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GBS REVISITED: Enttäuscht – empört – verzweifelt – Wieder heftige Elternproteste gegen Ties Rabes Ganztags-Schul-Reform

15 Apr

„Ich bin wütend und verzweifelt und für jede Empfehlung dankbar“,  schreibt Eva Landmann, Mutter einer siebenjährigen Tochter. „Es brennen mir einige Fragen auf der Seele, die mir in der Schule niemand beantworten kann. Die GBS-Hotline war auch in keinster Weise hilfreich. Dort sagte mir die Behördenmitarbeiterin am Telefon, sie sei für GBS nicht geschult und könne mir meine Fragen nicht beantworten.“

Vor einem Jahr, vor der Umwandlung von 50 Hamburger Grundschulen in  Ganztagsschulen mit Ganztägiger Bildung und Betreuung (GBS), gab es bei Eltern heftige Kritik an der Umsetzung und am Tempo der Ganztagsschul-Reform von SPD Schulsenator Ties Rabe. Kirschsblog hatte ausführlich darüber berichtet.  In diesem Sommer sollen 70 weitere Grundschulen zu Ganztagsschulen umgewandelt werden und die Stimmung unter den Eltern hat sich nicht gebessert. Es gibt erneut heftige Kritik. Ties Rabes Ganztags-Grundschul-Reform soll mit den 70 neuen Schulen im August  abgeschlossen sein – fast alle 204 Grundschulen werden dann Ganztagsschulen sein, zumeist in der offenen Form mit GBS. Doch die heftige Kritik der Eltern klingt in diesen Tagen fast genau wie vor eineinhalb Jahren.

Eva Landmann ist alleinerziehende Mutter einer siebenjährigen Tochter in der Grundschule Forsmannstraße. Sie ist voll berufstätig und muß bis 17 Uhr arbeiten. Ihre Tochter,  die bislang nachmittags im Hort ist, muss nun nach Ties Rabes Ganztags-Schulreform zur ganztägigen Betreuung (GBS) wechseln.

Der Grund für Evas Verzweiflung: „Ich habe bislang einen Hort-Gutschein für eine 5-stündige Hortbetreuung bis 18 Uhr und zahle dort 95,00 € monatlich“,  schreibt sie. „Der Online-Gebührenrechner für GBS hat mir nun … ausgerechnet: Wenn ich die Spätbetreuung bis 18 Uhr buche + Mittagsverpflegung + 10 Wochen Ferienbetreuung + Sockelwoche zahle ich jetzt bei GBS  summa summarum 159,38 € monatlich – d. h. unglaubliche 64,38 € mehr als im Moment.“

Erst von Oliver Hilgers, Elternvertreter und Gebührenspezialist im Landeselternausschusses Kindertagesbertreuung  (LEA), bekommt sie eine klare Antwort: Sie muss diese Summe von 64, 38 Euro monatlich 1 Jahr in Vorleistung“ zahlen und kann dann nach der „Keiner zahlt mehr als im Hort“-Regelung per Antrag eine „Rückerstattung“ bekommen. Das Antragsformular existiert noch nicht.

Macht fast 800 Euro im Jahr mehr als im Hort –  zuviel für Eva Landmann: „Ich habe meinen Antrag drastisch reduziert – nämlich statt der Betreuung bis 18 Uhr nur bis 17 Uhr – und statt elf Ferienwochen nur vier … Jetzt kann ich sehen,  wie ich klarkomme (zahle so „nur noch“ 2,50 € mehr als im Moment). Ich kann einfach nicht ein Jahr lang 800 € vorschießen.“

Kein Einzelfall, so die Kritik vieler  Eltern. In einer öffentlichen Fragestunde des Jugendhilfeausschuss im Bezirk Wandsbek in der letzten Woche konfrontierten sie den Vertreter der Schulbehörde, B. Oldenburg, mit Kritik und Fragen.

Keiner zahlt mehr als im Hort?

„Keiner zahlt mehr“ als im Hort, dieses Versprechen von Schulsenator Ties Rabe für die Gebühren der Ganztagsbetreuung in der Schule „stimmt gar nicht“, erklärte Farahnaz Bergmann stellvertretend für viele andere Eltern. Es sei keineswegs selten der Fall, dass Eltern für GBS mehr zahlten als für die Hortbetreuung, das bestätigen auch andere Eltern. Das gelte für alle Stufen der nach Einkommen gestaffelten GBS Gebühren. So werde auch die Gebühr von 207 Euro für Höchstzahler überschritten, die eigentlich als maximale Obergrenze für Höchstzahler festgelegt sei, wenn man alle Ferienzeiten und Mittagessen bucht, erklärte Farahnaz Bergmann. Sie selbst müsse aber alle Ferienzeiten buchen, denn zum Zeitpunkt der Anmeldung für das gesamte nächste Schuljahr (die Frist lief bis zum 30.März)  könne sie in ihrer Arbeit nicht planen, wann sie genau in nächsten Schuljahr in Urlaub gehe. Sie habe für ihre Tochter erst einmal alles gebucht.

„Sollten tatsächlich in wenigen Fällen … höhere Elternbeiträge“ als im Hort anfallen „wird die Schulbehörde die Differenz erstatten“, so hatte dagegen in der letzten Woche Schulsenator Rabe in einer Presseerklärung  nach einem der Treffen des „Runden Tisches“ melden lassen,  an dem Vertreter der Schulbehörde und Senator Ties Rabe mit Vertretern von Elternkammer und Landeselternausschuss (LEA) die Kritik der Eltern vorgetragen hatten. http://www.hamburg.de/bsb/bsb-pressemitteilungen/3922392/2013-04-11-bsb-gnaztagsausbau-schulen.html

Doch die Zusage des Senators, zuviel gezahlte Gebühren zurückzuzahlen, sorgt für Ärger und Verunsicherung bei den Eltern. Viele Eltern wüssten gar nicht, dass es eine Rückerstattung gebe, erklärte auch Anja Quast, Fraktionsvorsitzende der SPD im Bezirk Wandsbek. Eltern müssten viel besser informiert werden. Da fehle ein wichtiger Baustein, die Kommunikation zwischen Eltern, Kitaleitern und Lehrern müsse dringend verbessert werden. Denn „wer es nicht weiß, der wird sich auch nicht melden.“

Rückerstattung von Gebühren

Hinzu kommt, dass die Gebühren erst nach Ablauf des ganzen Schuljahres rückerstattet werden. „Ich finde es nicht gut, wozu soll ich denn erst einmal alles bezahlen? Und an welchem Tag soll ich dann kommen, um es zurück zu bekommen. Welche Unterlagen soll ich mitbringen?“, fragte Farahnaz Bergmann empört.

