Archiv | Oktober, 2011

SPD Schulpolitik mit Tempolimit

30 Okt

Manchmal lohnt es sich auch für Hamburger, über die Landesgrenzen hinauszuschauen, zB. nach Baden Württemberg. „Wenn ich als Kultusministerin verkünden würde, dass es schon vor 2020 überall Ganztagesangebote geben wird, zeigen mir die Bürgermeister doch den Vogel. Wir sollen keine Schulden machen, aber Ganztagsschulen aufbauen – das ist doch eine Illusion“, erklärte die neue SPD Kultusministerin, Gabriele Warminski-Leitheußer von Baden-Württemberg jetzt in einem Spiegel Interview. 

Zwar plant sie einen „bedarfsgerechten“ – aber eben nicht flächendeckenden – „Ausbau von Ganztagsschule“, und sie sieht auch den Ausbau von Gemeinschaftsschule vor, doch die SPD Kultusministerin hält nichts „von Tabula-rasa-Reformen“ in der Bildungspolitik:So bringt man das Schiff nur so sehr in Bewegung, dass alle seekrank werden.“

Eine interessante Botschaft an Hamburg, wo Schulsenator Rabe in zwei Jahren alle Hamburger Schulen in Ganztagsschulen umgewandelt haben will. 

Die SPD Ministerin klagt dagegen über einen „dramatischen Sanierungsstau an öffentlichen Schulen“ und fordert ein Investitionsprogramm des Bundes. Über einen „dramatischer Sanierungsstau“ klagen auch Hamburger Schulen seit langem. Im neuen Schulentwicklungsplan verspricht  Senator Rabe  jetzt aber erst einmal viele neue Zubauten an Hamburger Schulen. Das klingt schön, doch Ties Rabe erklärt nicht, wie er die Zubauten finanzieren will. Möglicherweie müsse dafür neu gewichtet werden, hieß es in in der Pressekonferenz. Das würde bedeuten, Sanierungen werden in HH erneut zurückgestellt. Hier  gewichtet die SPD Kultusminsterin in Baden Württemberg offenbar grundsätzlich anders.

Gabriele Warminski-Leitheußer ist im Übrigen eine überzeugte G8 Kritikerin, so der Spiegel. Zwar könne man das System nicht mehr landesweit auf G9 zurückdrehen, allerdings wird sie „vom Schuljahr 2012/13 an …in Modellschulen auch wieder neunjährige Züge zulassen“. Außerdem will sie die Bildungspläne überarbeiten und weitere Lehrerstellen an Gymnasien schaffen, um die „Belastung im G8 abzubauen“. Von solch bürgernaher Wahlfreiheit für Eltern und Schüler ist man in HH weit entfernt – nicht nur bei der SPD. http://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.g8-gegen-g9-die-turbo-schueler-holen-auf.b7c582cd-18f1-4ddf-9e34-1665d201f3fe.html

Warminski-Leitheußer will außerdem die in Baden Württemberg bisher verpflichtende Grundschulempfehlung der Lehrer abschaffen, diese sei „eine unsägliche Bevormundung der Eltern“. http://www.spiegel.de/schulspiegel/0,1518,794803,00.html

Mehr zur geplanten flächendeckenden Ganztagsschule in HH in dieser Woche in Kirschsblog: Demnächst auch bei Facebook.

Nachtrag: Elternprotest Allermöhe

28 Okt

Das Tempo, in dem Ties Rabe Fakten schafft, ist für manche Eltern atemberaubend.

Vorgestern berichtete Kirschsblog über Elternproteste in Allermöhe gegen den Schulentwicklungsplan (SEPL), den Schulsenator T. Rabe am Dienstag  der Presse vorgestellt hatte. Eltern des Gymnasiums Allermöhe, das mit 800 Kindern unter Raumnot leidet, hatten erst aus  SEPL erfahren: Ihr monatelanges Bemühen um Räume eines Wand an Wand  liegenden leerstehehenden Schulgebäudes (Walter-Rothenburg-Weg)  war vergeblich. Stattdessen erhielt die kleinere Clara Grunwald Grundschule mit 500 Kindern den Zuschlag für die Räume und zieht dort ein.

Während die Eltern des Gymnasiums noch protestieren, werden sie heute erneut geschockt. In der WELT mußten die Eltern lesen: Das bísherige Gebäude der Clara Grunwald Schule steht bereits auf der Liste der Schulgebäude, die verkauft werden sollen, um aus den Erlösen andere im SEPL geplante Bauten und Sanierungen zu finanzieren. http://www.welt.de/print/die_welt/hamburg/article13683413/Die-ersten-Schulen-stehen-zum-Verkauf.html

In der Pressekonferenz am Dienstag hatte Schulsenator Ties Rabe dazu Folgendes erklärt:

ich war drei Jahre jetzt Wahlkreisabgeordneter, deswegen kommen natürlich immer Fälle zu Sprechen, die ich bei mir vor der Haustür habe… hier geht es beispielsweise um den Stadtteil Neu Allermöhe. Dort gibt es drei Grundschulen. Eine sehr bekannte Grundschule, die auch über Bergedorf hinaus, große Aufmerksamkeit immer wieder erfährt ist die Clara Grunwald Grundschule, die vielleicht auch auf Grund besonderer Konzepte derart angewachsen ist, dass sie in ihrem Gebäude kein Platz mehr hat. Sie zieht um, in die benachbarte Schule Fährbuernfleet“,…(Walter-Rothenburg-Weg)…“das war früher eine Gesamtschule die unter der Vor-Vor-Vorgängerregierung aber wegen Schülermangel geschlossen ist und seit dem die leer steht. Nun zieht die komplette Schule nun dahin gehend um, hat dann mehr Platz aber; auch übrigens ein Fall, dass das alles nicht so einfach ist, eine sehr schöne, baulich sehr sehr ansprechende und sehr moderne Grundschule mitten in Neu Allermöhe, steht komplett leer. Die Alte Clara Grunwald Schule. Und das ist kurzfristig sogar schon zu erwarten, denn die Schule ist schon mit Teilen ihrer Klassen umgezogen und wird diesen Umzug in den nächsten Monaten oder nächsten Jahr dann fortsetzen und abschließen. „

Der Umzug der Clara Grunwald Schule hat also schon lange begonnen und ist auch bald abgeschlossen, das bisherigen Gebäude, eine „sehr schöne, baulich sehr ansprechende und sehr moderne Grundschule“ wird verkauft. Die versprochenen Beratungen in Elterngremien, Bezirksversammlungen und Deputation sind demnach in diesem Fall also aus Sicht von Senator und Behörde gar nicht mehr nötig.

