Archiv | Januar, 2015

Welche Folgen haben Ganztagsschule und lange Ganztagstage des G8 Gymnasiums für die Musik? Wunsch und Wirklichkeit der Schulpolitik beim letzten Schulausschuss vor der Bürgerschaftswahl

18 Jan

Nach heftigen Protesten von Eltern war erst vor wenigen Wochen ein Antrag der CDU Fraktion im Schulausschuss der Hamburger Bürgerschaft gescheitert: Die Eltern hatten klargemacht, dass sie Wahlfreiheit zwischen Ganztags- und Halbtagsschule für ihre Kinder wünschten und gegen einen Antrag der CDU protestiert, alle G8-Gymnasien in Hamburg in gebunden Pflichtganztagsschulen „weiterzuentwickeln“.

Doch nach schulpolitischen Grundsatzerklärungen von SPD Schulsenator Ties Rabe und CDU zum Ende der Legislaturperiode ist klar, dass der Ausbau der Ganztagsschulen in Hamburg, der in den letzten zwei Regierungszeiten von  SPD wie von CDU und Grünen massiv betrieben wurde, auch nach der Bürgerschaftswahl am 15. Februar weiter für sie oberste Priorität hat.

Welche Folgen Ganztagsschule für Kinder- und Jugendmusik hat, war Thema des letzten Schulausschuss vor der Bürgerschaftswahl am 16. Januar. Dabei tat sich ein tiefer Graben auf:

„Der Ganztag ist der Musik nicht hinderlich“,

erklärt Maren Knebel von der Hamburger Schulbehörde für den Senat: Der letzte Schulausschuss der Bürgerschaft vor der Wahl ist bei Punkt 4 der Tagesordnung angekommen. Es geht um Drucksache 20/12058: Ein Senats-Konzept zu der Frage, wie musikalische Aktivitäten in den kommenden Jahren in Ganztagschulen stärker verankert …werden können. Eine wichtige Frage, denn für den SPD Senat wie für die CDU und die übrigen Bürgerschaftsparteien ist die Umwandlung der Hamburger Schulen in Ganztagsschulen ein zentrales schulpolitisches Ziel. Das belegt auch dieses Senatskonzept.

Frau Knebel und Senat sind sich einig – in der Drucksache teilt der Senat mit: „Durch den Ausbau des Ganztagsschulwesens mit seinen vielfältigen Angeboten haben musikalische Aktivitäten innerhalb und außerhalb des Unterrichts insbesondere an Hamburger Grundschulen einen hohen Stellenwert erhalten“.

„Das G8-Gymnasium beschädigt die Musik“,

so im Gegensatz dazu die massive Kritik von Hamburgs erfahrenstem Fachmann für Kinder- und Jugendmusik, der EX-Präsident des Landesmusikrates und langjährige Leiter der Hamburger Jugendmusikschule, Professor Wolfhagen Sobirey im letzten Jahr im Abendblatt. Das G8-Gymnasium werde vonseiten der Musik… von musikpädagogischen Verbänden, musikinteressierten Eltern und Musikstudierenden, „praktisch einhellig abgelehnt“. Es „behindert die musikinteressierten jungen Leute und beschädigt damit die Musik“, so Prof. Sobirey weiter.

Grund seien die langen Schultage des G8, also die Ganztagstage, so Prof. Sobirey: „Drei oder gar vier Achtstundentage oder länger pro Woche, dann Hausaufgaben, Nachhilfe, Arztbesuch, Konfirmandenunterricht, Tanzstunde, Leistungssport, Jugendorganisation, alles, was Kinder und Jugendliche sonst noch tun oder tun sollten – dann heißt es immer noch nicht Freizeit oder Freunde treffen oder einfach mal träumen, denn dann sollen die musikinteressierten jungen Leute auch noch frisch und motiviert am Klavier sitzen und üben… oder aufnahmebereit zum Geigenlehrer gehen? Das findet in der Regel nur noch bei den Schülern statt, deren Eltern kontinuierlich und konsequent darauf achten, sei es um den Preis, dass noch am Abend geübt wird. So verhalten sich aber nur die Eltern, die selbst seinerzeit von Eltern zur Musik geführt wurden, die wissen, wie wichtig und kostbar das ist. Dadurch spielt die Herkunft mehr denn je eine Rolle. Chancengerechtigkeit für mehr Jugendliche entsteht so nicht.“

Das G8 hat zwei bis drei lange Ganztagstage, gebundene Ganztagsschulen haben noch mehr. Trotzdem sieht Frau Knebel im Schulausschuss alles ganz anders: Die Musikangebote „Jeki“ (jedes Kind ein Instrument) und „Young Classics“ fänden in je 70 bzw. 22 Schulen statt, 100 Ganztagsschulen kooperierten mit der Jugendmusikschule.

Zeit für Musiklische Individualbildung ?

