Schulsenator und Behörden schaffen derzeit entschlossen und schnell Fakten in Punkto Ganztagsschule in Hamburg – aber was genau kommt auf Eltern und Schulen zu? Für alle Betroffenen, die Informationen über die Ganztagspläne vermissen, hier Auszüge aus Protokollen von Gesprächen des „Landeselternausschuss Kinderbetreuung“, LEA, mit dem Leiter der Abteilung Familie und Kindertagesbetreuung des Amts für Familie der Sozialbehörde HH (BASFI), Dr. Bange. Darin finden sich interessante Details, speziell zur ganztägigen Betreuung und Bildung an der Grundschule (GBS):
Nach den Plänen des Schulsenators wird es mehrere Modelle von Ganztagsschule für die Grundschulen geben. Dabei ist immer eine kostenlose Kernzeit von 8 bis 16 Uhr vorgesehen. Bei einem Modell, der gebundenen Ganztagsschule, gibt es am Nachmittag Unterricht von Lehrern. Bei einem zweiten Modell, der offenen Ganztagsschule, wird bis 16 Uhr Betreuung angeboten. Darüber hinaus soll zusätzliche Betreuung vor Schulbeginn angeboten werden, und ebenso nach 16 h, in den sogenannten Randzeiten.
Auszug aus dem LEA Protokoll vom 1. Juni
Frage des LEA: „Was ist mit der Betreuung während der Randzeiten, wenn nur 1-6 Kinder (dabei) sind?“
Antwort, Dr. Bange: „Die Betreuung während der Randzeiten wird garantiert. Dies kann in Einzelfällen zu einer Betreuung an anderen Schulen führen. Zusatz: Eine Überlegung ist, die 6-8 Uhr Betreuung von der Schule übernehmen zulassen.“ (wird im Regelfall Aufgabe des Kitaträgers)
F: Das heißt Honorarkräfte und Ausgliederung der Frühbetreuung aus der Qualitätsbetrachtung?
A: Vor 8 Uhr muss es nicht notwendigerweise eine Betreuung durch Erzieher geben. Kinder möchten so früh morgens nicht durch ein pädagogisches Konzept „belastet“werden.
F: Wenn mehr als 23 Kinder in einer Gruppe zusammenkommen, gibt es dann einen 2ten Erzieher?
A: Ab 30 Kinder wird es wohl einen 2ten Erzieher geben.
F: Was heißt das genau?
A: Es wird ähnlich wie bei Schulklassen eine Regelung geben, dass Gruppen mit
einer kleineren Größe von 17 Kinder auch zu gelassen werden. Dies gilt auch für
leicht größere Gruppen. Wenn es keine Dauereinrichtung wird! ….“
Anmerkung von Kirschblog: Schulsenator Rabe rechnet nach eig. Angben damit, dass 60 Prozent der Schüler an den Nachmittagen der Ganztagsgrundschule teilnehmen, die Gruppengröße wäre also eher größer als kleiner.
F: Was ist mit den Kindern ab der 5ten Klasse, wie soll die Nachmittagsbetreuung
für diese gewährleistet werden?
A: Alle Stadtteilschulen sollen gebundene Ganztagsschulen werden.Weiteres ist noch unklar.
F: Gibt es bei GBS eine Schulpflicht?
A: Ja.“
Auszug aus dem Protokoll vom 1. September:
Dr. Bange: „Gymnasien: Es sollen einzelne Angebote in den Gymnasien, oder sozialräumliche Angebote für die Gymnasien eingerichtet werden…..“
Frage Lea. „Müssen Schulen GBS anbieten, wenn die Nachfrage einen bestimmten Anmeldewert nicht überschreitet?“
A: „Es gibt keine unteren Grenzen mehr. Ausnahme: Bei Zwergschulen wird es einen PÄMI (Pädagogischen Mittagstisch) oder ähnliche Modelle geben…“
F: „Was ist, wenn sich die Schulkonferenz gegen GBS ausspricht, aber einige Eltern auf die Betreuung bestehen?
A:„Dann muss die Stadt die Rechtsansprüche gewährleisten. Ab spätestens 2015 wird ein Ganztagsangebot zur Pflicht.“…
„Zu den Elternbeiträgen: Die Betreuung von 13-16 Uhr wird kostenlos sein, das Essen wird von 0 Euro bis 70 Euro (20 * 3,50 Euro) kosten. Kinder die Anspruch auf das Bildungs und Teilhabepaket (BUTler) haben zahlen 0 Euro…Die Kosten für die Randzeiten liegen zwischen 0 (BUTler) und 207 Euro für die Höchstzahler……Die Ferienbetreuung kann wochenweise gebucht werden. Diese muss auch von BUTlern, wenn auch gestaffelt, bezahlt werden. Die Kosten fangen bei 7,50 Euro pro Woche an….