Vorher zahlen und hinterher zurückzahlen sei nicht „sozial verträglich“, erklärte Claudia Folkers von der CDU Fraktion und bezog sich damit auf Eltern, die wie Eva Landmann diese Summen für die Vorfinanzierung der Gebühren gar nicht aufbringen können. Die Kosten der Ferienbetreuung müssten reduziert werden, die Anträge seien außerdem viel zu kompliziert, kritisierte ein Vertreter eines „Freien Trägers“ der GBS-Nachmittagsbetreuung. In sozialen Brennpunkten, in denen Kinder aus sozial schwierigen Verhältnissen eigentlich auf die Nachmittagsbetreuung angewiesen seien, würden nur 10 bis 12 Prozent der Kinder an der Ferienbetreuung teilnehmen, denn das Ganze sei vielen zu teuer, zu kompliziert und nicht flexibel genug. Viele Familien seien mit dem Prozedere der Anmeldung, den vielen unterschiedlichen Formularen und der langfristigen Planung überfordert.

Die Rückerstattung könne erst am Jahresende erfolgen, weil erst nach dem Schuljahr alle Ausgaben, die Gebührenscheine und die Abrechnungen der Caterer für die Berechnung vorlägen. Geben Sie uns für die Organistation der Rückerstattung noch „ein paar Wochen“, bat Herr Oldenburg von der Behörde.

Ausstattung bei GBS und Hort auf gleichem Niveau?

„Die ganztägige Betreuung an den Schulen (GBS) werde auf dem gleichen Ausstattungsniveau stattfinden wie die bisherige Hortbetreuung“, so die Erklärung von Schulsentor Rabe nach dem Treffen des Runden Tischs zum Thema GBS in der vergangenen Woche. http://www.hamburg.de/bsb/bsb-pressemitteilungen/3922392/2013-04-11-bsb-gnaztagsausbau-schulen.html

Doch die Eltern sehen das ganz anders als der Schulsenator:  In ihren Fragen kritisierten sie auch den Personalschlüssel der GBS. Der Schlüssel von einem Betreuer für eine Gruppe von 19 bzw. 23  Kindern sei schlechter als im Hort, es würden außerdem Hilfskräfte ohne  pädagogische Qualifikation eingesetzt, so Farahnaz Bergmann. Kritische Fragen gab es auch zu den Problemen beim  Mittagessen, zu den Warmhalteküchen und zum Raummangel. So gibt es Schulen, in denen ab August über 100 bis 150  Kinder an GBS teilnehmen werden, die aber keine entsprechenden Kantinen oder viel zu kleine Kantinen haben. Um- und Ausbauten von Kantinen sollen noch bis 2015 oder sogar bis 2017 dauern, in einem Fall ist noch gar kein Termin für einen Umbau bekannt, kritisierten die Eltern.

Ganz unbegreiflich sei für sie, dass Kinder bei der Ganztagsbetreuung keine Zwischenmahlzeit erhalten, erklärte  Farahnaz Bergmann im Ausschuss. „Ich verstehe nicht, dass es dafür kein Budget gibt. Ein Kind ist doch immer noch ein Kind, die brauchen das!“.

Das sei eine politische Entscheidung erklärte Herr Oldenburg von der BSB, im Übrigen sei vieles der „Systemumstellung geschuldet“ und das „sei eine Sache“, die müsse „man in Kauf nehmen“. Das zusätzliche „pädagogische Budget“ für die GBS könne aber dazu beitragen, den Personalschlüssel zu senken, erklärter er. Außerdem würden „Leute auf Honorarbasis“ Kurse anbieten oder mit den Kindern lesen. Alle Betreuungsbereiche hätten aufgrund des Kitaausbaus im Moment außerdem Probleme, genügend Erzieher zu finden, erklärte Oldenburg.

Kritische Fragen der Eltern betrafen auch das inhaltliche Angebot von GBS. Es wurde gefragt, ob die Schulbehörde überhaupt wisse, was da von wem in welcher Qualität angeboten werde. Zusatzangebote, so die Kritik weiter, seien außerdem kostenpflichtig, es sei ein falscher Ansatz, dass sogar Fußball Geld koste.

Eltern: „Unausgegoren und zu kompliziert“

„Völlig unausgegoren und viel zu kompliziert für alle Beteiligten“, so bringt Eva Landmann die Kritik vieler Eltern an der Ganztagsreform und Umsetzung von GBS auf den Punkt. Hinzukommt, es gibt keine Alternativen mehr, fast alle Horte werden am Ende dieses Schuljahres abgeschafft.

Kritik und Fragen der Eltern finden sich im 10-Punkte-Nofall-Paket wieder, dass die Elternkammer und der Landeselternausschuss (LEA) für Kindertagesbetreuung Schulsenator Ties Rabe beim Treffen des Runden Tisch in der letzten Woche überreichten. Neben dem beschleunigten Kantinenausbau werden darin u.a. Ruhe-, Bewegungs- und Kursräume gefordert, außerdem mehr Geld und Personal für die Information über GBS, ein Konzept mit qualitativen Mindeststandards, mehr Elternmitwirkung oder zusätzliche Mittel für die Inklusion.

Noch umfangreicher ist eine Liste Deutsche Kinder- und Jugendstiftung mit 23 Punkten, die aus der Sicht von Kindern beschreiben, was Ganztagsschule bieten sollte. Z.B. Punkt 17: „Die Mittagspause ist lang genug, um mich auszutoben, zusammen mit Freunden oder allein etwas zu machen, was Spaß macht, oder mich zurückzuziehen, mich mit meinem Hobby zu beschäftigen, zu lesen, ein Musikinstrument zu spielen oder ein Kunststück einzuüben, am Computer zu arbeiten oder miteinander etwas „Richtiges“ zu machen.

Schön klingt auch Punkt 19: Es gibt auf dem Schulgelände und im Schulhaus genug Platz und Gelegenheiten, um mit anderen zu spielen, Sport zu treiben, Kunststücke zu üben oder zu experimentieren. Es stehen Sport- und Spielgeräte zur Verfügung, es gibt Klettermöglichkeiten, Bereiche, in denen man bauen und gestalten kann, aber auch Verstecke, geheime und ruhige Ecken“. http://www.ganztaegig-lernen.de/sites/default/files/23_Thesen.pdf

Doch bis Hamburgs Ganztagsschulen das bieten, ist es noch ein weiter Weg. Ties Rabe weist rigoros alle Forderungen zurück: „Es ist schon ein großes Vorhaben die Zahl der Ganztagsschulen in drei Jahren um 50 Prozent zu steigern, wir sollten diesen ehrgeizigen Plan jetzt umsetzen und nicht ständig mit neuen Zusatzforderungen erschweren“. http://www.hamburg.de/bsb/bsb-pressemitteilungen/3922392/2013-04-11-bsb-gnaztagsausbau-schulen.html

