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Erschreckende Zahlen: 50 bis 75 Prozent der Schüler der Klassen 3, 5, 6 und 8 im untersten Leistungsbereich – Überlastungsanzeige von Schulleitern von 14 Elbinselschulen!

10 Dez

50 bis 75 Prozent der Drittklässler sollen in Mathe, in Deutscher Sprache, Sprachgebrauch und Leseverständnis unterhalb des Mindeststandards liegen – auch 50 bis 70 Prozent der Stadtteilschüler der Klassen fünf, sechs und acht liegen im unteren Leistungsbereich.  Die Schüler sollen demnach „bis zu zwei Jahren feststellbare Lernrückstände“ aufweisen.

Erschreckende Ergebnisse von Hamburger Grund – und Stadtteilschulen, die heute aus verlässlicher Quelle auf Facebook kursierten.  Sie sind Kern eines Brandbriefes von 14 Schulleitern der Elbinselschulen, in dem die Schulleiter auch im Namen der „Kolleginnen und Kollegen“ eine „Überlastungsanzeige“ anmelden. Dies wurde heute nach Veröffentlichungen von Auszügen aus dem Brief gegenüber Journalisten von der BSB bestätigt. Die „Grenzen der Belastbarkeit“ seien „erreicht“, so heißt es in dem Schreiben, ihre Schulen würden „unter diesen Bedingungen““ ihren „gesellschaftlichen Aufgaben nicht mehr gerecht“. Grund:  Das „mangelhafte Vorläuferwissen“, „Erziehungsdefizite“ und  „verschiedenste Förderbedarfe“ der Schüler ergäben eine „zusammengesetzte Heterogenität“ der Schülerschaft, die zu einer „pädagogischen Farce“ im Gegensatz zu den Ansprüchen und Erwartungen des traditionellen staatlichen Schulwesens“ führe.

Grundlage dieser Zahlen sind vermutlich die Ergebnisse des Kompetenzfeststellungstests, „Kermit“ von Anfang September diesen Jahres, über den auch Kirschsblog berichtet hatte. Es handelt sich bei de Tests nach Auskunft der Homepage des Landesinstituts für Lehrerbildung und Schulentwicklung  um ein „System zur Erfassung der Kompetenzentwicklung“. Die „Erhebungen orientieren sich an den Inhalten der Hamburger Bildungspläne in Deutsch, Mathematik, Englisch und Naturwissenschaften.“ so wird dort weiter informiert.  (http://li.hamburg.de/qualitaetsentwicklung-standardsicherung/2855898/aktuelles-liq.html)Zusätzlich Zusätzlich zu schon länger „bundesweit durchgeführten Lernstandserhebungen“ in Klasse 3 und 8, so das Landesinstitut, gab es demnach in Hamburg neue Tests,“in Ergänzung zu den bisherigen Tests“, bei denen „Kompetenzfeststellungen in den Jahrgangsstufen 5, 7 und 9 durchgeführt“ wurden.

