Archiv | März, 2012

Binnenfreiwilligkeit – Freiwilligkeit im Sinne des Ganztagsschulbeauftragten

29 Mär

Es gibt offenbar mehr von ihnen, als Pisa-Fachleute, Politiker wie der derzeitige Präsident der KMK, Schulsenator Rabe und Präsidenten von Handelskammern erwarten: Kritiker, die eine Verschulung der Kindheit und den flächendeckenden Ausbau von Ganztagsschule für alle nicht wünschen – Norbert Blüms Streitschrift gegen die „Enteignung  der Kindheit“ (vorheriger Kirschsblog-Bericht) spricht vielen Eltern, Erziehern,  und anderen, wie der Erfolg zeigt, aus der Seele.

Für die Kritiker der Ganztagsschule und der Kürzungen in der offenen Jugendarbeit hatte Hamburgs Ganztagsbeauftragter Uwe Gaul am Mittwoch Abend im Rathaus Altona ein neues Wort parat.

Binnenfreiwilligkeit!

An der Ganztagsschule werde es Binnenfreiwilligkeit geben, beschwichtigte er kritische Zuhörer im vollbesetzten Kollegiensaal des Rathauses Altona, darunter viele Mitarbeiter von offenen Jugendtreffs oder Abenteuerspielplätzen, deren Mittel die Stadt wegen der Ganztagsschule um 10 Prozent kürzen will. Was das denn sei, fragten Eltern und Jugendhilfe-Vertreter zurück, die die Ganztagsdiskussion  mit ernsten Gesichtern, kritischen Anmerkungen und Nachfragen verfolgten. Der Ganztagsbeauftragte bemühte sich um eine Erklärung.

Was er mit dem Wort Binnenfreiwilligkeit offenbar meinte:

Kinder die den ganzen Tag verpflichtend in der Schule verbringen, sollen in der verpflichtenden Anwesenheit am Nachmittag im Kursangebot der Ganztagsschule zwischen Werken, Förder-, Gymnastik- und anderen Kursen wählen.

Googelt man den Begriff  „Binnenfreiwilligkeit“, stößt man auf fünf Einträge:  Er ist, so scheint es, entstanden im Zusammenhang mit Beratungsgesprächen in der Psychologie, und findet Verwendung bei Beratungsgesprächen in Schule oder Arbeitsamt. Es handelt sich, so wird da erklärt, um eine Möglichkeit „einer äußeren Verpflichtung die Möglichkeit gegenüberzustellen, innerhalb der Lernberatung ,stumm zu bleiben’ („Binnenfreiwilligkeit“)“ httb://bbb-dortmund.de/jobbb2/Klein_Reutter_Lernberatung.pdf

Was das nach Erklärung von Ganztagsplaner Uwe Gaul in Hinblick auf Ganztagsschule weiter bedeutet:

Innerhalb des von der Ganztags-Schule bestimmten und festgelegten Kursangebots sollen Schüler auswählen, im Freiraum außerhalb der Schulen dürfen sie nicht mehr frei wählen – aber, so Uwe Gaul, Schulen würden möglicherweise mit einem ganzen Kurs einen Abstecher in eine Jugendhilfeeinrichtung machen. Die Einrichtungen, mit denen die Schule kooperiert, werden von der Schule ausgewählt,auch für diese Abstecher,  und zwar für einen kompletten Kurs, der dann geschlossen daran teilnimmt. Kinder können also nicht mehr einzeln an Angeboten der offenen Jugendhilfe im Stadtteil teilnehmen, auch die Teilhabe an anderern kulturen oder sportlichen Angeboten der Stadt, an Jugendoper, Balletschule oder Pfadfindertreffen etc. , die außerhalb des schulisch vorgegebenen Kursprogramms stattfinden, bleibt den Schülern der Ganztagsschule, die am Ganztagsnachmittag teilnehmen, verwehrt. Nach dieser Erklärung gilt gilt also:

Kinder in der Ganztagsschule sind demnach binnenfrei – im Gegensatz zu außenfrei, oder einfacher: Binnenfrei, im Gegensatz zu frei.

Ungeklärt bleibt noch, was passiert, wenn sich kein Kurs findet, den Schüler binnenfreiwillig wählen wollen, zB. wenn ein Kurs voll belegt ist. Müssen sie dann in einen anderen Kurs gehen, und können sie dort dann stumm bleiben? Aber das ist vielleicht eine unpassende Frage.