Wg. SEPL – Elternprotest aus Allermöhe

26 Okt

Proteste von Eltern des Gymnasiums Allermöhe, die Kirschsblog heute erreicht haben, zeigen: Der SEPL ist aus Sicht einiger Eltern nicht so erfreulich ausgefallen ist, wie es gestern bei der Pressekonferenz schien. 

Eltern des Gymnasium Allermöhe sind nach der Veröffentlichung des SEPL geschockt und enttäuscht. Auf Seite 77 im Kapitel Bergedorf des SEPL haben Sie gestern erfahren:

„Die Clara-Grunwald-Schule soll fünfzügig geführt werden Sie wird komplett in den Walter-Rothenburg-Weg umziehen“.

Die Clara Grunwald Schule ist eine intregrative Grundschule mit 500 Kindern in 19 jahrgangsübergreifende Klassen im Neubaugebiet Neuallermöhe-West. Mit der Entscheidung für den Umzug dieser Grundschule in die Walter – Rothenburg – Weg  waren monatelange Bemühungen seitens des Gymnasiums, ihre viel zu kleine Schule zu erweitern, offenbar auf Sand gebaut. Denn auch die Eltern des Gymnasiums mit insgesamt 800 Schülern hatten auf die Räume im Walter – Rothenburg – Weg gehofft. Dort befindet sich ein großes Schulgebäude, das leersteht: Wand an Wand mit dem Gymnasium Allermöhe. Zumindest einige Räume könnten sie doch für ihre Schule nutzen, so die Hoffnung der Eltern. Ihr Kommentar zum SEPL zeigt, wie groß jetzt die Enttäuschung ist: 

 „Ja, ja, jetzt haben wir es endlich auch hochoffiziell. Die kleine vierzügige Clara-Grunwald-Grundschule, Hätschelkind unserer ehemaligen Schulsenatorin, zieht um. Sie residiert dann nur durch Glaswände und -türen von uns getrennt in Räumlichkeiten, die vor knapp 15 Jahren für ein 6-zügiges weiterführendes Schulzentrum Allermöhe konzipiert waren, locker Platz für 1200 Schüler: große Cafeteria, gute Küchensituation, 3-Feld-Sporthalle + 1-Feld-Halle, Fachraumtrakt, u.s.w.. Da können wir dann gratulieren, wir? Wer sind eigentlich wir? Ach ja, da ist ja noch was, das Gymnasium Allermöhe: 4-zügig geplant und damit genau 1/3 kleiner als die Nachbarn, knapp 800 Schüler in jetzt rhythmisierter Ganztagsschule, Cafeteria mit 25 Sitzplätzen, keine Pausenräume, 31 Kinder in winzigen Klassenzimmern,……Neidisch? Vielleicht! Seit Monaten betteln wir um ein winzig kleines Stück von dem riesigen Kuchen unmittelbar nebenan. Man müßte doch nur ein paar Wände verschieben, das kostet nicht viel, aber unsere vordringlichsten Probleme könnten aus dem Weg geräumt werden und nebenan würde man es nicht einmal merken. Aber das wollte wohl von den Behördenseppeln keiner hören.“

Die Schulleiterin der Clara – Grunwald – Schule, Angelika Fiedler, ist in der Öffentlichkeit schon länger bekannt. Sie begründete im Jahr 2009 gegenüber der TAZ als damalige Vorsitzende des Grundschulverbandes eine Unterschriftenaktion, in der sie gemeinsam mit 91 Schulleitern einen Appell zur Unterstützung der Primarschulreform der damaligen Schulsenatorin Götsch unterzeichnet hatte. Einen Link zu dem Artikel in der TAZ findet man auf der Homepage der Clara Grünwald Schule. http://www.clara-grunwald-schule.de/images/stories/medienberichte/2009/taz_Februar-2009.de.pdf

Recherchen von Kirschsblog zu der Entscheidung über die künftige Nutzung der Räume im Walter- Rothenburg Weg laufen.

Schnell ist er ja, aber haben tut er nix – der SEPL ist da

25 Okt

Wie bei der Ganztagsschule wird jetzt auch beim SEPL immer klarer, was Ties Rabe mit seinem Versprechen meinte, er habe aus den Fehlern seiner Vorgängerin gelernt. Während Eltern, Kreiselterräte oder auch Bezirksversammlungen noch auf Erstansicht und Diskussionen über den SEPL warteten, schaffte Ties Rabe ganz schnell im Alleingang Fakten. Heute stellte er den neuen Schulentwicklungsplan (SEPl) der Presse vor, mit vielen spannenden Details – bis auf eins. Wie er das alles  finanzieren will. 

Es sei nur ein Entwurf, der nach Gang durch alle Gremien erst im Februar von der Deputation beschlossen werde, erklärte T. Rabe.  Aber der SEPL, der festlegt, wie sich die Hamburger Schulen in den nächsten Jahren entwickeln sollen, welche Schule genau weiterbestehen, welche ausgebaut oder neugegründet werden soll, scheint festgezurrt. 

Viele Einzelheiten klingen erfreulich: Es soll keine Grundschule geschlossen werden,  7  einzügige Kleinstschulen, auf Neuwerk, und im Osten Hamburgs, bleiben erhalten, neben den 191 selbstständigen Grundschulen und 13 Grundschulen, die mit  Stadtteilschulen sog. „Langformen“ bilden.

Und da die Schülerzahl in Hamburg im Gegensatz zu allen anderen Bundesländern wächst, sollen sogar neue Schulen gegründet werden:

Zusätzlich zu den 59 Gymnasien sind zwei Neugründungen von Gymnasien geplant:  in der Hafencity und in der Christian Foster str. Die Wandsbeker Gymnasien, die um den Bestand ihrer Oberstufen fürchteten, sollen ihre eigene Oberstufe behalten, mit den nötigen „Zubauten“ am Ort. Ansonsten seien die Probleme der Gymnasien „überschaubar“.