Nachfragen: F: „Gibt es schon Lösungen für die Ausgestaltung von Inklusion in GBS?“
A: „Wir arbeiten an diesem Thema…“
F: „Kann ich meine Kinder vor 16 Uhr abholen?“
A: „Nur in Ausnahmefällen, wie z.B. der Geburtstag der Oma“.
Im Protokoll ist dann von der künftigen Zusammenarbeit mit der offenen Kinder- und Jugendarbeit die Rede.
Anmerkung Dr. Bange: „Wir holen innerhalb weniger Jahre (2 bis 2,5 Jahre) 20.000 Kinder in die Betreuung. Dafür nehme ich in Kauf, dass das normale System rumpelt. Davon verspreche ich mir eine Verkleinerung der Korrelation zwischen Herkunft und Schulerfolg.“
Ende Juni hatten die Rahmenbedingungen von GBS heftige Kritik des LEA ausgelöst: Der Qualitätsstandard sei schlechter als im Hort, der ja selbst nicht optimal sei, so die Kritik. Besonders bedenklich sei die Personalsituation:….“Ein Erziehermangel zeichnet sich mehr als deutlich ab!…. Vor dem Hintergrund dieser prekären Personalsituation und einer nicht ausreichenden, abschließenden Evaluation scheint es
grob fahrlässig, die Umsetzung von GBS in diesem hohen Tempo fortzusetzen.“ so der Lea damals.
http://www.lea-hamburg.de/presse
Mittlerweile beurteilt der LEA die Ganztagspläne von Senator und Behörde viel positiver. Die Rahmenbeedingungen seien verbessert worden: „Jetzt … wird für die Zukunft eine Grundlage geschaffen, auf der eine Weiterentwicklung von GBS als Betreuungsmodell für Schulkinder doch vorstellbar ist“. http://www.lea-hamburg.de/presse Allerdings – an den Kritikpunkten vom Juni, also Erziehermangel, schlechterer Betreuungsschlüssel als im Hort, fehlende Evaluation der bestehenden Ganztagsschulen, Tempo der Umsetzung, hat sich wenig Erkennbares verbessert.
Heftige Kritik von Seiten der Hamburger Kita-Anbieter gibt aber nach wie vor daran, dass die Bedingungen der Betreuung von GBS auch für Vorschulkinder gelten sollen: „Würde eine Kita ihre Elementarkinder zu solchen Bedingungen wie sie nachmittags an der Schule vorgesehen sind betreuen, würde sie wegen Kindeswohlgefährdung ihre Betriebserlaubnis verlieren. Eine derart massive Verschlechterung der Betreuungsschlüssel für die Betreuung der Elementarkinder an Schulen können wir nicht akzeptieren.“ http://www.lea-hamburg.de/data/lea/download/2011-09-01%20soal%20pm_gbs_20110901.pdf
Immer noch kritisch beurteilt der LEA die mangelnde Information der Eltern. Unklar ist offensichtlich selbst die Kernfrage, zwischen wievielen Ganztagsmodellen die Schulen nun eigentlich wählen können. Neben den schon erwähnten Formen der gebundenen und der offenen Ganztagsschule (incl. GBS) soll es noch ein weiteres Modell geben, an anderer Stelle ist sogar von insgesamt vier Modellen die Rede. Der LEA hat auf seiner Homepage Informationen über die Ganztagspläne zusammengestellt. Darin nennt er drei Formen von GTS, die dritte Form ist die „teilgebundene Ganztagsschule“. Bei dieser Form gebe „es nur für eine bestimmte Schülergruppe (beispielsweise einzelne Klassen, Züge oder Jahrgänge) neben dem Unterricht verpflichtende ergänzende Angebote“. http://www.lea-hamburg.de/data/lea/download/2011-09-01-anhang-pm-gbs-faq.pdf
Unklar bleibt, ob auch diese Form zu den Ganztags – Modellen gehört, zwischen denen die Grundschulen in diesen Wochen wählen sollen. Ganz klar dagegen: das Modell Halbtagsschule taucht in den Protokollen, Kommentaren und Erklärungen von Behörden, LEA, Schulsenator als Wahlmöglichkeit für Eltern nirgendwo mehr auf.
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