„Die Schule hält die Kindheit im Klammergriff“: Überraschender Erfolg einer Streitschrift, die sich gestern in Hamburg als besonders aktuell erwies

29 Mär

Ein erstaunliches Phänomen greift seit einigen Tagen um sich. „Danke, Norbert Blüm“, so brachte es eine Leserin auf den Punkt: Der Ex- Sozialminister der CDU hat bei vielen Eltern Begeisterung ausgelöst, mit einem Beitrag in der ZEIT, der in Netzwerken, bei Facebook und in Emailverteilern als heißer Lese-Tipp weiterempfohlen wird. Überraschend ist das unter anderem deshalb, weil sich viele Eltern von links bis eher konservativ in ihrer Begeisterung einig sind.

Der Beitrag ist eine furios geschriebene, 13 ausgedruckte Seiten lange Streitschrift“: „Freiheit! Über die Enteignung der Kindheit und die Verstaatlichung der Familie“, so der Titel der Streitschrift. In ihr beschreibt Norbert Blüm, wie Schule und Staat zunehmend die Kindheit vereinnahmen und anstelle der Eltern und Familie nun neben Bildung auch noch für Erziehung und Betreuung der Kinder „allzuständig“ sind . Blüm kritisiert: „ Die Eroberung der Kindheit durch die Schule, als den allumfassenden Ort, in dem Kindheit stattfindet, kulminiert in der Ganztagsschule“. Wie eine Diskussion über die SPD Ganztags-Schulreform im Rathaus Altona gestern zeigte, ist seine Streitschrift derzeit in Hamburg besonders aktuell.

Jugendeinrichtungen fürchten das Aus wg. Mittelkürzung und Ganztagsschule

wg. Mittelkürzung und Ganztagsschule
Aus für Jugendhilfeeinrichtungen befürchtet

Uwe Gaul, in Hamburgs Schulbehörde für Ganztagsschulen zuständig, machte es gestern vor rund 200 Zuhörern noch einmal ganz deutlich. „Wir gehen davon aus, dass alle Schulen Ganztagsschulen werden“, erklärte er auf Fragen nach der ganztägigen Bildung und Betreuung, GBS, und anderen Ganztagsschulformen. Unter den Zuhörern in Altona waren viele Erzieher und Mitarbeiter von offenen Jugendhilfeangeboten wie Bauspielplätzen und Jugendtreffs, denen der SPD Senat nach Einführung der Ganztagsschule 10 Prozent ihrer finanziellen Mittel streichen will. Ein Teil der bisher offenen Jugendhilfeeinrichtungen soll künftig mit den Schulen kooperieren, ihre Angebote sollen Teil des Ganztagsbetriebs werden, erläuterte Uwe Gaul. Für viele außerschulische Angebote der offenen Kinder- und Jugendarbeit könnten Mittelkürzungen und Ganztagsschule in den nächsten Jahren das Aus bedeuten, erklärten gestern  Zuhörer in Altona.

„Der Schulische Imperialismus“, so nennt Norbert Blüm in seiner Streitschrift den Prozess, in dem Schule „zusehends einen Expansionsdrang“ entwickele, „für alles zuständig zu sein, was das Leben den zukünftigen Erwachsenen abfordern könnte.“ Der Lehrplan weite sich ständig aus, Schule sei nicht nur für ihre traditionellen Felder zuständig, sondern übernehme in „pädagogischer Allmacht“ auch die Aufgaben von Erziehung und Betreuung: „Erziehungsexperten … definieren die Erziehungsprobleme,… lösen sie und ….“entmündigen die Überbleibsel der familiären Kompetenz“. Nur wenige Eltern trauten sich noch, Erziehungsschwierigkeiten alleine zu lösen. Schule biete zudem „allerlei prophylaktischen Lebenshilfen“ an, wie Verkehrserziehung, Kochunterricht, Umwelthilfe, inklusive Entsorgungsfragen, Verbraucherberatung, Erste Hilfe, Bastelei, usw.

Die Schule sei für alle Aktivitäten zuständig, die früher außerschulisch in Familie, Vereinen und unter Freunden ausgeübt wurden, bis hin zur Ferienbetreuung, erklärt Norbert Blüm in seiner Streitschrift. Und in der offenen Jugendhilfe, könnte man nach der Diskussion in Altona ergänzen.

Für diese Verschulung der Kindheit nennt er wirtschaftliche und gesellschaftspolitische Gründe. Beim genauen Hinsehen entpuppe sich etwa die Forderung nach der Vereinbarkeit von Familie und Beruf als „Unterordnung der Familie unter die Wirtschaft“. In der „verwirtschafteten“ Gesellschaft gelte „Einkommensverlust durch Kindererziehung als sozialer Abstieg und gesellschaftlicher Defekt.“ Dass „Kinder ein nicht bezahlbares Glück sind, dass die gemeinsame Zeit mit Kindern die Eltern „reich mache“ tauche in der „monetären Rechnung nicht auf“, so Norbert Blüm und kritisiert, dass das allseits geforderte staatliche Betreuungsangebot sich „hinterrücks als Waffe gegen das Recht auf Erziehung“ entpuppe, dass das Grundgesetz eigentlich „zuvörderst den Eltern sichert“.