Schwieriger ist die Lage bei den 56 Stadtteilschulen. Durch die Zusammenlegung von 91 Haupt, Realschulen, Gesamtschulen und Aufbaugymasien seien räumliche Probleme entstanden, die STS seien in Hamburg halt „hoppla hopp“ eingeführt worden.  Hamburg sei hier allerdings  mit seinem modernen  Schulsystem Vorreiter, andere Bundesländer seien auch auf dem Weg, nur gingen diese „vorsichtiger über Jahre“ vor. Probleme hätten zB. StS mit zwei oder drei Standorten. Man wolle aber bessere bauliche Voraussetzungen schaffen. Zunächst sollen zwei neue Stadtteilschulen entstehen, die STS Meiendorf und Slomanstieg auf der Veddel. Außerdem werden drei große Stadtteilschulen Zweigstellen erhalten, die STS Heinrich Hertz in Uhlenhorst, die sehr große STS Harburg erhält eine Filiale in der Maretstr.

Für viele Rissener dagegen wenig erfreulich ist die Entscheidung über die Zweigstelle der STS Blankenese. Diese soll, so T. Rabe, vorerst im Gymnasim Rissen bleiben und nicht in der Schule Iserbarg. Letzteres wäre aus Sicht vieler Rissener der geeignetere Standort, da dort viele Räume leerstehen. Über den endgültigen Standort werde nach einer Machbarkeitsstudie  in einem in ca. einen halben oder dreiviertel Jahr entschieden, erklärte T. Rabe.

Drei Gymnasien, so erklärte T. Rabe weiter, kooperierten in der Oberstufe mit Stadteilschulen – auf eigenen Wunsch,wie Ties Rabe auf Nachfrage betonte.  Diese Kooperation sei auch sehr sinnvoll, ergänzte er, die Voraussetzungens seien die gleichen, „Abitur ist Abitur“. Nur eine Entwicklung sei aus seiner Sicht bedauerlich, erklärte Schulsenator Rabe auf die Frage, welche Entscheiung ihm schwergefallen sei:  Dass es jetzt weniger Langformen mit Grundschule und STS gebe. Nach der Trennung der Schulformen durch die Vorgängerregierung sei diese Langform vielfach nicht mehr gewollt.

Alles in allem klingt der SEPL also richtig erfreulich, wäre da nicht eine wichtige Frage. Wieviel werden die geplanten Zubaumassnahmen kosten, wie will Ties Rabe sie finanzieren und wie ist der Zeitrahmen für die Umsetzung?

„Das wissen wir noch nicht“, erklärte Ties Rabe. Es seien 13 große Baumaßnahmen geplant.  Die derzeitigen Mittel reichten aber nicht für die Finanzierung der Zubaumassnahmen. Angesichts eines Sanierungsstaus von 3,5 Milliarden Euro müsse über neue Prioritäten nachgedacht werden, bei der Entscheidung, ob und wo zugebaut oder saniert werden solle.  Man werde darüber hinaus auch zeitlich Prioritäten setzen müssen, und die zeitliche Abfolge der Baumaßmen nach Dringlichkeit staffeln. Und drittens stünden jetzt nach den vielen schulischen Veränderungen der letzten Jahre viele Schulgebäude leer. Wegen der Inklusion würden längerfristig auch „nicht alle Gebäude“ der Förderschulen gebraucht. Viele Gebäude könne man „zurückgeben“ und die Erlöse für Zubauten verwenden. Insgesamt habe Hamburg ja genug Raum, nur an der falschen Stelle.

An dieser Stelle wurde es heute sehr schwammig und ungenau,  Zahlen schwirren hin und her –  hier gibt es offensichtlich noch reichlich Stoff für Diskussionen über Prioritäten -mit Eltern, in Gremien, Bezirksversammlungen und Deputation.

Und noch etwas: Sichtlich gar nicht begeistert reagierte der Schulsenator auf eine grundsätzliche Frage. Doch dazu mehr im nächsten Beitrag von Kirschsblog. 

Hier der Link zum SEPL:
http://www.hamburg.de/schulentwicklungsplan

Hintergrundinfo aus Hamburger Behörden: Interessante Details zu den Ganztagsplänen für Grundschule und Stadtteilschule

24 Okt
Schulsenator und Behörden schaffen derzeit entschlossen und schnell Fakten in Punkto Ganztagsschule in Hamburg – aber was genau kommt auf Eltern und Schulen zu? Für alle Betroffenen, die Informationen über die Ganztagspläne vermissen, hier Auszüge aus Protokollen von Gesprächen des „Landeselternausschuss Kinderbetreuung“, LEA, mit dem  Leiter der Abteilung Familie und Kindertagesbetreuung des Amts für Familie der Sozialbehörde HH (BASFI), Dr. Bange. Darin finden sich interessante Details, speziell zur ganztägigen Betreuung und Bildung an der Grundschule (GBS):
 