Auf Facebook wurde jetzt Zitate veröffentlicht, die aus dem Brief der Schulleiter stammen sollen:  „Viele Schülerinnen und Schüler aller Grundschulen (…) liegen in allen Kompetenzbereichen etwa zwei Jahre hinter dem Schnitt aller Hamburger Grundschüler. Hiernach liegen ca. 50% bis 75% des dritten Jahrgangs unterhalb des Mindeststandards in den Kernkompetenzen Mathematik, deutsche Sprache und Sprachgebrauch sowie Leseverstehen. Mit diesen Ergebnissen liegt der Anteil nochmals weit über dem der Ergebnisse der jüngsten Grundschulstudie. Damit befinden sich diese Schülerinnen und Schüler auf „Erstklässler Niveau“, lediglich 1 – 3% sich auf der Kompetenzstufe V, der höchsten Stufe.“…. „Darüber hinaus beschulen wir eine große Zahl von Schülerinnen und Schülern mit verschiedensten Förderbedarfen (zum Beispiel sonderpädagogischen Förderbedarf), die mit geringer Regelakzeptanz, erheblichen Erziehungsdefiziten und mangelhaftem Vorläuferwissen in die Schulen kommen. Die so zusammengesetzte Heterogenität führt zu einer „pädagogischen Farce“ im Gegensatz zu den Ansprüchen und Erwartungen des traditionellen staatlichen Schulwesens. (…) Diese Herausforderung ist verbunden mit einem zusätzlichen zeitlichen und persönlichen Aufwand, der aus professioneller Sicht uns Schulleiterinnen und Schulleiter veranlasst eine Überlastungsanzeige – auch im Namen der Kolleginnen und Kollegen – anzumelden. Grenzen der Belastbarkeit sind erreicht. Unter diesen Bedingungen werden unsere Schulen ihren gesellschaftlichen Aufgaben nicht mehr gerecht!“ „(…) Die Ergebnisse aller Jahrgänge der Primar- und Sekundarstufen und der Abschlussberechtigungen weisen auf nur bedingt kompatible Kompetenzen und Wissensstände für den Arbeitsmarkt hin. Dies gilt gleichermaßen für den tariflich organisierten Arbeitsmarkt wie für die Niedriglohnsektoren.(…)“
„Ohne hinreichend entwickelte Vorläuferfähigkeiten können weder der Lese- und Schreib- noch der mathematische Lernprozess erfolgreich verlaufen. Die vielfältigen Bildungsaktivitäten der Schulen (…) ändern offensichtlich daran nur wenig. Unter den gesetzten Bedingungen (politisch, administrativ, strukturell sowie inhaltlich) kann diese Abhängigkeit lediglich ansatzweise ausgeglichen werden. Nahezu jedes Engagement wird durch diese bestehenden Rahmenbedingungen konterkariert.
Ein Anteil von ca. 40% der Schülerinnen und Schüler (…), der sich durchgehend (Jahrgänge 5-10) im unteren Leistungsdrittel befindet, hat kaum Chancen in den regulären Arbeitsmarkt zu kommen. Wenn überhaupt, dann im alimentierten Niedriglohnsektor.“

Ein weiteres Zitat: „In  den untersuchten Jahrgängen der Stadtteilschulen (…) liegt der Anteil  der Schülerinnen und Schüler im unteren Leistungsbereich zwischen 50 –  70%. Sie weisen große – bis zu 2 Jahren feststellbare – Lernrückstände auf. Unruhe, Überforderung, Sprach-, Wissens- und Erziehungsdefizite, Verhaltensoriginalitäten und soziale Auffälligkeiten prägen einen nicht unerheblichen Teil unserer Schülerschaft. Lernleistungen fallen mager aus. In den untersuchten Jahrgängen 5, 6  und 8 befinden sich nur ca. 2%  der Schülerinnen und Schüler im oberen Leistungsbereich.“

Was ist Kermit?- Neue„Kompetenz“ Tests in Hamburgs Schulen verunsichern Eltern und Schüler:

4 Sept
Was wird getestet?  – Warum fällt für neue Tests stundenlang Unterricht aus? – Und warum streicht Ties Rabe Lehrergespräche mit Eltern über die Lernentwicklung ihrer Kinder?
 

Vier Stunden lang soll ihre 10 jährige Tochter heute, am Dienstag, in der fünften Klasse ihres Gymnasiums getestet werden,  ganze vier Wochen nach Schulbeginn, berichtet eine Mutter. Fünf Stunden soll eine Siebtklässlerin in einer anderen Hamburger Schule geprüft werden, berichtet eine weitere Mutter. „Kermit“ heißt der Test der beiden Schülerinnen und das bedeutet: „Kompetenzen ermitteln“, so die Erklärung des Hamburger Landesinstituts für Lehrerbildung und Schulentwicklung (LI) auf seiner Homepage. Aber was wird da genau getestet, fragen sich die Eltern! Muß ihre Tochter daran teilnehmen, so die Mutter der Siebtklässlerin. Klar ist nur:  Der Unterricht fällt vier bis fünf Stunden aus.