Hinzu kommt Blüm zufolge die gesellschaftspolitische Vorstellung: „ Emanzipation ist Erwerbsarbeit“. Freiheit bestehe aus dieser Sicht „in der Unterordnung der Erziehungsarbeit unter die Lohnarbeit“. Befreiung werde an der „uneingeschränkten Einbeziehung aller Mütter und Väter in die Erwerbsarbeit“ gemessen. Eine Erziehungszeit zur Betreuung der Kinder werde Müttern und Eltern nur vorübergehend und immer kürzer zugestanden.

Nach dem Motto „soviel Schule wie möglich“ bleibe für die Kindheit „nach diesem »ganzheitlichen« Schulkonzept lediglich die Nacht sowie der kümmerliche Rest zwischen Tag und Nacht…..“ „Die Schule saugt auf diese Weise alle Aktivitäten auf, die früher außerhalb von ihr, … in Familie, Vereinen und unter Freunden, initiiert wurden. So trocknet der Raum zwischen Individuum und Staat aus. In diesem Zwischenraum war aber von jeher der Widerstand gegen totalitäre Vereinnahmung lokalisiert, weshalb alle Diktatoren diese intermediären Widerstandsnester aus dem Weg zu räumen versuchten, um ihr Feld so zu planieren, dass es von der konturlosen Masse und deren Bewegungen besetzt werden konnte“

Norbert Blüm nennt noch weitere Gründe für die Verschulung bzw. Verstaatlichung von Kindheit. Es gehe auch um gute Zeugnisse, mit denen Schule zu einem Zulieferant für Betriebe gemacht werde, von Schule werde außerdem erwartet, dass sie auf die bestmögliche Karriere vorzubereite.

Das meiste, was er gelernt habe, habe er dagegen nicht in der Schule gelernt, erklärt Norbert Blüm, sondern von seinen Eltern, Großeltern, von Tanten und Freunden, Nachbarn, auf der Straße und bei der praktischen Arbeit an der Werkbank. Doch von einer Kindheit mit abenteuerlichen Erkundungen, mit Geheimnissen, mit Gefahr und Fantasie sei mit der Verschulung der Kindheit kaum noch etwas übrig geblieben In seiner Streitschrift gehe ihm nicht darum, die Schule abzuschaffen, erklärt Norbert Blüm, er wolle nur “ die professionelle pädagogische Omnipotenz von Schule“ aufzeigen und die Erwartungen an sie relativieren. Im Schlusssatz relativiert noch mehr, nämlich die Frage, ob Geld und Karriere alles ist.

Wenn das konservativ sei, lobte die eingangs zitierte Leserin die Streitschrift auf Facebook, dann werde sie auf ihre alten Tage noch konservativ.

Herr Gaul hatte übrigens für Kritiker der Ganztagsverschulung ein neues Wort parat: “ Binnenfreiwilligkeit„!!! Mehr dazu in einem Kirschsblog Nachtrag: Binnenfreiwilligkeit – Freiwilligkeit im Sinne des Ganztagsschulbeauftragten

 

http://www.zeit.de/2012/12/C-Bluem

www.zeit.de

Die Kindheit wird enteignet, die Familie verstaatlicht – und die Gesellschaft rücksichtslos verwirtschaftet. Norbert Blüm hat eine Streitschrift verfasst.

Das Abi wird voraussichtlich schwerer und die Profiloberstufe muß „nachjustiert“ werden: Ties Rabe und das Zentralabitur

25 Mär

Viele Eltern und Schüler sind keineswegs begeisterte Anhänger der erst vor drei Jahren eingeführten Profiloberstufe, aber sie wünschen sich keine neuen Reformwirren an ihren Schulen: Doch genau das kommt nun auf sie zu  – mit den bundeseinheitlichen Aufgaben für das Abitur, die die Kultusministerkonferenz unter ihrem neuen Präsidenten, Schulsenator Ties Rabe beschlossen hat: Bis 2017 sollen bundesweit schrittweise für das Abitur in sieben Fächern zentrale Aufgabenpools eingeführt werden. Außerdem soll es in Hamburgs Schulen schon ab 2014 ein Zentralabitur in 18 Fächern geben. „Wir müssen uns darauf einstellen, dass ein bundeseinheitliches Abitur nicht leichter wird“ erklärte dazu Ties Rabe an diesem Wochenende in einem Interview in der WELT AM SONNTAG. Zwar werde die Profiloberstufe „Bestand“ haben, so Ties Rabe weiter, allerdings nicht ganz in der Form, wie sie jetzt an vielen Schulen praktiziert wird. http://www.welt.de/print/wams/vermischtes/article13944801/Leichter-wird-das-Abitur-nicht.html