Bleibt schließlich eine Frage: Was passiert, wenn es keine Horte und Kita-Gutscheine mehr gibt? Erlischt damit für die GBS-Gebühren auch die „Keiner zahlt mehr als im Hort-Regelung“? Das würde bedeuten, Eva Landmann und alle Eltern, die für GBS höhere Gebühren zahlen als für die Betreuung im Hort, bekommen kein Geld mehr rückerstattet. Sie müssen dann mehr zahlen. Wie sagte es eine Mutter am 10 Mai – fast genau vor einem Jahr: „Wir zahlen ab Sommer im Monat über € 35,00 mehr für ein schlechteres Angebot – und das wird uns als „kostenlose Nachmittagsbetreuung“ verkauft!“

https://kirschsblog.wordpress.com/2012/05/10/die-versprechen-des-schulsenators-grundschuleltern-rechnen-nach-ganztagsschule-kann-fur-familien-teurer-als-hort-werden/

„Wir erwarten 170 Kinder, die essen sollen, aber wir wissen nicht, wo!“ – GBS/GTS Vernetzungstreffen und Anhörung in Schul- und Sozialausschuss

15 Nov

Erstaunlich,  wie unterschiedlich innerhalb einer Woche in Hamburg zweimal über dasselbe Thema gesprochen wurde, die Umwandlung aller Hamburger Grundschulen in Ganztagsschule: Zum Einen in Schulen mit Ganztägiger Bildung und Betreuung (GBS) mit außerschulischem Partner und zum Anderen in Ganztagsschulen in schulischer Verantwortung (GTS).

Frei und offen hatten fast 50 Eltern vor einer Woche beim achten GBS/GTS Vernetzungstreffen des Landeselternausschusses Kitabetreuung (LEA)  – ohne Senator und Presse  –  über zwei Stunden lang die Mängel der neuen Ganztags- und GBS Schulen kritisiert.  Es ging um Verschlechterungen im Vergleich zu der bisherigen Betreuung in Horten,  z.B. beim Betreuungsschlüssel, die schleppende Umbauten und fehlende Räume wurden bemängelt, es gebe Baulöcher aber noch lange keine Kantinen, so die Eltern und es wurde deutlich, wie groß der Informationsmangel in puncto  Ganztagsschulreform bei vielen Eltern noch ist. Der Mangel an Information für Eltern hatte schon vor genau einem Jahr, am 17.11.2011, den Lea, den Elternausschuss des Bezirks Eimsbüttel (BEA) und das Hamburger Hortbündnis veranlasst, die Vernetzungstreffen ins Leben zu rufen – zum Austausch von Informationen und Kritik.

Die öffentliche Anhörung von Schul- und Sozialausschuss der Bürgerschaft am Mittwoch mit  Schulsenator Ties Rabe und Vertretern der Behörden – bei der Eltern und Betroffene Gelegenheit zu Kritik und Verbesserungsforderungen haben –  verlief dagegen ein wenig schleppend und sie war auch schon nach knapp einer Stunde wieder vorbei . 

Was Vertreter der Regierungspartei, SPD, denn auch gleich so interpretierten, dass die Eltern ganz ganz offensichtlich zufrieden mit dem Konzept von Ties Rabe seien – es gebe nur einige Umsetzungsschwierigkeiten. Das war auch die Kernaussage von Schulsenator Rabe in seiner Antwort auf die Elternkritik. Es gebe einige „Anfangsschwierigkeiten“,  die sich aus der auch für ihn „überraschenden Geschwindigkeit“ bei der Umsetzung seiner Ganztagsreform ergäben, so der Senator. Was er zum wiederholten Male nicht erwähnte: Er selbst hat für diese „überraschende Geschwindigkeit“ gesorgt, als er vor eineinhalb Jahren ankündigte, ab 2013 die Kitagutscheine und die Horte abzuschaffen. Eltern aus Schulkonferenzen und Gremien von Hamburger Grundschulen haben immer wieder empört darauf hingewiesen, sie fühlten sich dadurch gezwungen, ihre Schulen Hals über Kopf in Ganztagsschulen umzuwandeln, damit niemand am Ende ganz ohne Betreuung für seine Kinder da stehe.

Doch dass es sich Hamburgs Schulsenator mit dem Hinweis auf „Anfangsschwierigkeiten“ etwas zu einfach machte, wurde  – bei aller Kürze – auch in der Anhörung deutlich.

Die Kritiker: Zu wenig Betreuer, Räume, Ressourcen

Sie sei „ausgesprochen unzufrieden mit der GBS“, erklärte Gabriele Ellerbeck, Mutter von vier Kindern, deren jüngster Sohn Schüler der Grundschule Lutterothstraße ist. Es fehle an Qualität bei der Nachmittagsbetreuung der GBS, so ihre Kritik.  An drei von fünf Nachmittagen seien wechselnde studentische  Hilfskräfte als Betreuer tätig. „ Echte Probleme“ gebe es auch mit einem „nicht so guten Erzieher“. Ihre  drei älteren Kinder seien in Horten gewesen,  deshalb könne sie das Angebot der GBS gut vergleichen. In den Horten seien die Kinder, anders als jetzt in den großen Gruppen der GBS, individuell betreut worden.

Die Kinder hätten außerdem erst in den Klassenräumen, dann in Mänteln in der zugigen Schulhalle Mittag gegessen,  jetzt finde das Essen in roten Container statt, die als das „Rote Haus“ verspottet würden . „Wer kontrolliert eigentlich die Qualität“, fragte Gabrielle Ellerbeck. Ihre Familie falle auch finanziell „durch das Raster“. Im Vergleich zu den Kitagutscheinen vorher „zahlen wir deutlich mehr Geld“, erklärte sie – was Schulsenator Rabe zu Protest und Kopfschütteln veranlasste.  Für sie als berufstätige Mutter sei es außerdem ein Problem, die benötigte Ferienbetreuung schon für ein Jahr im Voraus zu buchen. Es  sei „frustrierend, dass man dem ausgeliefert ist. Wir haben überlegt, unser Kind zu einem Schlüsselkind zu machen, weil es nicht gut läuft“, so die Kritik von Gabriele Ellerbeck.

Karin Jessen, Schulleiterin einer offenen Ganztagsschule und Vorsitzende des Ganztagsschulverbandes, bemängelt die Verpflegung an den Ganztagsschulen.  Wenn Kinder den ganzen Tag, teilweise schon ab 6 Uhr morgens, in der Schule seien, müsse es auch eine Verpflegung für den ganzen Tag geben, nicht nur zum Mittagessen. Wann eigentlich das bargeldlose Mittagessen eingeführt werde, fragte dann Roberto Lehmann. Die Bezahlung des Mittagessens mit Chips statt Bargeld hatte Schulsenator Rabe im letzten Schuljahr für die Ganztagsschulen angekündigt.

