Im Jugendauschuss geht die „die Post ab“ – Die Demonstration gegen Kürzungen der offenen Kinder- und Jugendarbeit vor und im Rathaus.

30 Mai

 

„Auf dem „Baui“ darf ich selbst entscheiden, ob ich Fußball spiele, Feuer mache oder Hausaugaben. Ich habe die Sorge, dass ich diese Freiheit in der Ganztagsschule nicht mehr habe, und wir nur noch nach dem Stundenplan arbeiten müssen“.  Umut Gezer ist einer von zwei Jungs vom Bauspielplatz Bonnepark in Hamburg Bahrenfeld. Er brachte  auf den Punkt , worum es geht. Im Festsaal  des Rathauses stießen zwei Welten zusammen.  Die Welt des SPD Senats einerseits, nach dessen Willen künftig Kinder und Jugendlicbe  ganztags in Klassenräumen und auf Schulhöfenn unterrichtet und betreut werden sollen,  in den Schulen sollen auch  „sämtliche Nachmittagsangebote …stattfinden“ , so Ties Rabe vor wenigen Tagen. Auf der anderen Seite steht die Welt der „offenen Kinder und Jugendarbeit ,  deren Bauspielplätze, Kinderhäuser und Jugendtreffs von  Kindern und Jugendlichen  freiwillig besucht werden. In denen sie selbst bestimmen, was sie wann machen, und wie oft und wie lange sie dort bleiben.

Kinder und Jugendliche könnten sich nicht in gleichzeitig in Schulen und Einrichtungen der offenen Kinder- und Jugendarbeit aufhalten, so hatte Sozialsenator Detlef Scheele im Schulausschuss vor 8 Tagen die geplanten Kürzungen in Hamburgs Kinder und Jugendeinrichtungen begründet. Ingesamt geht es um 250 Einrichtungen , die von rund 30 000 Menschen genutzt werden. 10 Prozent der Mittel für diese Einrichtungen will der SPD Senat streichen, mindesten 3,5 Millionen Euro. Wie drastisch sich diese Kürzungen auf die eh schon von früheren Kürzungen betroffenen Bauis, Clubs und Familienzentren  auswirken, zeigen die ersten „Streichlisten“ aus Altona und Harburg, die ua die TAZ veröffentlicht hat. In Altona werden ua. vier Treffs für Jugendliche und zwei für Mädchen, der Baui Schanzenviertel und der Abenteuerspielplatz Hexenberg  die Kürzungen nicht überleben, in Harburg sind ua. 5 Spielhäuser bedroht, der Kindertreff Heimfeld und ein Bauspielplatz. 

Orange, die Farbe des Protests

Aus Protest gegen die Kürzungen hatte sich am Dienstag ca. 1500 Kinder und Jugendliche, Eltern, Mitarbeiter, Erzieher und Soziaopädagogen zu einem Demonstrationszug versammelt, darunter auch Oppositions-Politiker wie Christiopf de Vries, CDU. In einem Meer von orangenen Sicherheitswesten und T-Shirts, unter bunten  Plakaten und Bannern, zogen sie von Hauptbahnhof zum Rathaus. Auf den Stufen zum Eingang des Rathauses tanzten junge Breakdancer. Viele Jugendzentren seien von den Kürzungen betroffen, dies träfe wiederum viele Jugendliche aus vielen Nationen, auch Spanien ,  erklärte eine Tanz-Lehrerin , die in Hamburgs Jugendzentren Flamenco und Gitarre unterrichtet.

Protest-Breakdancer:Wir sind auf die Übungsräume der Jugendzentren angewiesen.