Damit werden sich viele Kritiker bestätigt fühlen, die gewarnt hatten, dass das Zentralabitur eine Gefahr für die neue Profiloberstufe sei und dass beide nicht miteinander vereinbar seien. Gerade drei Jahre alt ist die Profiloberstufe, mit der das bis dahin gültige Kursystem mit Leistungskursen in der Oberstufe abgelöst wurde, mit dem Ziel einer neuen „fächerübergreifenden und projektorientierten Arbeit in Profilen.  Das Zentralabitur stehe mit diesem fächerübergreifenden Konzept der Profiloberstufe in „absolutem Widersprich“ so die Kritiker, darunter 13  Oberstufenkoordinatoren von Stadtteilschulen.

Dem widersprach Schulsenator Ties Rabe in dem Interview in der WELT: „Von der Anlage her“ seien zentrale Prüfungen „durchaus mit der Profiloberstufe vereinbar“, so Rabe. Die zentrale Prüfungsaufgabe beziehe sich nur auf „50 Prozent des Fachunterrichts, nämlich die sogenannten Kernthemen, die ohnehin alle Schulen unterrichten müssen“ erklärte Rabe.  Verbindliche Kernthemen, die in den Lehrplänen stehen, habe es auch bisher in jedem Fach gegeben.  

Ganz anders sehen das die Kritiker. Mit dem Zentralabitur bliebe nur noch ein “Bruchteil für die Arbeit in den Profilen“, so zB. in der vergangenen Woche in der TAZ Helge Pepperling, Vorsitzender des Deutschen Lehrerverbandes Hamburg (DLV) http://www.taz.de/Oberstufen-Reform/!89881/. Die vielen Stunden für die Entwicklung und Erprobung der Profiloberstufe seien damit „Makulatur“.  http://www.welt.de/print/die_welt/hamburg/article13929917/Profiloberstufe-in-Gefahr.html „

Einige Schulen  müssten ihre Profiloberstufen „nachjustieren“, räumte Ties Rabe jetzt in dem Interview ein. Einige Schulen hätten allerdings auch „bestimmte Bildungsinhalte…sehr frei“ festgelegt und in der Anfangsphase experimentiert. „Das Missverständnis“ liege darin, dass „einige glauben, mit den Profilen könnten sie im Unterricht machen, was sie wollen“. Jetzt gehe aber darum, sich auf das „Wesentliche zu konzentrieren“. Man könne die Kernthemen in den Profilen auch weiter fächerübergreifend unterrichten, so Ties Rabe weiter,  sie müßten allerdings „im Unterricht vorkommen.

Die „meisten Schüler und Eltern“ , so ergänzte Ties Rabe, hätten bisher nicht „das Gefühl“, dass“ in allen Schulen die gleichen Maßstäbe angelegt würden. Er wisse zwar nicht, wie groß der Niveauunterschied bisher sei, das Niveau solle aber künftig in allen „Abiturfächern auf gleicher Höhe sein“, bei klaren Leistungsstandards für alle Schulen, von Stadtteilschule bis Gymnasium. Er glaube, so Ties Rabe in dem Interview, „dass man das Leistungsniveau auf diese Weise auch verbessern“ könne. Mit zentralen Aufgaben könne man vermutlich besser „qualitätssteuernd auf den Unterricht zurückwirken“ als mit Bildungsplänen, sagte Ties Rabe.

Zweifel an dieser Wirkung des Zentralabiturs hat der Düsserdorfer Bildungsforscher Rainer Bölling.  „Auch ein Zentralabitur bürgt nicht für Qualität“, hatte er in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung  schon vor einem Jahr erklärt  und ähnlich auch in der letzten Woche: Zwar erhofften sich „drei Viertel der Bevölkerung von einen bundeweiten Zentralabitur eine höhere Vergleichbarkeit  schulischer Abschlüsse und mehr Gerechtigkeit bei der  Vergabe von Studienplätzen“.  Doch im heutigen System der gymnasialen Oberstufe werde höchstens ein Viertel der Gesamtqualifikation durch zentrale schriftliche Prüfungen ermittelt, der größte Teil der Abinote werde dezentral ermittelt, zwei Drittel entfielen auf die Kursnoten in den Jahrgängen 11 und 12, dazu käme die dezentrale mündliche Prüfung. :“Wenn „die Abiturnoten bis auf die Stelle nach dem Komma vergleichbar sein sollen, müsste eine völlig andere Oberstufenordnung eingeführt werden, in der allein die Ergebnisse der zentralen schriftlichen Prüfungen zählen“, so Bölling.  FAZ, 15. März, S.8.