Ein Vertreter des Grundschulverbandes sprach die zusätzliche Belastung für Schulbüros an. Die Schulbüros bräuchten für die Umwandlung von Schulen in Ganztagsschule zusätzliche Ressourcen, um Eltern zu beraten und zu begleiten. Eine Vertreterin des Schulbüros der Stadtteilschule Blankenese bestätigte das und forderte wegen der zusätzlichen Beratung eine höhere Lohngruppe für Mitarbeiter der Büros.

Nach Erfahrungen der schon bestehenden Pilot- und Modellschulen sei die Personaldecke für die Ferienbesetzung zu dünn, kritisierte dann der Vertreter des Grundschulverbandes, es gebe Probleme bei der Ferienvertretung. Eine Schulleiterin ergänzte, die Stundenberechnungen für die Erzieher in der GBS seien zu niedrig, es müsse auch Besprechungszeiten für Erzieher geben. Sie forderte im Übrigen eine Gleichbehandlung der Ganztagsschulen nach Rahmenkonzept (GTS) mit den GBS Schulen.

„Viel zu knapp“ sei auch die Ressource für die Inklusion am Nachmittag der neuen Ganztagsgrundschulen, betonte die Schulleiterin außerdem. Eine in der Integration tätige Erzieherin bestätigte das und kritisierte die Gruppengröße für den Nachmittagsbereich. Sie arbeite mit schwerstbehinderten Kindern: „Es kann nicht sein, das da 28 bis 29 Kinder von zwei Erziehern betreut werden“, protestierte sie.

Kritik an Küchen und Kantinen

Die für Grundschulen eingeführte Sozialstaffelung der Essensgebühren müsse auch an weiterführenden Schulen gelten, erklärte dann ein Vertreter des Ganztagsschulverbandes. Eltern dort könnten sich das Essen vielfach nicht leisen.

Ihr Sohn werde bis 2014 nur durch Provisorien über Caterer ein Mittagessen erhalten, „ernährungswissenschaftlich ist nichts Gesundes in dem Essen mehr drin“, kritisierte eine Mutter aus einer GBS-Schule in Poppenbüttel. Mit der Ganztagsschule sei das Versprechen verbunden worden, Lern- und Lebensort zu verbinden. Sie forderte die Einrichtung von Produktionsküchen, in denen Essen frisch gekocht werden, damit Eltern ihre Kinder „mit gutem Gewissen in der Ganztagsschule lassen“ könnten.

„Wir erwarten 170 Kinder, die essen sollen, aber wir wissen nicht, wo!“, so die Kritik von Lilly Gries von der Grundschule Kleiner Kielort. An der  Schule würden in den nächsten drei bis vier Jahren Turnhalle,  Aula und  Mensa umgebaut. Es sei deshalb sinnvoll, solange den Hort zu erhalten!

Jörg Gröndahl vom LEA kritisierte, dass es diverse Kritikpunkte und Verbesserungswünsche von Eltern, z.B. in Hinblick auf Raummangel und fehlende Kantinen, gegeben habe, doch: „In der Umsetzung findet sich fast nichts davon wieder“. Er forderte den Schulsenator auf, „an der Umsetzung der Reform sorgfältiger zu arbeiten“. Dem schloss sich auch Christian Martens vom Lea an. Es sei geplant, Räume und Raumbedarf zu reduzieren, dabei würden mehr Räume, u.a. für die Gruppendifferenzierung, benötigt. „Räume sind der dritte Pädagoge“, erklärte er, und plädierte an Ties Rabe, „mehr Räume zu schaffen“.

Ein Vertreter des Caritasverbandes kritisierte eine neue Förderrichtlinie vom 3.7.2012, in der im Vergleich zum Landesrahmenvertrag eine finanzielle Benachteiligung von Schulen in freier Trägerschaft festgeschrieben worden sei. Die Folge: Unter diesen schlechteren Bedingungen der Richtlinie fänden sich keine Partner, die bereit wären, Kooperationsverträge mit den Schulen in freier Trägerschaft zu unterschreiben. Hier müsse eine „vernünftige Lösung“ gefunden werden. 

Martina Peters vom paritätischen Verband Hamburg kritisierte die geplanten Kürzungen in der Jugendhilfe. Ein besonders wichtiger Punkt für GBS und GTS sei die gewollte Kooperation der Ganztagsschulen mit den Einrichtungen der Jugendhilfe: Es sei „schwer vermittelbar“, wenn man den Sozialraum rund um Schulen öffnen wolle, und gleichzeitig Angebote der Jugendhilfe mit dem dort gewachsenen besonderen Sachverstand  „verringert“ würden „ Wenn sich die zwei System, Schule und Jugendhilfe, verschränken“ sollten, dann müsse auch die Ausstattung „passen und angemessen“ sein. Die Kooperation mit Ganztagsschulen mit schulischer Verantwortung (GTS) sei im Übrigen wegen der hierfür vorgesehenen Personalressource so „nicht möglich“.

Schulsenator Rabe antwortet

Es sei erfreulich,  so die Antwort von Schulsenator Rabe auf die Kritik in der  Anhörung, dass sich sehr viele Schulen so schnell zur Umwandlung in eine Ganztagsschule entschlossen hätten, erklärte Ties Rabe – insgesamt würden 200 von 204 Grundschulen bis 2013 GBS- oder GTS-Schulen. Dies zeige u.a., dass es richtig gewesen sei, dass „wir die Schulen nicht zwingen“. Er habe den Schulen „freigestellt, welchen Weg sie gehen wollen, GBS und GTS“. Was Ties Rabe damit indirekt klar machte: Eine andere Wahl, nämlich gar keine Ganztagsschule zu werden, hatten die Schulen demnach nicht.

Die zeitliche Frist für diese Umwandlung sei noch über 2013 verlängert worden, so Ties Rabe weiter. Von der Möglichkeit einer Verlängerung waren allerdings viele Eltern und Schulen gar nicht informiert, wie Eltern bei dem vorherigen GBS/GTS Vernetzungstreffen erklärt hatten. „Hätten wir das gewußt, hätten wir auch länger gewartet“, erklärte ein Vater, als er hörte, dass es noch bis 2015 eine Übergangsfrist von zwei Jahren bis zur endgültigen Abschaffung der Kitagutscheine gibt. Eine Möglichkeit, die offenbar nur zwei, drei Schulen nutzen, die erst 2015 die Ganztagsschule einführen werden.