                                                                                                                                                                                                     Nach den Plänen des Schulsenators wird es mehrere Modelle von Ganztagsschule für die Grundschulen geben. Dabei ist immer eine kostenlose Kernzeit von 8 bis 16 Uhr vorgesehen. Bei einem Modell, der gebundenen Ganztagsschule, gibt es am Nachmittag Unterricht von Lehrern.
Bei einem zweiten Modell, der offenen Ganztagsschule, wird bis 16 Uhr Betreuung angeboten. Darüber hinaus soll zusätzliche Betreuung vor Schulbeginn angeboten werden, und ebenso nach 16 h, in den sogenannten Randzeiten.
                                                                                                                                                                                        Auszug aus dem LEA Protokoll vom 1. Juni 
Frage des LEA: „Was ist mit der Betreuung während der Randzeiten, wenn nur 1-6 Kinder (dabei)  sind?“
Antwort, Dr. Bange: „Die Betreuung während der Randzeiten wird garantiert. Dies kann in Einzelfällen zu einer Betreuung an anderen Schulen führen. Zusatz: Eine Überlegung ist, die 6-8 Uhr Betreuung von der Schule übernehmen zulassen.“ (wird im Regelfall Aufgabe des Kitaträgers)
F: Das heißt Honorarkräfte und Ausgliederung der Frühbetreuung aus der Qualitätsbetrachtung?
A: Vor 8 Uhr muss es nicht notwendigerweise eine Betreuung durch Erzieher geben. Kinder möchten so früh morgens nicht durch ein pädagogisches Konzept „belastet“werden.
F: Wenn mehr als 23 Kinder in einer Gruppe zusammenkommen, gibt es dann einen 2ten Erzieher?
A: Ab 30 Kinder wird es wohl einen 2ten Erzieher geben.
F: Was heißt das genau?
A: Es wird ähnlich wie bei Schulklassen eine Regelung geben, dass Gruppen mit
einer kleineren Größe von 17 Kinder auch zu gelassen werden. Dies gilt auch für
leicht größere Gruppen. Wenn es keine Dauereinrichtung wird! ….“
Anmerkung von Kirschblog: Schulsenator Rabe rechnet nach eig. Angben damit, dass 60 Prozent der Schüler an den Nachmittagen der Ganztagsgrundschule teilnehmen, die Gruppengröße wäre also eher größer als kleiner.
F: Was ist mit den Kindern ab der 5ten Klasse, wie soll die Nachmittagsbetreuung
für diese gewährleistet werden?
A: Alle Stadtteilschulen sollen gebundene Ganztagsschulen werden.Weiteres ist noch unklar.
F: Gibt es bei GBS eine Schulpflicht?
A: Ja.“
                                                                                                                                                                                        Auszug aus dem Protokoll vom 1. September:
Dr. Bange: „Gymnasien: Es sollen einzelne Angebote in den Gymnasien, oder sozialräumliche Angebote für die Gymnasien eingerichtet werden…..“
Frage Lea. „Müssen Schulen GBS anbieten, wenn die Nachfrage einen bestimmten Anmeldewert nicht überschreitet?“
A: „Es gibt keine unteren Grenzen mehr. Ausnahme: Bei Zwergschulen wird es einen PÄMI (Pädagogischen Mittagstisch)  oder ähnliche Modelle geben…“
F:Was ist, wenn sich die Schulkonferenz gegen GBS ausspricht, aber einige Eltern auf die Betreuung bestehen?
A:„Dann muss die Stadt die Rechtsansprüche gewährleisten. Ab spätestens 2015 wird ein Ganztagsangebot zur Pflicht.“…
„Zu den Elternbeiträgen: Die Betreuung von 13-16 Uhr wird kostenlos sein, das Essen wird von 0 Euro bis 70 Euro (20 * 3,50 Euro) kosten. Kinder die Anspruch auf das Bildungs und Teilhabepaket (BUTler) haben zahlen 0 Euro…Die Kosten für die Randzeiten liegen zwischen 0 (BUTler) und 207 Euro für die Höchstzahler……Die Ferienbetreuung kann wochenweise gebucht werden. Diese muss auch von BUTlern, wenn auch gestaffelt, bezahlt werden. Die Kosten fangen bei 7,50 Euro pro Woche an….
Nachfragen:                                                                                                                                                                        F: „Gibt es schon Lösungen für die Ausgestaltung von Inklusion in GBS?“
A: „Wir arbeiten an diesem Thema…“
F: „Kann ich meine Kinder vor 16 Uhr abholen?“ 
A: Nur in Ausnahmefällen, wie z.B. der Geburtstag der Oma“. 
Im Protokoll ist dann von der künftigen Zusammenarbeit mit der offenen Kinder- und Jugendarbeit die Rede.
Anmerkung Dr. Bange:  „Wir holen innerhalb weniger Jahre (2 bis 2,5 Jahre) 20.000 Kinder in die Betreuung. Dafür nehme ich in Kauf, dass das normale System rumpelt. Davon verspreche ich mir eine Verkleinerung der Korrelation zwischen Herkunft und Schulerfolg.“ 
                                                                                                                                                                                               Ende Juni hatten die Rahmenbedingungen von GBS heftige Kritik des LEA ausgelöst:  Der Qualitätsstandard sei schlechter als im Hort, der ja selbst nicht optimal sei, so die Kritik. Besonders bedenklich sei die Personalsituation:….“Ein Erziehermangel zeichnet sich mehr als deutlich ab!…. Vor dem Hintergrund dieser prekären Personalsituation und einer nicht ausreichenden, abschließenden Evaluation scheint es grob fahrlässig, die Umsetzung von GBS in diesem hohen Tempo fortzusetzen.“ so der Lea damals. http://www.lea-hamburg.de/presse

                                                                                                                                                                                 Mittlerweile beurteilt der LEA die Ganztagspläne von Senator und Behörde viel positiver. Die Rahmenbeedingungen seien verbessert worden: „Jetzt … wird für die Zukunft eine Grundlage geschaffen, auf der eine Weiterentwicklung von GBS als Betreuungsmodell für Schulkinder doch vorstellbar ist“. http://www.lea-hamburg.de/presse  Allerdings –  an den Kritikpunkten vom Juni, also Erziehermangel, schlechterer Betreuungsschlüssel als im Hort, fehlende Evaluation der bestehenden Ganztagsschulen, Tempo der Umsetzung, hat sich wenig Erkennbares verbessert.

Heftige Kritik von Seiten der Hamburger Kita-Anbieter gibt aber nach wie vor daran, dass die  Bedingungen der Betreuung von GBS auch für Vorschulkinder gelten sollen: „Würde eine Kita ihre Elementarkinder zu solchen Bedingungen wie sie nachmittags an der Schule vorgesehen sind betreuen, würde sie wegen Kindeswohlgefährdung ihre Betriebserlaubnis verlieren. Eine derart massive Verschlechterung der Betreuungsschlüssel für die Betreuung der Elementarkinder an Schulen können wir nicht akzeptieren.“ http://www.lea-hamburg.de/data/lea/download/2011-09-01%20soal%20pm_gbs_20110901.pdf

Immer noch kritisch beurteilt der LEA die mangelnde Information der Eltern. Unklar ist offensichtlich selbst die Kernfrage, zwischen wievielen Ganztagsmodellen die Schulen nun eigentlich wählen können. Neben den schon erwähnten Formen der gebundenen und der offenen Ganztagsschule (incl. GBS) soll es noch ein weiteres Modell geben, an anderer Stelle ist sogar von insgesamt vier Modellen die Rede. Der LEA hat auf seiner Homepage Informationen über die Ganztagspläne zusammengestellt. Darin nennt er drei Formen von GTS, die dritte Form ist die „teilgebundene Ganztagsschule“. Bei dieser Form gebe „es nur für eine bestimmte Schülergruppe (beispielsweise einzelne Klassen, Züge oder Jahrgänge) neben dem Unterricht verpflichtende ergänzende Angebote“. http://www.lea-hamburg.de/data/lea/download/2011-09-01-anhang-pm-gbs-faq.pdf 

Unklar bleibt, ob auch diese Form zu den Ganztags – Modellen gehört, zwischen denen die Grundschulen in diesen Wochen wählen sollen.  Ganz klar dagegen: das Modell Halbtagsschule taucht in den Protokollen, Kommentaren und Erklärungen von Behörden, LEA, Schulsenator als Wahlmöglichkeit für Eltern nirgendwo mehr auf.