Ein solches System mit rein zentralen Prüfungen gebe es  zB. im Frankreich, mit dem französischen Abitur, dem „ Baccalaureat“  Aber „Frankreichs Zentralabitur ist kein Vorbild für Deutschland“, meint Bölling. Seine Begründung: Das französische System führe „zu einer starken Überbetonung reproduktiven Lernens und der Ausblendung all jener Anforderungen und Fähigkeiten, die sich einer standardisierten und punktuellen schriftlichen Überprüfung entziehen“.http://www.faz.net/aktuell/beruf-chance/campus/hochschulreife-auch-ein-zentralabitur-buergt-nicht-fuer-qualitaet-1590722.htmlDazu gehören, so Bölling, mündliche Mitarbeit, Selbsterarbeiten von Referaten, Teamfähigkeit, etc.

Außerdem seien die Bewertungen nicht immer gleich, erklärt Bölling: Korrigierenden Lehrer würden nicht selten von regionalen Schulinspektoren zu einer „wohlwollenden Bewertung gedrängt, um die Erfolgsquote zu verbessern. 2010 erwarben in Frankreich etwa zwei Drittel des Jahrganges eine Studienberechtigung. Dass sie längst nicht alle die Voraussetzungen für ein Hochschulstudium mitbringen, hat der ehemalige Präsident der traditionsreichen Sorbonne in Paris, Jean-Robert Pitte, 2007 in einer Streitschrift mit dem Titel „Stopp dem Abi-Schwindel!“ beklagt. Pitte steht mit seiner Kritik am französischen Abitur nicht allein, und es spricht wenig dafür, es als Modell zu übernehmen“ so schildert Bildungsforscher Bölling die Situation in Frankreich.

Rainer Bölling weist schließlich auf noch eine Besonderheit hin. Beim Zentralabitur gebe es eine auffällige Steigerung von guten Noten, sowohl in NRW, Bayern wie auch Berlin. Es gebe keine fundierte wissenschaftliche Untersuchung über die Ursachen, aber eine mögliche Erklärung sei, „ dass zentrale Prüfungen standardisierte Anforderungen auf mittlerem Niveau begünstigen und allgemeinen Kompetenzen wie Lesefähigkeit größeres Gewicht einräumen als fachlichem Wissen und Können“. Was auch immer die Ursachen seien, so Bildungsforscher Bölling abschließend„ man sollte sich nicht der Illusion hingeben, die Fähigkeiten junger Menschen allein aufgrund standardisierter schriftlicher Prüfungen bis auf Stellen hinter dem Komma verlässlich beurteilen zu können“.

Ganztagsschule enttäuscht bei schulischen Leistungen und Gerechtigkeit: Chancenspiegel der Bertelsmann Stiftung dämpft Erwartungen

20 Mär

 „Offenbar gelingt es auch Ganztagsschulen bisher nicht, den viel zitierten straffen Zusammenhang zwischen der Herkunft der Schüler und deren Leistung zu entkoppeln“. Das ist das ernüchternde Ergebnis des „Chancenspiegels“ der Bertelsmann Stiftung und des Instituts für Schulentwicklungsforschung (IFS) an der TU Dortmund. Wie seit Veröffentlichung vor einer Woche vielfach berichtet, hat der Ländervergleich trotz erfreulicher Fortschritte seit Pisa 2000 ein noch immer deutliches Gerechtigkeitsdefizit in den deutschen Schulsystemen ergeben. Die soziale Herkunft hat  immer noch entscheidenden“ Einfluss auf den Bildungserfolg der Schüler. Allerdings, was in der Berichterstattung nur wenig beachtet wurde: Die Ergebnisse der Ganztagsschule sind nicht besser als die der klassischen Halbtagsschule: Weder in Hinblick auf schulische Leistungen noch in Hinblick auf den Einfluss der sozialen Herkunft auf den Bildungserfolg schneidet die Ganztagsschule besser ab. http://www.chancen-spiegel.de/downloads-und-presse.html?no_cache=1

Viele Politiker und Bildungsfachleute reagierten auf die Ergebnisse des Chancenspiegels mit der Forderung nach einem Ausbau der Ganztagsschule in Deutschland. So auch Ulrich Kober, der am „Chancenspiegel“ als Leiter des Programms Integration und Bildung der Bertelsmann-Stiftung mitwirkte.http://www.cicero.de/berliner-republik/chancenspiegel-bildungspolitik-schulsystem-bayern-ausgesiebt-berlin-abgeschult/48640