Ties Rabe zu Betreuungsqualität, Erziehermangel, Raummangel und mehr

Zur Kritik, dass eine Gruppe in einer GBS Schule häufiger von studentischen Hilfskräften als von einem Erzieher betreut wurde, erklärte der Senator: Dies sei durch den Landesrahmenvertrag geregelt, und zwar „so, wie das bisher an den Horten geregelt ist, da ist nichts verändert worden“. Diese Aussage des Senators widerspricht allerdings den offiziellen Zahlen des „Bildungsberichts“ der Schulbehörde von 2011  über „Personalschlüssel im Kita-Gutscheinbereich“.  Im Jahr 2011 wurden demnach im dreistündigen Hort knapp 15 Kinder von einer „Vollzeitkraft“ betreut. Im Bildungsbericht ist dabei ausdrücklich von „Erziehern“ und  „Fachkräften“ und nicht von „studentischen Hilfskräften“ die Rede.  http://www.bildungsmonitoring.hamburg.de/index.php/bildungsbericht2011

Der für die GBS im Landesrahmenvertrag zugrunde gelegte Betreuerschlüssel umfasst dagegen eine pädagogischen Fachkraft für die Betreuung einer Gruppe von 23 Kindern, bzw. eine pädagogische Fachkraft für die Betreuung von 19 Kindern in Standorten im schwierigeren sozialen Umfeld der Sozialinidizes eins und zwei. http://www.hamburg.de/contentblob/3268876/data/rahmenvertrag.pdf

Es gebe aber tatsächlich einen Erziehermangel, räumte der Schulsenator dann ein: „ Wir brauchen so viel Personal, dass der Markt das nicht hergibt“. Ein Mangel, den der Senator allerdings durch den extrem schnellen Ausbau der Ganztagsschulen selbst mitverursacht hat. So werden nach Aussage der Behörde für Arbeit und Soziales , Familie und Integration (BASFI) im Jahre 2013 insgesamt 700 Vollzeiterzieher fehlen. Wegen der unattraktiven Teilzeiteinstellungen träfe dies speziell die GBS Schulen, informierte eine Tischvorlage der Hamburger Jugendhilfe Anbieter zur GBS/GTS, die bei der Anhörung verteilt wurde.

Für die Qualitätskontrolle bei den GBS-Schulen sei im Übrigen die Sozialbehörde zuständig, erklärte Ties Rabe. Bei Beschwerden sollten Eltern sich zunächst an Schule und Trager wenden, dann an die Behörde.

Ties Rabe äußerte sich dann zur Kritik am Raummangel: Der Raumbedarf werde nicht reduziert, erklärte er und auch der in diesem Zusammenhang erhobene Vorwurf, GBS sei ein Billigmodell, träfe nicht zu. Der Schulsenator erklärte, es gebe ein Budget für flexibles Mobiliar, um Räume gemütlicher zu machen. Zur Beratung der 204 Schulen sei außerdem ein Architekt eingestellt worden.

Einen übergangsweisen Erhalt von Horten in Ausnahmen bei größten Schwierigkeiten, wie  zB. bei Baumaßnahmen in der Schule Kleiner Kielort, werde er noch einmal prüfen, erklärter er dann, aber es sei „ein klares Ende“ der Horte gegeben. Er machte deutlich, dass dem Ganztagsbetrieb der Schule der Vorzug eingeräumt würde, wenn er „ohne große Schwierigkeiten“ forgesetzt werden kann.

Ties Rabe zu Produktions- und anderen Küchen, Kantinen und Mittagessen

In puncto Küchen und Kantinen erklärte Ties Rabe, es gebe viele Caterer von unterschiedlicher Qualität. Fachleute hätten ihm erklärt, dass durch schnelles Abkühlens, beim sog. „Cook and Chill“ Vitamine geschont würden. Es seien durchaus Provisorien denkbar, in denen Kinder in Klassenräumen essen,  auch wenn dies bei einigen Schulen strikt abgelehnt würde. Es sei aber „klüger, wenn sich Lehrer als Beteiligte mit an den Tisch“ setzten. Das wolle er aber nicht „jetzt schon“ als Vorschrift einführen.

Produktionsküchen seien ein Problem:  Zum einen sei die Anschaffung teuer und zum anderen müsse auch der Betrieb sichergestellt werden. Letzteres sei bisher häufig über Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen „querfinanziert“ worden, weil es anders „ wirtschaftlich bisher nicht funktioniert“ habe. Es müßten aber Hygienevorschriften von Gesundheitsämtern beachtet werden, der Betrieb sei nur sichergestellt, wenn es eine große Stückzahl von Schulessen gebe, z.B. bei Kooperationen von mehreren Schulen. Den Einwurf von Eltern, dass das bei Kitas bisher auch geklappt habe, wies er zurück. Er sei nicht sicher, dass dort auch der Einbau von Duschen sichergestellt war. Eltern, die das genauer recherchiert haben, kamen jedoch zu anderen Ergebnissen: Duschen seien nicht unbedingt nötig und die Produktionsküchen seien ab ca. 200 Essen rentabel.

Zur Kritik an der Benachteiligung der GTS mit schulischer Verantwortung gegenüber der GBS erklärte Ties Rage, die GBS bestehe ja aus Schule und außerschulischem Träger, für die besondere Kooperationszeiten nötig seien. Die gelte aber nicht für die GTS , bei der ja die Schule für den ganzen Tag selber zuständig sei. Kooperationszeiten seien dort nicht nötig, „die reden ja mit sich selber“, erklärte er, worauf  in den Besucherreihen die „Chuzpe“ des Schulsenators kritisiert wurde. In puncto Gleichstellung der  Schulen in Freier Trägerschaft gebe es noch Beratungsbedarf, da „sei man noch nicht am Ende“, erklärte Ties Rabe.

Die Verzahnung von Jugendhilfe und Schule solle auf Regionalen Bildungskonferenzen geplant werden. Auf die Kiritik an den Einsparungen des Senats bei Einrichtungen der Kinder- und Jugendarbeit ging der Schulsenator nicht näher ein.

Resümee

So wiegelte Ties Rabe mit langen, schönen Worten und vielen Absichtserklärungen die Kritik der Eltern und Betroffenen Punkt für Punkt  ab. Das seien eben die „Anlaufprobleme bei der Umsetzung der Ganztagsangebote“. Diese komme aber bei den Eltern offensichtlich gut an, so auch seine Erklärung auf Fragen eines Fersehreporterters nach der Anhörung.

Worauf Schulsenator Rabe aber nicht einging, war die grundsätzliche Kritik von Eltern, Lehrern, Schulleitern und Vertretern der Verbände an der Qualität der Ausstattung für seine neuen Ganztagsschulen. Kritik, wie sie auch von den Eltern des Vernetzungstreffens geäußert wurde. Und dabei können sich die Eltern und Betroffenen auf Ganztagsschulexperten wie Stefan Appel, den langährigen Präsidenten des Deutschen Ganztagsschulverbandes berufen, die immer wieder betonen, dass für qualitativ gute Ganztagsschule besondere räumliche und personelle Anforderungen erfüllt werden müssen.  „Wenn man Ganztagsschule nur in Klassenräumen organisiert, wird es nichts werden.“, so Stefan Appel im Jahr 2010. http://www.ganztagsschulverband.de

Allerdings – den Vergleich mit der besseren Betreuung in den Horten werden schon bald immer weniger Eltern haben. Sie stecken jetzt mittendrin im neuen Ganztagsschulsystem. Und das erklärt vielleicht auch den Unterschied zwischen den zwei GBS/GTS Veranstaltungen. Eltern haben keine Wahl mehr, und sind auch mit ihrer Kritik vorsichtiger geworden. Zurecht, wie eine kritische Mutter nach der Anhörung berichtete. Sie wurde, als sie Kritik äußerte, in ihrer Schule ausgegrenzt. In einem anderen Fall wurde ein Vater, der deutliche und offenbar äußerst berechtigte Kritik äußerte, vom Elternrat zurückgerufen, als er seine Kritik öffentlich machen wollte.  

