den G8ern soziale Jahre, Auslandsaufenthalte, Praktika, Studium vorbereitende Veranstaltungen und vieles mehr, um die Zeit für die Aufnahme eines Studiums zu überbrücken. All das haben wir bei G9 nicht gebraucht.

Kirschblog: Aber auch in der ehemaligen DDR ging man maximal 12 Jahre zu Schule und die neuen Bundesländer haben auch heute meist G8?

Prof. Klein: Das stimmt, aber in der DDR haben auch nur weniger als 10% der Schüler die sogenannte Erweiterte Oberschule besucht, man hat also nur 10% Abiturienten generiert, also die besten eines Jahrgangs. Das geht nun gar nicht mit der derzeit ins Visier genommenen Abiturientenquote von mindestens 50%, es sei denn, man senkt die Ansprüche drastisch ab und das bestreitet heute ernsthaft niemand mehr.

Kirschblog: Aber die Hamburger KESS Studie behauptet doch das genaue Gegenteil.

Prof. Klein: Ich bin immer wieder erstaunt, wie sehr sich die Öffentlichkeit und selbst die Presse bluffen lassen. Wir untersuchen derzeit vergleichend die Hamburger Zentralabiturarbeiten von 2005 bis 2011 in den einzelnen Fächern und erste Ergebnisse weisen eher auf das genaue Gegenteil hin.

Kirschblog: Herr Professor Klein, vielen Dank für das Interview.

Einladung

Treffen der Hamburger G9 Befürworter:

14. Mai 2013

20 Uhr

Brechtschule

Norderstrasse 163-5

7 Minuten von Hauptbahnhof

Informationen zu Elterninitiative „G9-Jetzt-HH“unter:

http://www.g9-jetzt-hh.de,

Tel. 0172/4356563