Der „Chancenspiegel“ liefert  auch die Begründung für diese Forderung: Mit der Ganztagsschule verbindet sich die Erwartung, dass sie zu einen „Ausgleich schwacher sozialer Herkunftsbedingungen von Kindern und Jugendlichen“ beitrage. Ganztagsschulen werden verstanden als ein „Instrument zur Herstellung von mehr Chancengerechtigkeit, die über die Verlängerung der schulischen Lernzeit in den Nachmittag und neu entwickelte Lernkulturen im Rahmen der ganztägigen Angebote angestrebt wird“ S. 47/48 http://www.chancen-spiegel.de/downloads-und-presse.html?no_cache=1 Schulpolitiker und Eltern hoffen, so der Chancenspiegel, dass sich ganztägige Angebote und eine intensive Lernförderung der Ganztagsschule „auch auf die Leistung von Schülerinnen und Schülern positiv“ auswirken.

Soweit die Erwartungen an die Ganztagsschule, doch kann die Ganztagsschule diese Erwartungen und Hoffnungen auch erfüllen? Auch dieser Frage geht der “ Chancenspiegel“ nach. Er liefert dabei eine Antwort, die überrascht und ernüchtert.

Die Ganztagsschule erfüllt diese Erwartungen nicht: Die ganztägige Schule fördert die Kompetenzen der Schüler offenbar nicht besser als die Schule an einem halben Tag. „ Auswertungen diverser Studien, die die Fachleistungen mit in den Blick genommen haben, konnten diesbezüglich keine Wirkungen nachweisen“, heißt es im Chancenspiegel.

Im Gegenteil: Anhand von Daten verschiedener Untersuchungen aus den Jahren 2006 und 2007 wurde sogar ein leichter Kompetenzvorsprung von Halbtagsschülern gegenüber Ganztagsschülern festgestellt. Der „Chancenspiegel“ geht auch mit eigenen Berechnungen, für die er Daten verschiedener Studien, zB. Pisa 2006, verwendet, der Frage nach. “inwiefern sich die Leistungen zwischen Ganztags- und Halbtagsschulen unterscheiden und die Ganztagsschule einen Effekt auf den Zusammenhang von Herkunft und Leistung hat“. Dabei wurde sichergestellt, dass der soziale Hintergrund der Schulen vergleichbar war.

Das Ergebnis: „Keine unserer Analysen der genannten Stichproben kommt zu dem Ergebnis, dass Schülerinnen und Schüler, die eine Ganztagsschule besuchen, signifikant besser in en Kompetenztests abschneiden. Vielmehr schneiden Halbtagsschüler im Lesen, in Mathematik und in Naturwissenschaften etwas – jedoch nicht signifikant – besser ab. Das gilt sowohl für Grundschulen als auch für die Sekundarstufe. Untersucht wurden auch die Ergebnisse von Kindern mit Migrationshintergrund, die in den Fächern insgesamt deutlich schlechter abschnitten als Kinder ohne Migrationsunterschied. Dabei gab es nur leichte aber keine „signifikanten Unterschiede“ zwischen Ganztagsschule und Halbtagsschule. (S.77). In der Grundschule schnitt die Ganztagsschule geringfügig schlechter ab, in der Sekundarstufe etwas besser.

 Alle Ergebnisse deuten laut „Chancenspiegel“ darauf hin, „dass auch Ganztagsschulen es (noch) nicht schaffen, Herkunft und Schulleistung zu entkoppeln“. (S.77)  Dass Ganztagsschulen „keinen Effekt auf Leistung und/oder die Entkopplung von Herkunft und Leistung haben, muss zu kritischen Rückfragen führen“, so die Autoren des „Chancenspiegels“. Ihre Schlussfolgerung: Es scheine „nicht auszureichen, auf den Ganztag zu verweisen, wenn Effekten wie der Kopplung von Herkunft und Leistung entgegengewirkt soll“. (S.78) Ebenso wie bei den Halbtagsschulen bleibe der Einfluss der sozialen Herkunft bei den Ganztagsschulen „bedeutsam“. Die Frage sei, so schließen die Autoren, inwieweit Ganztagsschule ihre Fördermöglichkeiten ausreichend nutze. Gut belegt sei dagegen die positive Auswirkung von Ganztagsschule auf die Lernmotivation der Schüler.

 Die Ergebnisse des Chancenspiegels werden auch durch jüngere Zahlen der „Studie zur Entwicklung von Ganztagsschulen“ (STEG) aus den Jahren 2005 bis 2010 bestätigt:Ganztägige Beschulung alleine scheint nicht per se die Schulleistungen zu verbessern.“, so fasst Ivo Züchner, Mitarbeiter von STEG, die Ergebnisse dieser Studie zusammen. http://www.dji.de/bulletin/DJIB_91.pdf, S. 6. Verbesserungen gab es bei Sozialverhalten und Lernmotivation, allerdings spielt dabei die Qualität der Ganztagsschule eine zentrale Rolle.