Umso mehr beeindruckt die ruhige und offene Art der Kritik von Gabriele Ellerbeck. In Hamburg sei jetzt eine „Monopolstellung“ der Ganztagsschule bei der Betreuung von Kindern am Nachmittag entstanden. „Wenn die Betreuung nicht gut ist, kann ich nicht wechseln“, sagte sie. Eine mangelnde Qualität der Betreuung will sie trotzdem nicht hinnehmen.

„Überraschter“ Schulsenator: Die „freiwillige“ Ganztagsschule und ihre Zukunft

5 Jun

Wer sich in diesen Tagen zum Thema Ganztagsschule auf den Spuren des Schulsenators von Termin zu Termin begibt, hört immer wieder zwei Worte: „überrascht“ und „freiwillig“ So auch bei der Pressekonferenz von Ties Rabe am Dienstag. „Uns überrascht die ungewöhnlich hohe Teilnehmerzahl“, erklärte der SPD Schulsenator. Schulkonferenzen fast aller Grundschulen in Hamburg hätten sich „mit unglaublichem Schwung…sehr klar“ und freiwillig für die Umwandlung in Ganztagsschule entschieden, insgesamt 197 von 204 Grundschulen in Hamburg würden voraussichtlich ab 2013/14 „ein Ganztagsschulangebot haben“.

Weniger „überrascht“ als der Schulsenator sind betroffene Eltern und Schulen. Auch das Wort „freiwillig“ hat für sie einen doppelten Boden. Denn Behörden und Senator hatten im letzten Jahr mit der Ankündigung, Hamburgs Horte bis 2013 zu schließen, alle Eltern, die für ihre Kinder eine Nachmittags-Betreuung brauchten, massiv unter Zeitdruck gesetzt. Die „zeitliche Entschleunigung“ der Ganztags-Schulreform, die in diesem Frühjahr vom Schulsenator eingeräumt wurde und nach der die Horte unter bestimmten Bedingungen noch bis 2015 bestehen können, kam für die allermeisten Eltern und Grundschulen zu spät. Ihre Umwandlung in Ganztagsschulen war schon auf den Weg gebracht, aus Sorge, dass Eltern andernfalls ganz ohne Betreuung für ihre Kinder dastehen könnten.

Die neuen Ganztagsschulen hätten sich in den allermeisten Fällen für ein „freiwilliges Angebot“ entschieden, erklärte Schulsenator Rabe. 45 Prozent der Schüler an insgesamt 63 Ganztagsschulen, die ab August die Ganztägige Bildung und Betreuung, GBS, anbieten, hätten einen Ganztagsplatz von 13 bis 16 Uhr beantragt. Dabei gebe es starke Schwankungen, von 10 Prozent Teilnehmerquote in einer Schule in Wandsbek bis zu einer Teilnehmerquote von 76 Prozent in einer Schule in Winterhude. Die Schwankungen gingen durch alle Stadtteile, unabhängig von sozialen Unterschieden.

Insgesamt 121 Schulen würden bis zum Schuljahr 2013/14 in GBS-Ganztagsschulen mit außerschulischen Trägern umgewandelt, 76 Grundschulen würden Ganztagsschulen in schulischer Verantwortung. Auch die weiterführenden  Schulen würden zu Ganztagsschulen ausgebaut, ab 2013/14 seien 46 von 56 Stadtteilschulen ebenfalls Ganztagsschulen, und auch 27 von 45 Sonderschulen würden bis 2013/14 Ganztagsschulen. Die Gymnasien seien schon seit Einführung des G8 „Ganztagsschulen besonderer Prägung“. Auch dort würden Mittel für den Ausbau von Ganztagsangeboten bereitgestellt, um den Wegfall der Horte für Kinder bis 14 Jahre auszugleichen. Soweit die Zahlen.

Spannend war die Antwort des Senators auf die Frage eines Journalisten, ob er als nächsten Schritt nach Einführung der flächendeckenden Ganztagsschulen deren Umwandlung in gebundene Ganztagsschulen plane.

Der Journalist bezog sich auf die Empfehlung einer neuen Studie der Bertelsmannstifung, die ebenfalls am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde. Die gebundene, für alle Schüler verbindliche Ganztagsschule biete demnach gegenüber der offenen Ganztagsschule „die besseren Rahmenbedingungen, um jedes Kind individuell zu för­dern“, so Jörg Dräger, Vorstandsmitglied der Bertelsmann Stiftung. Er widersprach damit allerdings dem Ergebnis einer wissenschaftlichen Studie des eigenen Hauses, die erst vor wenigen Wochen vorgestellt worden war: Offenbar gelinge es auch „Ganztagsschulen bisher nicht, den viel zitierten straffen Zusammenhang zwischen der Herkunft der Schüler und deren Leistung zu entkoppeln”, so das Ergebnis des „Chancenspiegels“ der Bertelsmann Stiftung und des Instituts für Schulentwicklungsforschung (IFS) an der TU Dortmund. http://www.chancen-spiegel.de/downloads-und-presse.html?no_cache=1  und  http://www.bertelsmann-stiftung.de/cps/rde/xchg/SID-5B948D67-DE2532A4/bst/hs.xsl/nachrichten_112530.htm.

„ Nein“, antwortete der Schulsenator auf die Frage des Journalisten, “dies sei unsinnig und überflüssig“. Es gebe Menschen, die wollten ganztägig rhythmisierten Unterricht und gebundene Ganztagsschule. Doch das könne genau den gegenteiligen Effekt haben, der Ganztagsausbau komme so nicht in Gang, stattdessen werde es bei Eltern einen „berechtigt Widerstand“ geben. Er wolle aber einen „vernünftigen Ausbau“ der Ganztagsschule, so der Schulsenator.