Dabei  hatte Schulsenator Ties Rabe erst gestern mit einem Brief an alle Lehrer der Stadt scharfe Kritik von Eltern und Opposition auf sich gezogen, weil er darin die Streichung des zweiten verbindlichen Lernentwicklungsgesprächs (LEG) der Lehrer mit den Eltern angekündigt hatte. Ties Rabes begründet das in einer Pressemitteilung: Er wolle so die Lehrer entlasten: „Statt immer mehr zu prüfen und zu verwalten“ sollten sich die Lehrer künfig „wieder stärker auf guten Unterricht konzentrieren“. http://www.hamburg.de/pressearchiv-fhh/3584638/2012-09-03-bsb-arbeitsentlastung-fuer-lehrkraefte.html

Kermit irritiert Eltern und gibt viele Rätsel auf. Worum geht es in dem Test? Werden die Schüler auf „Kompetenzen“ in Mathe, Biologie oder Sprachen geprüft? Geht es um andere „Kompetenzen“? Was geschieht mit den Ergebnissen, werden die Eltern darüber informiert, kommen sie in Schülerakten?  Warum werden Zehnjährige überhaupt so viele Stunden getestet und welchem Zweck dient der stundenlange Arbeitseinsatz von Lehrern für einen Test von Schülern,  die gerade einmal vier Wochen Unterricht im neuen Schuljahr oder in einer neuen weiterführenden Schule  hatten.

Aufklärung und Transparenz für Eltern findet beim Thema Kermit  nicht statt – stattdessen erhalten einige Eltern einen Link zur Homepage des Landesinstitus LI. Auf der Homepage läßt sich Spannendes entdecken. Auf einer Graphik sieht man Kästchen mit Kermit-Tests übereinander getürmt, die sich von Klasse eins bis Klasse neun hochranken: Es handele sich um ein „System zur Erfassung der Kompetenzentwicklung“, heißt es im Begleittext .  (http://li.hamburg.de/qualitaetsentwicklung-standardsicherung/2855898/aktuelles-liq.html)

Das Spannende: Zusätzlich zu schon länger „bundesweit durchgeführten Lernstandserhebungen“ in Klasse 3 und 8, so erklärt das Landesinstitut, gibt es neue Kermit-Tests für das Schuljahr 2012/13. In „allen Hamburger Stadtteilschulen und Gymnasien“ sollen demnach in Ergänzung zu den bisherigen Tests mit Beginn dieses neuen Schuljahrs „Kompetenzfeststellungen in den Jahrgangsstufen 5, 7 und 9 durchgeführt“ werden. Bei diesen neuen Kompetenzfeststellungen handelt es sich offenbar um jene Kermits, über die die Mütter irritiert berichtet hatten.

Das dürfte die Irritation von Eltern noch verstärken: Warum beklagt Schulsenator Rabe in seiner Presseerklärung, dass Lehrer „immer mehr prüfen und zu verwalten“…statt zu unterrichten, führt aber laut Homepage des LI gleichzeitig neue Tests ein – während er – ebenfalls gleichzeitig  – mit der Begründung der Arbeitsentlastung von Lehrern das zweite verbindliche Lernentwicklungsgespräch streicht? Was diese Streichung bedeutet, hat die Hamburger Elternkammer in einer scharfen Kritik klar gemacht: Die Lernentwicklungsgespräche seien aus Sicht der Eltern „ ein besonders effektives Mittel, Informationen über das Fortkommen ihres Kindes in der Schule, das Verhältnis zu seinen Mitschülern und sein Sozialverhalten zu erhalten“. Diese Gespräche seien „unverzichtbar“. Hinzu kommt, dass der Schulsenator auch „die obligatorischen Lernentwicklungsblätter für alle Schülerinnen und Schüler … ab dem Schuljahr 2012/13“ abschaffen will und dazu erklärte, die „Lernentwicklung der Schüler“ werde über Elternsprechtage, Zeugnisse und Lernentwicklungsgespräche „ausreichend reflektiert und dokumentiert.“

Auf der Homepage des LI erfährt man noch ein wenig mehr über die Kermit-tests: Kermit 5 in Klasse Fünf zum Beispiel dient demnach „der  Ermittlung der Lernausgangslagen und der Leistungsermittlung in den neuen Klassen“, so wird auf der LI Homepage erläutert.