Auf einen weiteres Ergebnis des „Chancenspiegels“ hat vor wenigen Tagen schließlich die Financial Times Deutschland aufmerksam gemacht. Gerade in den Bundesländern, die die meisten Ganztagsschulen hätten, würden Schüler häufiger die Schule ohne Abschluss abbrechen, so der Bericht. (FTD vom 13.3..20012, S.11) Die Financial Times Deutschland bringt  die Ergebnisse des Chancenspiegels in Hinblick auf Ganztagsschule insgesamt auf den Punkt: „Die Studie weckt Zweifel an Ganztagsschulen“, so der treffende Titel.

LESEN: mangelhaft – Die Hamburger Ergebnisse des „Chancenspiegels“ der Bertelsmann Stiftung – Feriennachlese

18 Mär

Hamburgs Schulsystem gehört bei der Förderung von Lesekompetenz bundesweit zu den Schlusslichtern, liegt aber beim Anteil der Abiturienten und der Ganztagsschulen im Vergleich zu anderen Bundesländern an der Spitze. Das ist das Ergebnis des „Chancenspiegels“ , der neuen Bildungsstudie der Bertelsmann Stiftung und der Universität Dortmund, in der die Chancengerechtigkeit und Leistungsfähigkeit der Schulsysteme der Länder untersucht wurde. In der letzten Woche wurden die Ergebnisse vorgestellt: Nach wie vor ist dieser Studie zufolge die Abhängigkeit zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg in den deutschen Schulsystemen groß. Es gibt allerdings erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern und auch innerhalb der Bundesländer gibt es sehr unterschiedliche Ergebnisse bei den vier untersuchten Kriterien „Durchlässigkeit, Integrationskraft, Kompetenzförderung und Zertifikatsvergabe bzw. Schulabschlüsse. Kirschsblog stellt die Hamburger Ergebnisse vor.

Förderung der Lesekompetenz in Hamburg

Neuntklässler in Hamburg schneiden bei der Leseleistung im Vergleich zu anderen Bundesländern besonders schlecht ab. Dabei sind die leistungsstärksten Schüler bundesweit noch im Mittelfeld, zu den Schlusslichtern in punkto Lesekompetenz gehören dagegen die leistungsschwächsten Jugendlichen. Zu den schwächsten Bundesländern gehört Hamburg auch in der Frage des Zusammenhangs von Lesekompetenz und sozialer Herkunft. Die „Jugendlichen aus den oberen Sozialschichten haben einen Vorsprung von 81 Kompetenzpunkte gegenüber Jugendlichen  aus den unteren Sozialschichten der Klasse 9“. Zum Vergleich: In der besten Gruppe beträgt dieser Abstand 52 Kompetenzpunkte, im Bundesdurchschnitt beträgt der Unterschied 67  Kompetenzpunkte. Zwar wird in der Studie betont, dass die deutschen Schülerinnen und Schüler im Vergleich zu Pisa 2000 bei PISA 2009 ihre Leistungen signifikant gesteigert haben, doch gibt es noch immer gibt es eine deutliche Abhängigkeit von sozialer Herkunft und Schulleistung. In Hamburg fällt diese besonders groß aus. Bei der Förderung leistungsschwächerer oder sozial benachteiligter Schüler muss Hamburg deutlich nachlegen. Dies trifft auch auf die anderen Stadtstaaten Berlin, Bremen und zum Teil auf Bayern zu. http://www.chancen-spiegel.de/downloads-und-presse.html?no_cache=1

Schulabschlüsse in Hamburg

Sehr viel besser schneidet Hamburg beim der Abi-Quote ab. Hier liegt die Hansestadt in der  Spitzengruppe: 52,5 Prozent der jungen Erwachsenen erreichen die Hochschulreife. Im Bundesdurchschnitt sind es  46,4 Prozent. Beim Anteil der Schulabgänger ohne Schulabschluss liegt Hamburg mit 8,2 Prozent bei einem Bundesdurchschnitt von 7,0 Prozent im Ländervergleich in der Mitte. Allerdings ist der „Anteil der ausländischen Abgänger ohne Hauptschulabschluss an der

ausländischen Wohnbevölkerung“ mit 16 Prozent besonders hoch. Hamburg gehört hier mit 16,5 Prozent wieder zu den Schlusslichtern, zusammen mit Hessen, Niedersachsen und Sachsen.