Widerstand und Misstrauen bei Eltern und Oppositionspolitikern hat Ties Rabe in dieser Frage allerdings selbst ausgelöst, indem er die bisher im Hamburgischen Schulgesetz vorgesehene „Offene Ganztagsschule“ in seinem neuen Schulgesetz ersatzlos gestrichen hat. Das neue Gesetz soll ab August in Kraft treten.  Damit werde das  Recht von Eltern und Kindern auf eine offene, also halbtägige Schule in einer für sie erreichbaren Nähe abgeschafft, so die Kritik der CDU.  Aussagen von führenden SPD Politikern am vergangenen Donnerstag bei einer SPD Veranstaltung zum Thema Ganztagsschule könnten das Misstrauen vieler Eltern bestärken. „Wir machen in Hamburg die Tür weit auf, für die Ganztagsschule“. Das Ziel: “von der Krippe bis zum Abitur ganztägige Betreuung“, das erklärte der schulpolitische Sprecher der SPD Fraktion in der Bürgerschaft, Lars Holster, dort. Und er fügte hinzu, „wir wollen die richtige Ganztagschule“ . also die gebundene Ganztagsschule.  GBS solle noch „nicht das Ende sein“, sondern  „der Anfang“.  

Während Ties Rabe an diesem Abend noch betonte, er setze bei  der Ganztagsschule auf Freiwilligkeit, anstelle der rhythmisierten, gebundenen Ganztagsschule, erklärte dagegen die frühere SPD-Bundesbildungsministerin Edelgard Bulman: Die Erfahrung zeige, wenn ein offenes System gut laufe, dann werde auch das gebundenen System folgen, „das wird auch in Hamburg kommen“ , so die SPD Politikerin,  die 2002 das vier Milliarden-Euro-Investionsprogramm des Bundes für die Einführung von Ganztagsschule gestartet hatte.  Zielsetzung sei die „rhythmisierte Form der Ganztagsschule“.

Ebenfalls Thema der Pressekonferenz mit Ties Rabe: Die Mittel für den Ausbau der Ganztagschule. Für den Ausbau müßte Hamburg  jährlich rund 172 Millionen Euro zusätzlich aufbringen, so die Forderung der Bertelsmansstiftung.  http://www.abendblatt.de/politik/deutschland/article2297784/172-Millionen-Euro-fuer-mehr-Ganztagsschulen-noetig.html

Die bisherigen Horte seien von der Sozialbehörde mit 110 Millionen Euro finanziert worden, plus ca. 10 bis 15 Millionen aus den Gebühren der Eltern. Diese Summe werde nun für die Ganztägige Bildung und Betreuung, GBS, und andere ganztägige Angebote für Schüler bis 14 Jahren, zur Verfügung gestellt, erklärte Ties Rabe. Zwar werde die Zahl der Schüler in der Nachmittagsbetreuung der Schulen um 10 000 auf 30 000 Schüler steigen, erklärte er, die Mittel seien aber trotzdem ausreichend, da die bisherigen Ausgaben für die Gebäude der Horte künftig in den Schulen wegfielen.

Das passt allerdings kaum zu früheren Erklärungen des Schulsenators. Demnach rechneten „Schul- und Sozialbehörde … mit 40.000 Kindern“ in der künftigen Nachmittagsbetreuung in den Grundschulen. http://www.ganztagsschulen.org/13720.php Außerdem entstünden künftig auch in den Schulen durch den Nachmittagsbetrieb zusätzliche Gebäudekosten, ua. für Reinigung, Nutzung und Miete, erklärten betroffene Eltern auf Nachfrage von Kirschsblog. Sie kritisieren die deutliche Verschlechterung der Qualitätsstandards der künftigen Ganztagsschulen im Vergleich zu den Horten. In den Ganztagsschulen gebe es schlechtere Betreuungsschlüssel, es fehle an qualifizierten langfristig beschäftigten  Bezugspersonen, es mangele an eine qualitativ guter Ausstattung mit Sachmitteln, Ruhe-, Kurs- und Toberäumen, Platz zum freien Spiel, sowie Kantinen.

Die Hälfte der im August startenden Ganztagsschulen werde spätestens bis zu den Herbstferien eine Kantine haben,  für die Übrigen werde es mithilfe von Caterern Übergangslösungen, wie Essen in Klasssenräumen oder Pausenhallen geben, so erklärte Schulsenator Rabe abschließend.

Ganztagsschulen: Qualität unklar, Eltern verunsichert, Kantinen-Baustellen überall – aber Senator zelebriert Selbstzufriedenheit“ , so das Resumee der schulpolitischen Sprecherin der FDP Fraktion, Anna von Treuenfels, nach dieser Pressekonferenz.

Ganztagsschule kann für Familien teurer als Hort werden: Die Versprechen des Schulsenators und Berechnungen von Grundschuleltern

10 Mai

Sie sei sprachlos, so eine betroffene Mutter: „Wir zahlen ab Sommer im Monat über € 35,00 mehr für ein schlechteres Angebot – und das wird uns als „kostenlose Nachmittagsbetreuung“ verkauft „ Bis zum Mittwoch nächster Woche sollen Eltern von 50 Grundschulen, die ab August in Ganztagsschulen mit ganztägiger Bildung und Betreuung (GBS)  umgewandelt werden, ihre Anträge auf Teilnahme am Ganztag der Grundschulen abgeben. Die betroffene Mutter hat sich nach den Informationen und Gebührentabellen von Schulsenator und Behörde ausgerechnet, was ihre Familie künftig für die Nachmittagsbetreuung an der Schule zahlen sollen.  Was sie sprachlos macht:

„In der künftigen Ganztägigen Bildung und Betreuung an den Grundschulen zahlt niemand mehr als im Hort“, so hat Schulsenator Ties Rabe immer wieder versprochen. Nach der Umwandlung aller Hamburger Grundschulen in Ganztagsschulen und der Abschaffung aller Horte werde die Nachmittagsbetreuung von 13 bis 16 Uhr werde  kostenlos sein, nur die Mittagessen müssten bezahlt werden. Gebühren werde es nur für die Spät und Frühbetreuung vor 8 und nach 16 Uhr  und  für die Betreuung in den Ferien.  Sollte  in einem Einzelfall“ doch jemand mehr als im Hort bezahlen, „dann gibt es das Geld von uns zurück.“ , so das Versprechen des Senators. https://kirschsblog.wordpress.com/2012/02/13/nach-der-gruppengrose-wurde-nicht-gefragt-schulsenator-stellt-ergebnis-einer-befragung-von-gbs-pilostschulen-und-neues-gebuhrensystem-gestellt/   und  http://www.mopo.de/politik/die-neue-gebuehrentabelle-ist-da-so-viel-kostet-die-ganztagsschule,5067150,11632148.html

Was die Berechnungen der betroffenen Mutter für Nachmittagsbetreuung an ihrer Schule ergaben:

Die Betreuung zwischen 13 und 16 Uhr sei zwar künftig wirklich kostenlos. Aber das Mittagessen „schlage mit 3,50 Euro zu Buche – und ist (im Gegensatz zu den bisherigen Betreuungskosten) nicht von der Steuer absetzbar“, so die Mutter. Ihre Rechnung. Bei 230 Tagen, die Wochenenden und „großzügig“ sechs Wochen Ferien abgezogen, ergibt das

805 Euro im Jahr.

Teuer werde aber vor allem die Ferienbetreuung. Jede Woche koste 90 Euro. Und – was viele Eltern zusätzulich aufregt, der Bedarf für das Schuljahr 2012 und 13 ist jetzt schon bei der Anmeldung festzulegen. „Wir rechnen hier optimistisch damit, dass wir neben den drei Wochen Schliesszeit des Hortes weitere drei Wochen andere Lösungen finden; bei insgesamt 12 Wochen Schulferien im Jahr bleiben dann sechs Wochen Ferienbetreuung…. Also insgesamt 540 Euro im Jahr“. Ihre Gesamtkosten für ein Schuljahr: 1345 Euro im Jahr.