Als der schulpolitische Sprecher der SPD, Lars Holster fragt, ob der Ganztag denn Zeitfenster für die musikalische Individualbildung biete, erklärt Frau Knebel, die Zahl der Schüler mit Individualbildung sei zuletzt von 8900 auf 9000 Schüler gestiegen (Schülerzahl 2013 insgesamt: 185.173). Das beweise ja, dass es ginge: Im übrigen, erklärt sie, „sind wir froh, wenn es nicht Einzelunterricht gibt, sondern Gruppenunterricht“. Klavierunterricht könnten z.B. auch vier Schüler gleichzeitig nehmen.“

Ganz anders beschreibt Professor Sobirey die Situation der Jugendmusik: „Die Klagen der Instrumentallehrkräfte hat man inzwischen vernommen. Schüler kommen müde und abgehetzt zum Unterricht, melden sich vom Unterricht ab. Zumindest üben sie weniger. Die Musiklehrer in den Schulen sprechen sogar vom „Ensemblesterben“, denn die Jugendlichen haben auch weniger Zeit und Kraft für die Schulchöre, Schulorchester und Schulbands. …..Mittlerweile zeichnen sich weitere Auswirkungen ab. Beim Wettbewerb Jugend musiziert, der bedeutendsten Nachwuchsförderung des Musikbereichs, ist das Problem auch angekommen. Die Zahl der Gymnasiasten, die zum Wettbewerb kommen, geht erschreckend zurück. Auch die Leistungen entwickeln sich dort kontinuierlich nach unten“. Auch die Aufnahmeprüfung an den Musikhochschulen werde von immer weniger Bewerbern geschafft, 40 Prozent der Musikstudenten seien mittlerweile junge Leute aus er ganzen Welt.

Es gehe ihm aber nicht um nur um die kleine Gruppe der professionellen Musiker, so Sobirey. Musik funktioniere nicht, wenn sie nur gehört werde, Musik müsse auch gemacht werden.

Auch dafür gibt es im Ganztag, sagt Frau Knebel, eine Lösung: Größere Schüler könnten für Musik ja Unterrichtszeiten nach dem gebundenen Ganztag, sowie am Samstag, oder in Kompaktkursen in den Ferien nehmen.

Auch Professor Sobirey nennt diese Ausweichzeiten von Ganztagsuntericht und G8. Er schildert sie allerdings weniger optimistisch wie die ganztags-euphorische Frau Knebel von Hamburgs Schulbehörde: „Das Instrumental- und Gesangsunterricht können beim G8-Schüler an mehreren Tagen der Woche erst nach dem ganzen langen Schulalltag stattfinden. Selbst am Wochenende fehlt oft die Zeit, denn dann sind viele Schüler noch mit Hausaufgaben, Klausurvorbereitungen, Referaten oder Praktikumsberichten belastet. Es ist unabweisbar, für die musikinteressierten G8-Schüler ist die Hürde zu hoch“

Dies gilt nicht nur für das G8 sondern generell für die Ganztagsschule und nicht nur für die Musik, sondern für alle freiwilligen Tätigkeiten, soziales Engagement und Sport von Kindern und Jugendlichen. Freiwillige Aktivitäten sind bei G8- Schülern und Ganztagsschülern nach der „Bildungsberichterstattung im Auftrag der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland und des Bundesministeriums für Bildung und Forschung“ nachweisbar deutlich zurückgegangen, erklärt das Deutsche Kinderhilfswerk. Und weiter:

„Es konnte bislang kein Hinweis dafür gefunden werden, dass sich das Engagement von Ganztagsschülerinnen und -schülern aufgrund längerer Anwesenheitszeiten in der Schule in den schulischen Bereich verlagert.“ Dieser Befund lässt sich auch auf den Bereich der Bewegungsförderung übertragen“.

https://www.dkhw.de/cms/presseundmaterialien/pressemitteilungen/1751-das-deutsche-kinderhilfswerk-unterstuetzt-die-volksinitiative-zur-wiedereinfuehrung-des-g9-an-hamburger-gymnasien

http://www.abendblatt.de/meinung/article127242624/Das-G8-Gymnasium-beschaedigt-die-Musik.html

Falsche Inklusionszahlen des Schulsenators – Demonstration: „Inklusion braucht mehr“ am 26. Januar

18 Jan

Nun steht fest: Ties Rabes Inklusionszahlen waren falsch. Die Fördermittel für die Inklusion, die er Hamburgs Schulen in den letzten zwei Jahren zugestanden hat, waren viel zu niedrig.