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Ganztagspflicht – Schulsenator Rabe löst bei Grundschuleltern Ängste aus

19 Okt

Was für Christa Götsch die Primarschule war, ist für den SPD Schulsenator Rabe die Ganztagsschule:

Eine schulpolitische Großreform, für die er seine Legislaturperiode unbedingt nutzen will.  Sein Ziel: Er will alle Hamburger Schulen ein und für alle Mal in die von ihm für richtig befundene Ganztagsform bringen. Allerdings  wolle er aus „allen Erfahrungen“ seiner Vorgängerin lernen, erklärte er vor wenigen Wochen im Schulausschuss der Bürgerschaft. Er werde sich deshalb um die Eltern bemühen und  erst einmal  die „Offene Ganztagsschule“ einführen, als „weiche Form“  auf dem Weg zur „Gebundenen Ganztagsschule“,  dem aus seiner „Sicht besten Modell“. 

Für die Hamburger Stadtteilschulen gilt diese Ankündigung des Schulsenators offensichtlich schon nicht mehr. Eine nach anderen meldet in diesen Tagen: „wir sind jetzt gebundene Ganztagsschule“.

Das löst bei Eltern der Hamburger Grundschulen wenig Vertrauen aus. Die Umwandlung ihrer Schulen in Ganztagsgrundschulen ist gerade im Gang.  Schulsenator Rabe legt dabei Entschlossenheit und Tempo an den Tag, die vielen Grundschuleltern unheimlich sind. Während Elterngremien noch tagen, und Schulleitungen vage Auskünfte geben, haben Inspektoren der Behörde schon die Raume für die Mittagsversorgung in Grundschulen abgechekt. Und schon im Dezember sollen sich die Grundschulen anmelden, um im nächsten Schuljahr  Ganztagsschule zu werden. Für Schulen, die sich dann noch nicht angemeldet haben, ist der März spätester Anmeldetermin.

Die vagen Auskünfte und Informationen führen bei Grundschuleltern zuVerunsicherung.  Gerüchte kursieren, viele Betroffene wissen noch gar nicht, was auf sie zukommt: „Wir haben nur einen Fragebogen ausgefüllt, ob oder wieviel Ganztagsschule wir brauchen“, erklären Eltern einer Schule, „mehr wissen wir noch nicht“. An einer anderen Schule ist gar keine Befragung der Eltern vorgesehen. Mitglieder des Elternrats sind der Meinung, sie könnten ohne Befragung der Eltern alleine darüer entscheiden, wie und ob ihre Schule Ganztagsschule wird. Eine Mutter einer anderen Schule erklärt, so wie sie ihre  Schulleitung verstanden habe, hätten die Eltern wohl die Wahl zwischen zwei Modellen: Ganztagschule mit richtigem Nachmittags – Unterricht durch richtige Lehrer oder Ganztagsschule mit Nachmittagsbetreuung aber ohne Unterricht. Das Ganztagsmodell mit Lehrern, also die gebundene Ganztagsschule, sei natürlich besser, das habe die Schulleitung erklärt, denn bei diesem Modell seien Betreuung und Betreuungsschlüssel besser. Beim zweiten Modell ohne Lehrer werde es wohl keinen guten Betreuungsschlüssel geben, da werde es wohl nur einen Betreuer für fünfzig  Kinder geben.

Die Variante, dass Eltern einer Grundschule ihre Kinder nachmittags selber erziehen wollen, sei an ihrer Schule gar nicht vorgesehen, erklärt eine Mutter einer weiteren Schule.

In einer Presseerklärung von Ties Rabe und Sozialsenator Scheele heißt es Anfang September,  „fast alle“ Grundschulen Hamburgs sollten Ganztagsschule werden. Die „flächendeckende Einführung von ganztägiger Bildung und Betreuung“… (genannt GABS) …“an den Schulen“ sei“ für das Jahr 2013/2014 vorgesehen„, heißt es in später in derselben  Presseerklärung.

Was heißt das für die Schulen und Eltern? Darf eine Grundschule auch ablehnen, Ganztagsschule zu werden? Und welche Modelle für Ganztagsschule gibt es?

Und es gibt noch viel mehr Fragen: Soll die gesamte Elternschaft einer Schule darüber abstimmen,  ob die Schule Ganztagsschule wird  und welches  Modell von GTS sie wünschen, oder kann das die Schulkonferenz der Schule alleine entscheiden. Das wären dann nur run drei Elternräte, ca. 4 Lehrer und ein Schulangestellter.  Gibt es eine feste Zusage, dass nur ausgebildete Erzieher die Kinder betreuen? Wo kommen die her, angesichts des aktuellen Erziehermangels? Werden die umstrittenen Honorarkräfte eingesetzt, und wer bürgt für deren Qualität? Warum sollen sich Eltern mit einen schlechteren Betreuungsschlüssel zufriedengeben, bei Ganztaggrundschule (GABS)sind in der Regel maximal 23 Kinder pro Erzieher vorgesehen, in den Horten sind es derzeit aber laut Bildungsbericht nur max. 18 Kinder pro Erzieher. Der Betreungsschlüssel der jetzigen Horte ist also deutlich günstiger. 

Und die wichtigste Frage: Was ist mit den Eltern, die ihre Kinder nachmittags selbst erziehen wollen. Darf ihnen durch Beschluss einer Schulkonferenz oder durch Elternbefragung ihr Wahlrecht, ihr Recht und ihre Pflicht, ihre Kinder selbst zu erziehen und zu betreuen, ganztags entzogen werden. Immerhin ihr Grundrecht nach Artikel 6 der Verfassung?

Sollte das passieren, gibt es in Hamburg einen neuen Elternaufstand, kündigt eine der befragten Mütter an.