Im Monat ergibt das 112 Euro.

Dagegen rechnet diese Mutter ihre derzeitigen Betreuungskosten für den Hort vor:

Sie zahlt derzeit für die Nachmittags-Betreuung im Hort bis 15 Uhr 77 Euro.

Das ist der Höchstsatz für zwei Stunden Betreuung und beinhaltet Mittagessen und Ferienbetreuung inklusive. Die gesamten Kosten kann die Familie ausserdem „steuerlich geltend machen“.

Insgesamt zahlt diese Familie also für die Ganztagsschule mit GBS 35 Euro mehr pro Monat als vorher im Hort.

Sie benötigt nur zwei Stunden Betreuung am Nachmittag, bei GBS soll diese „Flexibiltät“ der Abholzeit künftig auch möglich sein. Doch selbst bei drei Stunden Hortbetreuung wären, so die Zahlen des „Bildungsberichts 2011“ der Schulbehörde, die monatlichen „Leistungsentgelte für Horte im  Kita-Gutschein-System“ mit 87 Euro pro Monat noch 25 Euro niedriger,  als bei einer dreistündigen Betreuung in der Ganztagsschule mit GBS nach den von Ties Rabe und Schulbehörde vorgesehenen Gebühren. (http://www.bildungsmonitoring.hamburg.de/index.php/file/download/1606)

Was diese Mutter besonders empört, die Rahmenbedingungen bei GBS sind deutlich schlechter als in den Horten. Das betriff ua. den Betreuungsschlüssel: Künftig soll 23 Kinder von einem Erzieher betreut werden, in sozialen Brennpunkten 19. Im Hort der Betreuer Kind Schlüssel betrug vorher dem amtlichen “ Bildungsberichts 2011″ zufolge  für drei Stunden Hort 13,87, demnach wurden rund 14 Kinder im Durchschnitt von einem Erzieher betreut. Auch die übrigen Rahmenbedingungen für GBS werden von Eltern seit Bekanntwerden der Details massiv kritisiert:  Das Fehlen von pädagogischen Fachkräften und festen Bezugspersonen,  fehlende Ruhe- oder Gruppen- Räume. Spiel- und Tobe -Flächen, mangelhafte Raum-Ausstattung, fehlende Kantinen und unzureichenden Ausbaupläne, bei denen Essen nur unter Raum- und Zeitmangel möglich ist, fehlende Produktionsküchen für frisch zubereitetes Essen, die Einschränkung von Freiräumen am Nachmittag für Kinder und Familienzeit, zB. für Eltern in Schicht- oder Teilzeit oder für die Nutzung von Jugendhilfeangeboten.

Empörung löste bei Eltern am Donnerstag auch die von Ties Rabe vorgesehene Regelung aus, dass Eltern mit niedrigeren Einkommen für Zuschüsse zum Mittags-Essenspreis eine detaillierte Einkommensteuererklärung abgeben müssen, die auch die Lieferanten des Schulessens erhalten sollen. „Schulen informieren Firmen über Eltern-Einkommen“, titelte gestern das Abendblatt, demzufolge 30.000 Schüler davon betroffen wären. http://www.abendblatt.de/hamburg/article2272084/Schulen-informieren-Firmen-ueber-Eltern-Einkommen.html

Nachdem sie die Mehrkosten von 35 Euro für die GBS Betreuung ausgerechnet hatte, erinnerte sie sich an das Versprechen des Senators, diese Mehrkosten zurückzuerstatten. Sie fragte beim Schulamt nach. Was man ihr dort mitteilte, machte die Mutter erneut sprachlos. Der Fall einer zweistündigen Nachmittagsbetreuung sei nicht vergleichbar mit der dreistündigen bei GBS, die Rückerstattung sei nur für eine dreistündige Betreuungszeit am Nachmittag vorgesehen, die Mehrkosten würden deshalb nicht erstattet. Außerdem: Bei dreistündiger Betreuung wäre GBS billiger.

 „Keiner zahlt mehr“: heißt es in der betreffenden Passage der amtlichen „Mitteilungen des Senats an die Bürgerschaft zur Weiterentwicklung von ganztägigen Angeboten an Schulen“ in der Drucksache 20/3642 vom 27.3.2011. „Ein „Ausgleich etwaiger Gebührenmehrbelastungen im GBS System“ ist darin ausdrücklich vorgesehen, eine Einschränkung in punkto Stundenzahl wird nicht erwähnt.  Allerdings taucht dort eine andere Einschränkung auf, die die Eltern beunruhigt:

„Die Ermäßigung wird maximal bis zur Höhe des zuletzt im Gutschein angesetzten Hortbeitrags gewährt. Zur Ermittlung der höheren Gebühr wird die von den Eltern nachgewiesene durchschnittliche Essensbuchung herangezogen, heißt in den Senatsmitteilungen. https://www.buergerschaft-hh.de/Parldok/Cache/AD626126BAF4C8C08D0107A0.pdf

Wer Rückzahlungen beantragen will, braucht demnach einen Kita-Gutschein des bisherigen Hortbeitrags. Die Sorge der Eltern: Kinder, die vorher keinen Hort besucht haben, und das werden schon bald alle Grundschüler sein, hätten demnach keinen Anspruch auf Rückzahlungen, wenn GBS teurer wird als die bisherigen Horte. Sie gingen dann leer aus: Das Versprechen „keiner zahlt mehr“ des Schulsenators wäre mit dieser Einschränkung schon in absehbarere Zeit wertlos.

 Nachtrag: Massive Kritik äußern die Eltern auch an der Informationspolitik von Senator und Schulbehörde. Während die Antragsfrist bald abläuft, bleiben viele Fragen offen. Nur ein Beispiel: Wie sollen Eltern bei der Anmeldung im August wissen, wann und vieviel Ferien sie im kommenden Jahr machen können, was ist, wenn sie weniger Ferienbetreuung benötigen als geplant,  bekommen sie das Geld zurück? Und was ist, wenn Eltern mehr Ferienbetreuung benötigen als ursprünglich geplant.