Durchlässigkeit in Hamburg

Die Chance eines Kindes aus oberen Sozialschichten, das Gymnasium zu besuchen, ist in Hamburg höher als im Bundesdurchschnitt. Sie liegt laut Bertelsmannstudie 2,6 mal höher (Bundesdurchschnitt 4,5 mal höher) als die eines Kindes aus unteren Sozialschichten, bundesweit ist dieser Faktor mit 4,5 viel höher. Hamburg liegt damit in der Spitzengruppe. Untersucht wurde auch der Anteil der Schüler, der ohne Abschluss oder mit maximal einem Hauptschulabschluss einen Ausbildungsplatz im Dualen System erhält. Hier liegt Hamburg mit 39, 9 Prozent in der Mittelgruppe, Im Vergleich: Bayern liegt hier mit 54,5 Prozent in der Spitzengruppe. Bei den Klassen-
Wiederholern der Sekundarstufe lag Hamburg mit 3,1 Prozent im Länderbergleich in der mittleren Gruppe, bei einem Bundesdurchschnitt von 2,9 Prozent.

Bei Ganztagsschulen liegt Hamburg in der Spitzengruppe, mit 47,1 Prozent aller Schüler in der Primar- und Sekundarstufe, die eine Ganztagsschule besuchen, gegenüber 26, 9 Prozent im Bundesdurchschnitt.http://www.chancen-spiegel.de/ergebnisse-der-laender.html

Zur Integrationskraft führt Bertelsmann verschiedene Punkte an. Ua. nennt die Studie den „Anteil der Schüler mit besonderem Förderbedarf in allgemeinen Schulen an allen Schülern mit besonderem Förderbedarf“. Dieser beträgt im Schuljahr 2009/2010 in Hamburg 21,1 Prozent. Damit  gehört Hamburg laut Studie zu den Bundesländern mit einem „mittleren Inklusionsanteilen“.http://www.chancen-spiegel.de/daten-und-fakten/anteil-der-schueler-mit-besonderem-foerderbedarf-in-den-allgemeinen-schulen-an-allen-schuelern-mit-besonderem-foerderbedarf-schuljahr-20092010/indikator/55/indcat/3/indsubcat/0.html?no_cache=1

Die Daten des „Chancenspiegels“ beruhen auf Zahlen, die bis Ende September 2011 in den amtlichen Bundes- und Länderstatistik vorlagen, sowie auf Befunden aus Leistungsstudien wie PISA oder IGLU. Das sei nur ein „Recycling bereits altbekannter Daten“, kritisierte dies  der Bundesvorsitzende des Deutschen Philologenverbandes, Hans-Peter Meidinger, „ Gemäß dem Qualitätskriterienkatalog der Studie sei das gerechteste Bildungssystem das, „welches 100 Prozent Abiturquote, 100 Prozent Inklusionsquote und 100 Prozent Ganztagsschulquote aufweise“.http://bildungsklick.de/pm/82882/nur-ein-recycling-bereits-altbekannter-daten/. Zwischen Pisa 2000 und Pisa 2009 habe sich im Übrigen der Zusammenhang zwischen Kompetenzerwerb und Herkunft  abgeschwächt“, so zitiert die WELT  Bildungsforscher Kai Maaz von der Universität Potsdam, dessen Schwerpunkt im Bereich der sozialen Ungleichheit im Bildungswesen liegt. Die Verbesserung der deutschen Pisaergebnisse im Jahr 2009 hätten vor allem Schüler aus sozial benachteiligten Familien und mit Migrationshintergrund bewirkt.

Um das Kriterium Herkunft aber noch unwichtiger zu machen, empfiehlt Maaz in der WELT den weiteren Ausbau der Ganztagsschule. htp://www.welt.de/print/die_welt/politik/article13918620/Schulen-sind-besser-als-ihr-Ruf.html 

Allerdings, der „Chancenspiegel“ selbst weckt Zweifel, ob die Ganztagsschule die Erwartungen wirklich erfüllen kann, das“ Kritierium Herkunf unwichtiger zu machen“. Denn wie die Autoren der Studie betonen: „Keine unserer Analysen der genannten Stichproben kommt zu dem Ergebnis, dass Schülerinnen und Schüler, die eine Ganztagsschule besuchen, signifikant besser in den Kompetenztests abschneiden. …Offenbar gelingt es auch Ganztagsschulen bisher nicht, den viel zitierten straffen Zusammenhang zwischen der Herkunft der Schüler und deren Leistung zu entkoppeln“. http://www.chancen-spiegel.de/downloads-und-presse.html?no_cache=1

KIRSCHSBLOG WÜNSCHT FRÖHLICHE UND ERHOLSAME FRÜHJAHRSFERIEN

3 Mär

i-fIRE – FERIEN ZUHAUSE. http://www.youtube.com/watch?v=7M6AfXLylpA;