 

Duales System der beruflichen Bildung Exportschlager für Indien

17 Okt

Festliche Eröffnung der India Week Hamburg gestern nachmittag  im Gr0ßen Festsaal des Rathauses mit vielen Gästen aus dem In- und Ausland. Darunter auch der Botschafter Deutschlands in Indien, Thomas Matussek:

 „Das Duale System der Beruflichen Bildung in Deutschland ist ein Exportschlager für Indien“, erklärt er in seiner kurzen Ansprache.  

Das Land habe eine ganz besondere Ressource, nämlich 600 Millionen junger Menschen, in zehn Jahren voraussichtlich sogar 900 Millionen. Indien sei zwar wirtschaftlich sehr erfolgreich, es gebe dort die meisten Milliardäre und Millionäre, aber auch eine besondere Armut. Bildung sei von zentraler Bedeutung für die Entwicklung des Landes. Das erfolgreiche deutsche duale System der Berufsbildung solle dabei einen wichigen Beitrag leisten. Die Umsetzung sei bereits  im Gange, u.a. sei eine Abteilung in seinem Hause in Indien damit beschäftigt.

Wie das Duale System und und deutsches Know How für die Reform des indischen Bildungs- und Berufsbildungswesens durch die  indische Zentralregierung – Government of India (GOI) genutzt werden sollen, kann man u.a. auf der Homepage des Bundesinstituts für Berufliche Bildung (BIBB) nachlesen: „Aufgrund seiner einzigartigen Verbindung zwischen Theorie und Praxis entwickelt das deutsche duale Berufsbildungssystem für Indien große Anziehungskraft“ , heißt es da. Es habe sich „die Erkenntnis durchgesetzt, dass die Berufsbildung in Indien nicht mehr .. ausschließlich durch den Staat zu gestalten ist, sondern … die Wirtschaft an dieser Anstrengung beteiligt werden muss. Daher blickt die indische Regierung interessiert auf das deutsche duale System, in welchem die Wirtschaft eine tragende Rolle als Arbeitgeber, Lernort, Prüfungs- und Zertifizierungsstelle und Mitgestalter von Rahmenbedingungen spielt.“http://www.bibb.de/de/57518.htm 

Ganz besonders bewegt hat die Zuhörer im Festsaal gestern im Übrigen ein Vortrag der indischen Umweltaktivistin, Physikerin und Trägerin des alternativen Nobelpreises, Professor Vandana Schiva. Sie wurde für ihren Einsatz für Ökologie und Rechte der Frauen in einer modernen Entwicklungspolitik ausgezeichnet. Ihr besonderes Anliegen: Der Widerstand gegen Gentechnische Veränderungen von Pflanzen wie Baumwolle oder Nahrungsmitteln. Obwohl sie wegen einer Krankheit körperlich gebrechlich ist, hatte sie sie zuvor an einer Demonstration in Washington teilgenommen und war eigens zur Eröffnung der India Week nach Hamburg angereist.

Vandana Shiva belegte mit eindrucksvollen Zahlen, dass eine vielfältige, organische Landwirtschaft viel ergiebiger sei und auch gesündere Nahrungssmittel mit wertvollen Inhaltsstoffen wie Eiweiss, Eisen und Calcium produziere,  als Monokultur  und der Anbau gentechnisch veränderter Plfanzen, die von der Agrarindustrie vorangetrieben würden. Kunstdünger und Pestizide seien Giftstoffe, die unter anderem für die Produktion von Waffen und Bomben genutzt würden.  In Indien hätten schon 250.000 Kleinbauern Selbstmord begangen,  die sich für den Kauf  von gentechnisch verändertem Saatgut bei Banken verschuldet hatten. Die Bauern können bei schlechten Ernten die Kredite nicht mehr zurückzahlen.

Über die Hintergründe informiert V. Shiva in einem Interview in der TAZ: „Alternative Nobelpreisträgerin über Gentech, Die sind auf Lügen spezialisiert“. Vandana Shiva über das Saatgutmonopol vom Gentech-Giganten Monsanto, Selbstmord von 250.000 indischen Bauern, Baumwolle und Einstein. http://www.taz.de/!77350/

Hier der Link zum Programm der India Week: http://indiaweek.hamburg.de/programm-indiaweek/

Großes Echo auf Kritik an OECD, Bertelsmann und Pisa – Ferien Nachlese

17 Okt

 

Hunderte von Einträgen im Internet, Leserbriefe und Kommentare – bis  zu diesem Wochenende: Seit Ende September schlägt eine kritische Analyse der Hintergründe von Pisa und Bologna und der Aktivitäten  der Wirtschaftsorganisation OECD im Bereich Bildung Wellen in der öffentlichen Diskussion. Dabei geht es auch um die Rolle der Bertelsmannstifung.    

                                                                                                                                                                    In seinem Beitrag: „Die sanfte Steuerung der Bildung“ hatte der Pädagoge Professor Jochen Krautz in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung  kritisiert, Pisa und Bologna  seien von der Wirtschaftsorganisation OECD gezielt eingesetzt worden, um Bildung und Bildungssystem in Deutschland den Interessen der Wirtschaft unterzuordnen, anzupassen und entsprechend umzubauen. Pisa und Bologna seien Teil einer  langfristigen, klar berechneten Strategie der „sanften Steuerung“, mit der die OECD Einfluss auf das Verhalten souveräner Staaten nehme.  Das Ziel dieser Strategie: Die Zersetzung des Humboldschen, nicht „gerade funktionalistischen deutschen Bildungsdenkens“. Dieses sollte ersetzt werden durch ein „verengtes, utilitaristisches Bildungsverständnis“.  Bildung und Wissenschaft habe demnach “ als Dienstleistungsfaktor…. primär Stakeholder-Interessen zu bedienen“.

Pisa sei  Mittel einer „naming und shaming“ Technik. Wer nicht dem Pisa Kodex enspreche, werde am medialen Pranger blossgestellt. Dabei gehe es aber gar nicht um nationale Lehrpläne und gelerntes Schülerwissen. Die OECD habe stattdessen ein eigenes Konzept der Kompetenz entwickelt, eine „rein funktionale Fähigkeit, … sich an die ökonomischen Erfordernisse flexibel „anzupassen“.  Anpassung sei aber gerade das Gegenteil von Bildung.

Heftig kritisierte Krautz in diesem Zusammenhang die  die Bertelsmanstiftung. Diese habe die Anleitungen zur Strategie der OECD entwickelt. In einem Papier „Kunst des Reformierens“ habe die Bertelsmannstiftung die „Blaupause“ geliefert, wie man – gemeint sind Regierungen – „Reformen  gegen den Willen der Bürger und Betroffenen durchsetzt“. 