Bleibt die Frage, was bei Kermit nun so lange so genau getestet wird. Auf der LI-Homepage heißt es dazu:  Diese neuen „Erhebungen orientieren sich an den Inhalten der Hamburger Bildungspläne in Deutsch, Mathematik, Englisch und Naturwissenschaften.“ Und weiter: „Die KERMIT-Erhebungen dienen vor allem der Unterrichtsentwicklung und werden nicht benotet. Die Auseinandersetzung mit den Ergebnissen unterstützt die Lehrkräfte (einzeln und im Team) bei der Diagnose der erreichten Kompetenzen ihrer Schülerinnen und Schüler. Erwartungswidrige (positive und negative) Ergebnisse bieten Impulse für eine pädagogische Diskussion“

Viele Fragen von Eltern bleiben damit offen, was geschieht mit den Ergebnissen,  werden Eltern informiert, was bedeutet „erwartungswidrige positive oder negative Ergebnisse“, usw.

Klar ist: Bei Kermit dreht sich alles um Kompetenzen, einem Begriff, der sich auch sonst durch die gesamte Homepage des LI zieht.

Doch bei der Frage, was Kompetenzen sind,  wird es auf den LI-Seiten sehr kompliziert. In einem Aufsatz, der das Thema näher erklären soll,  wird auf jeden Fall deutlich, dass „Kompetenz“ in der Pädagogik ein schwer greifbarer Begriff ist. Es stammt demnach aus der Psychologie, hat sich in der Pädagogik seit den 70ger Jahren entwickelt, und ist seit Pisa „in aller Munde“, wird erklärt, dann wird der Text immer abstrakter. http://li.hamburg.de/contentblob/2876040/data/pdf-kompetenzen-und-bildungsstandards-im-fach-mathematik.pdf

An anderer Stelle ist schließlich auf der LI-Homepage davon die Rede, dass neben fachlichen Kompetenzen auch überfachliche, „weichere“ Kompetenzen von Schülern erfasst werden, die die Persönlichkeit und Verhalten von Schülern betreffen, zB. ihre Motivation, sowie ihre „soziale und lernmethodische Kompetenz“. Für die Ermittlung der fachlichen Kompetenzen haben demnach Universitäten  „normierte Tests“ entwickelt ,, für die überfachlichen Kompetenzen sind es die sogenannten „Einschätzungsbögen. Das Ganze, Tests und Einschätzungsbögen, heißt aber nicht Kermit, sondern nennt sich Keks: Kompetenz-Erfassung in Kita und Schule. Hier endet die Recherche.

Was Eltern allerdings interessieren wird: Werden Einschätzungbögen auch bei Kermit eingesetzt? Viele Fragen der Eltern bleiben also ungeklärt.

Das Thema Kompetenzen erhält aber für alle Schüler und Eltern in Hamburg schon in einigen Tagen noch größere Bedeutung. Schulsenator Rabe plant in einer großen Schulreform die Umstellung der Hamburger Schulen auf Kompetenzen und kompetenzorientierten Unterricht. Dies ist die Grundlage seines neuen „Orientierungsrahmen Schulqualität“, über den die Deputation der Schulbehörde am 19. September beschließen soll.

Doch was bedeutet das für Schule und Bildung. Wer bestimmt, was kompetent ist und welche Kompetenzen wichtig sind? Sollen Kompetenzen Inhalte oder humanistische Bildung ersetzen? Oder ist Kompetenzorientierung nur ein Bluff?

Der Frankfurter Professor Hans Peter Klein kommt auf Einladung des Elternnetzwerkes „Wir wollen Lernen“ nach Hamburg:  
Am 11. 9. antwortet er auf Fragen von Eltern und Interessierten.
 
Sein Thema:

„Der Bluff der Kompetenzorientierung“

 

In der Brecht Schule,  Norderstraße 163-165, nahe U-Bahn Berliner Tor oder  Hauptbahnhof.
Beginn 20 Uhr 
 
Der Link zur Einladung:
http://www.wir-wollen-lernen.de/wp-content/uploads/2012/09/Einladung_Forum_Bildung_20120911_Was_ist_gute_Schule.pdf