Der Schulsenator hat nun nach heftigen Druck in der Öffentlichkeit die Ergebnisse von Viertklässler-Gutachten offengelegt. Statt bei 4 Prozent besteht demnach bei 6,6 Prozent der Schüler sonderpädagogischer Förderbedarf. Demnach werden mindestens 350 mehr Pädagogen als bisher gebraucht.
Eine „Gewaltige Blamage für Ties Rabe (SPD). „, so brachte die Hamburger Morgenpost diese Ergebnisse auf den Punkt: „Seit Jahren tönt der Bildungssenator, dass Hamburgs Schulen deutlich weniger Problemkinder haben, als die Lehrer behaupten. Immer schwang dabei mit, dass die Schulen sich nur zusätzliche Stellen ergaunern wollen. Jetzt stellen Gutachten aus seiner Behörde klar: Der Förderbedarf liegt etwa 70 Prozent über Rabes Berechnung!“
http://www.mopo.de/politik/problemkinder-gutachten-blamage-fuer-hamburgs-bildungssenator-ties-rabe,5067150,29516148.html

Die Förderzeiten wurden im Vergleich zum damaligen Intergrationsmodell nach Angaben von Fachleuten mit der Einführung des neuen Inklusionskonzeptes des Schulsenators dagegen um bis zu 70 Prozent gekürzt. Doch selbst mit zusätzlichen Lehrern ist eine sonderpädagogische Förderung wie in der früheren Kombination von Förderschulen und Integrationsklassen allein nicht  möglich. Wichtigste Forderung der  Kritiker des Inklusionskonzeptes des Schulsentors ist die Einstellung von mehr Sonderpädagogen. Es müsse außerdem sichergestellt werden, dass  „die jeweilige sonderpädagogische Fachrichtung zu dem jeweiligen sonderpädagogoischen Förderbedarf passt.“

Das „Hamburger Bündnis für schulische Inklusion“, ein Bündnis von 10 Fachgruppen und Institutionen aus dem Bereich der Inklusion und die GEW haben deshalb zu einer Demonstration am 26.12015 aufgerufen. Ihre Forderung:Inklusion braucht mehr – mehr Personal, mehr Räume, mehr Sachmittel“: Start ist 17 Uhr am Dammtorbahnhof.

Hier der Link mit den Details: https://www.gew-hamburg.de/termine/demo/2015-01-26/demonstration-inklusion-braucht-mehr-mehr-personal-mehr-raeume-mehr-sachmitt

 

INKLUSIONS-SKANDAL IN HAMBURG

2 Jan

Hält Schulsenator Rabe brisante Ergebnisse von neuen sonderpädagogischen Gutachten aus wahltaktischen Gründen geheim? So die massive Kritik der GEW in einer Pressemitteilung. Es geht um bis zu 300 zusätzliche Lehrerstellen für die Inklusion für bis 19 Millionen Euro:

Zwei Jahre lang unterstellte Schulsenator Rabe den Hamburger Schulen, ihre Zahlen zu Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf im Bereich Lernen, Sprache sowie emotionale und soziale Entwicklung (LSE) seien viel zu hoch und verweigerte Schulen und Schülern damit entsprechende Mittel und zusätzliche Pädagogen für die sonderpädagogische Förderung: Nun liegen neue Gutachten- Ergebnisse und Zahlen der Regionalen Bildungs- und Beratungszentren (ReBBZ), für alle Vierklässler vor, doch der Schulsenator weigert sich, trotz einer kleinen Bürgerschaftsanfrage, die konkreten Zahlen zu veröffentlichen.

Die GEW in ihrer Pressemitteilung:
“Bisher erhalten die Grundschulen von der Schulbehörde durchschnittlich für 4% ihrer Schüler zusätzliche Lehrerstunden für den Förderbedarf LSE. Nach Angaben der Schulen sind es aber fast doppelt so viele Schüler. Wenn die von den ReBBZ erstellte Diagnostik mehr als 4% ergeben hat, müssten die Grund- und Stadtteilschulen zukünftig mehr Lehrerstunden von der Schulbehörde erhalten. Bei 5% wären es von der Vorschulklasse bis Jahrgang 10 insgesamt ca. 150 zusätzliche Lehrerstellen im Wert von 9,5 Millionen Euro. Bei 6% liegt der Zusatzbedarf bei 300 Lehrerstellen und 19 Millionen Euro.”

Das Hamburger Bündnis für schulische Inklusion dazu: “Es ist ein Skandal, wenn der Senator zwei Jahre lang den Schulen falsche Zahlen unterstellt und nun die Ergebnisse der von ihm selbst angeordneten Diagnostik aus wahltaktischen Gründen geheim hält”. Das Bündnis forderte Schulsenator Rabe auf, die Zahlen sofort zu veröffentlichen und die Lehrerzuweisung für die Schulen entsprechend anzupassen, “damit die schulische Inklusion qualitativ verbessert werden kann.”http://bildungsklick.de/pm/92895/schulsenator-rabe-haelt-brisante-zahlen-ueber-sonderpaedagogischen-foerderbedarf-unter-verschluss/