 Krautz beschrieb  in seinem Beitrag Details und Vorgehensweise dieser gar nicht so sanften Strategie: „Widerstandspotentiale“  würden gezielt „geschwächt“ mit dem Ziel sie „aufzubrechen“, mit „alarmistischer Rhetorik“ werde die „Rückständigkeit“ des Bildungssystems ausgemalt, bestehende Probleme im Bildungswesen würden zur Manipulation von „kritischen Geistern“ genutzt, Pisa und Bologna zur Propaganda für „Reformen“ eingesetzt. Mit dem Versprechen „Bildung für alle“ manipuliere man Meinungen und grenze „Ewiggestrige“ aus

Eine derartige „von Fachleuten gesteuerte Scheindemokratie, die den Volkswillen als zufällig und lenkbar sieht“ entspreche dem Vorbild alter Modelle von Propaganda und Manipulation, kritisiert Krautz. Wirkliche Erziehungsprobleme blieben ungelöst. http://www.nachdenkseiten.de/upload/pdf/111005_krautz-sanfte-steuerung.pdf

In den Leserbriefen löste J, Krautz Beitrag große Zustimmung aus.  Leser bedankten sich für die „Erhellenden Analysen“  und den Blick hinter die Kulissen der „soganannten Bildungsreformen“. „Die Bologna Reform beispielsweise“, so ein Leser am 11. Oktober, “ korrumpiert sow0hl die universitäre Bildung durch eine marktorientierente Verwertungslogistik (Employabilitiy) als auch die inernational modellhafte duale Ausbildung durche einen fragwürdigen Akademisierungs-Imperativ“.

Wie ein „Nebel“ habe sich  – „im Zuge von Pisa, Bologna und Co. – die Sprech- und Denkweise der weltweiten Neoliberalen über die europäische Bldungslandschaft gesenkt, schrieb Leser Prof. A. Hügli aus der Schweiz. „Bildungspolitiker von rechts bis links“ hätten „sich ihr widerstandslos ergeben“. Er gebe mittlerweile einen wachsendem „Widerstand“ angesichts „angerichteter Reformschäden“. So habe der Schweizer Dachverband der Lehrerinnen und Lehrer am 18. Juni eine Resolution gegen den „sinnlosen Wettbewerb im Bildungswesen“ mit ständigen Tests, Rankings und Wettbwerb zw. Schulen und Regionen verabschiedet, mit dem das Schulwesen aus Sicht der schweizer Pädagogen nicht verbessert sondern unterminiert werde.

Die Analyse von J. Kreutz sei auch deshalb „überaus brisant, weil die beschriebenen Vorgänge  nicht allein auf das Bildungsystem beschränkt“ seien. Auch „Altersicherung, Gesundheits- und Verkehrswesen, Energie-und Finanzpolitik“ würden nicht mehr „im Sinne eines allgemeinen, gesellschaftlichen Versorgungsauftrags verstanden…. Mit konzentrierter wirtschaftlicher Macht werden demokratische Bürgerrechte ausgehebelt.“ Nur eine „umfassend gebildete und informierte Bevölkerung“ könne wirkungsvoll der „Okkupation politischen Terrains durch ökonomische und „mediale“ Thinktanks“ widerstehen, so Leser L.Reinhardt am 6. Oktober. Mit der „Gleichschaltung unseres Bildungssystems mit den Prizipien eines fragwürdigen Marktes würden den Bürgern ihre ureigenen Souveränitätsrechte streitig gemacht“.

„Unter maßgeblicher Beteiligung von Bertelsmann wurde und wird unser Bildungswesen, das in der Humboldtschen Tradition eine zweckfreie Bildung des Menschen und eine verfassungmäßg verankerte Erziehung zu Demokratie und Frieden forderte, umgebaut zu einem System, das sich wirtschaftlichen Effizienzansprüchen verpflichtet sieht“.  Die Umdeutung des Bildungsbegriffs durch das Kompetenz-Konzept der OECD bedeute eine „massive Aushöhlung der Demokratie“, schreibt ebenfalls am 6. Okt. Leserin A. Lehnert.

„Die äußerst treffende Analyse sollte Pflichtlektüre unserer Bildungspoliitiker“ sein, „vor allen von jenen selbstkritisch zu lesen“ , die Pisa und Bologna abgesegnet und durchgewinkt haben und nun immer noch so tun als hätten wir ihnen eine bildungspoltiische Großtat zu verdanken“, forderte schließlich noch vor drei Tagen Leserin B. Scheuermann: Sie staune, dass sich keiner der „Verantwortlichen von OECD, Bertelsmann, dem Centrum für Hochschulentwicklung und auch keiner der verantwortliche Politiker“ bisher zu Worte gemeldet hat, „um die Analyse von Krautz empört und vehement zurückzuweisen“ Vieles spreche für die Annahme, sie blieben stumm, „weil sie nur die Schlagwörter und Leerformeln  der Vergangenheit wiederholen könnten, die nicht mehr verfangen, denn “ Der Kaiser hat ja nichts an!“, rief zuletzt das ganze Volk“. FAZ, 14. Okt., S. 7

Siehe dazu:  Pisapapst und Pisakritik, Feriennachlese Teil 2

Hier der Link zu der  von Jochen Krautz erwähnten Strategie der Bertelsmann Anleitung: Die Kunst des Reformierens. Friedbert W. Rüb, Karen Alnor und Florian Spohr. Konzeptionelle Überlegungen zu einer erfolgreichen Regierungsstrategie http://www.bertelsmann-stiftung.de/bst/de/media/xcms_bst_dms_30519_30520_2.pdf

Pisapapst und Pisakritik – Feriennachlese Teil 2

17 Okt

In einem Interview aus Anlass des zehnjährigen Jubiläums des ersten Pisatests hat der bekannteste deutsche Bildungs- und Pisaforscher Jürgen Baumert die Kultusminister aufgefordert, „die kommenden fünf bis zehn Jahre für nötige Interventionen im Schulsystem zu nutzen“. Hintergrund sei eine „Veränderung der Sozialstruktur der Bevölkerung“. Mit zunehmender Bildung der Eltern ginge die Zahl der Kinder immer weiter zurück. 

Es bleibt den Kultusministern nach Ansicht des Bildungsforschers nicht mehr viel Zeit, um Einbußen bei den schulischen Ergebnissen der Länder vorzubauen. Ausnahmen seien nur östlichen Bundesländer, wo die Einwanderungsquote niedrig und die Zahl der Krippen und Horte hoch sei. Das berichtete am vergangenen Donnerstag die Bildungsredakterin Heike Schmoll in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung nach einem Interview mit Jürgen Baumert, dem laut ZEIT „einflussreichsten Bildungsforscher des Landes“. Er ist heute Vizepräsident des Max-Planck Gesellschaft und leitete bis zu seiner Erememitierung im Jahr 2010 das Max Planck Instituts für Bildungsforschung.

Seine wichtigste Forderung an die Kultusminister ist mehr „frühe Frühförderung von Familien, die potentiell überfordert sind, ihren Kindern eine anregungsreiche Umwelt zu geben“. Das gelte nicht nur für eingewanderte Familien, sondern auch für bildungsferne deutsche Familien in sozial präkärer Situation. Viele Einwandererfamilien „unterschieden sich in der zweiten Generation im Bildungsverhalten und Leistung“ nicht mehr von deutschen. Probleme gebe es allerdings oft bei türkischen Familien. Ihr „Spracherwerb sei nicht besser geworden und auch die Bildungsbeiligung kaum“, trotz hoher Bildungsmotivation. Für die Frühförderung fordert Baumert gute Diagnosen, „jeweils angemessene Betreuung“ und zusätzliche Lernzeiten für die Kinder, die Hilfe benötigen. Die Förderung müsse aber in der gesamten Schulzeit forgesetzt werden, und zwar nicht nur freiwillig, sondern als „Teil der Schulpflicht“. Eine dritte Maßnahme sei der Ausbau von Ganztagsschulen in Brennpunkt- und Ballungsgebieten.

Der Bildungsforscher wird auch oft als Pisapapst bezeichnet, seit er vor 10 Jahren den ersten Pisatest in Deutschland vorgestellt hat.  „Zwar hat Baumert die Pisa-Studie nicht erfunden, aber ohne ihn hätte sie in Deutschland nicht eine derartige Wucht entfalten und auf Jahre hinaus die Bildungsdebatte bestimmen können“, heißt es in einem Kommentar der ZEIT. http://www.zeit.de/2010/27/C-Seitenhieb-Juergen-Baumert

Auf Fragen nach der zunehmenden Pisakritik reagiert J. Baumert in dem FAZ Bericht  mit wenig Verständnis und antwortet mit Gegenkritik. „Pisa sei zum Synonym für Tests jeder Art geworden“, erklärt er. Viele Kritiker könnten nicht zwischen Pisatests und Vergleichsarbeitern unterscheiden. „“Pisa ist das Flaggschiff der Dauerberichterstattung in Ergänzung der Bildungsberichterstattung und Finanzberichterstattung“ . Er verweist auf viele Verbesserungen, die Pisa bewirkt habe, bei Lesekompetenz und Lernmotivation, die Risikogruppe sei kleiner geworden, Sitzenbleiben sei zurückgegangen. Ein für ihn besonders interessantes Pisaergebnis: die Gymnasien seien die effektivste Schulform. Allerdings würden Gymnasien die Schüler eher „unterfordern“, sie könnten „anspruchsvoller sein“. Pisa habe insgesamt einen „Mentalitätswechsel eingeleitet – Eltern achteten mehr denn je auf die Bildung ihrer Kinder und .. Qualität.

Diese sehr positive Sicht teilen nicht alle, auch vor J. Krautz heftiger Pisa und OECD Kritik in der FAZ  fielen Pisa-Bilanzen kritisch aus.  „Pisa macht die Schulen nicht besser“, resümierte Anfang des Jahres zB. Hans Brügelman in der ZEIT. Verbesserungen gebe es zwar  „hinsichtlich der Wirkung der Studien auf Politik und Öffentlichkeit“, zB in der Frage „Abhängigkeit des Schulerfolgs von der sozialen Herkunft“. Diese sei „erst durch Pisa ist dieses zentrale Problem wieder auf die Agenda gekommen. Ähnliches gilt für die Schwierigkeiten von Migranten in unserem Bildungssystem.“ Doch der Erfolg habe seine  Preis, meint er und nennt Beispiele. „Wenig ergiebig sind die (Pisa) Befunde vor allem für diejenigen, die vor Ort mit einzelnen Schülern zu tun haben. … Auf der Unterrichtsebene verstellen sie die Wahrnehmung für die jeweils besondere Lernbiografie einzelner Schüler. Der in den letzten 20, 30 Jahren in der pädagogischen Praxis mühsam errungene »Blick auf das Individuum« droht im Nach-Pisa-Diskurs wieder verloren zu gehen – übrigens entgegen der erklärten Absicht der Autoren“. http://www.zeit.de/2011/03/C-Pisa-Kritik

Der FAZ Bericht endet mit einem Resumee von Jürgen Baumert „…Viele Politiker würden Pisa gern wieder loswerden, weil es für einige Länder immer wieder einStachel  im Fleisch ist. Pisa bringt unangenehme Nachrichten, und man hört, man hat seine Hausaufgaben nicht gemacht“.

„Langsam kommt der Tanker auf Kurs“, Heike Schmoll, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13. Oktober, S. 7, http://www.seiten.faz-archiv.de/faz/20111013/fd1201110133257627.html

Herrlich! Hamburger Herbstferien!

5 Okt

Schon ins Land der Pyramiden
Flohn die Störche übers Meer;
Schwalbenflug ist längst geschieden,
Auch die Lerche singt nicht mehr.

Seufzend in geheimer Klage
Streift der Wind das letzte Grün;
Und die süßen Sommertage,
Ach, sie sind dahin, dahin!

Nebel hat den Wald verschlungen,
Der dein stillstes Glück gesehn;
Ganz in Duft und Dämmerungen
Will die schöne Welt vergehn.

Nur noch einmal bricht die Sonne
Unaufhaltsam durch den Duft,
Und ein Strahl der alten Wonne
Rieselt über Tal und Kluft.

Und es leuchten Wald und Heide,
Dass man sicher glauben mag,
Hinter allem Winterleide
Lieg’ ein ferner Frühlingstag.

(Theodor Storm)