Die Jugendtreffs, Clubs, Zentren hätten oft weniger als zwei Vollzeitstellen, da gebe es kein Kürzungspotential, erklärte Volker Vödisch, einer der Organisatoren der Demonstration vom Netzwerk offene Kinder- und Jugendarbeit.  Seiner Einschätzung nach seien rund 50 Einrichtungen in ihrer Existenz gefährdet,  neben Spielhäusern und Jugendtreffs seien auch Kinder- und Jugendzentren sowie die Straßen-  und Sozialarbeit betroffen, erklärt der Sozialpädagoge und Vertreter der „Linken“ im Bezirk Altona. Die Begründung des SPD Sozialsenators überzeugt ihn nicht, er selbst habe jede Woche 150 Kinder aus 9 Schulklassen von Ganztagsschulen auf seinen Abenteuerspielplatz in St.Pauli, und zwar nachmittags  in der Zeit von 12.30 bis 15.30 Uhr.

Volker Vödisch vom Abenteuerspielplatz Brunnenhof in St.Pauli

Im überfüllten Festsaal des Rathauses, in den der  Familin- , Kinder- und Jugendausschuss der Bürgerschaft zur Anhörung geladen hat, drängen sich orangefarbenen Pulks von Kindern und Erwachsenen an Eingängen und Wänden  rund um die Stuhlreihen,  Kinder sitzen  Sozialsenator Scheele und den Abgeordneten des Ausschusses zu Füßen.  Klatschen und Johlen brandet auf. Kinder vom Spielhaus „Blaue Welle“ überreichen dem Ausschussvorsitzenden, Gunnar Eisold, 20.000 Unterschriften, die in ganz Hamburggegen die Kürzungen gesammelt wurden. 

Sozialpädagogen, Erzieher, Eltern, Jugendliche und Kinder treten vor das Mikrofon. Eine Mutter bedankt sich, dass Kinder durch die Offenen Jugendarbeit nicht auf der Straße stehen, dass sie  auch nach der Schule dort hingehen können. „Was soll ich ohne Kifaz, das Kinder und Familienzentrum machen, erklärt Suleiman Fatimcir, Vater von vier Kindern. Gerade werde seine Familie mit ihrem Jüngsten von einer Familienhebamme begleitet.“ Warum nimmt man denen etwas weg, die nichts haben“, fragt er unter Riesenapplaus.

„Unserer Arbeit wird der Boden entzogen, erklärt die Familiehebamme der Kifaz Barmbek Süd. Die Offene Arbeit mit Sozialpädagogen, ohne behördlichen Druck erzeuge ein vertrauensvolles Klima. Bei ihnen bedeuteten die die Kürzungen konkret den Verlust von einer Stelle und einigen Räumen. Der Leiter des Kinder und Familienzentrums Basch erklärt, die Ganztagsschulen könnten mit ihren Mitteln auch nicht helfen, „Wir können nicht Geld von der Schulen bekommen, die Familien kommen zu uns ins Haus“ , die angebliche Kompensation durch die Zusammenarbeit mit den Schulen funktioniere nicht. „Familien wenden sich oft verzweifelt an uns, unter anderem wegen der Behördenkultur!“ erklärt eine andere Vertreterin eines KifaZ. „Wohin mit den Kindern, lieber Vater Staat, wollt ihr noch mehr Kinder und Jugendliche auf der Straße sehen?“, fragt sie. “Wie passt das, an den Anfang eines anspruchsvollen Vorhabens“ , wie der Ganztags-Bildungsreform,  Kürzungen zu stellen und diese damit zu erschweren?

Eine Dolmetscherin beschreibt, sie sei einmal ohne Deutschkenntnisse aus Afrika in Deutschland angekommen, ihre Kinder seien damals gemobbt worden. Das Kinder- und Jugendzentrum habe ihr geholfen und habe „ Leute oganisiert, die das übersetzt haben“. Jetzt übersetzt sie dort selber afrikanische Sprachen. „Was ist den Leuten, die keine Deutsch verstehen?“ , fragt sie.

Eine Vertreterin der Kifaz Schnelsen, erklärt,  ihre Kifaz habe „keinen Cent übrig“.  Gerade Erwachsene kämen zu ihnen, mit Briefen, langen Formularen, die Hilfe beim Ausfüllen bräuchten.  Das habe “ massive Folgen“ für ihr Leben, es gehe darum, Wohnungen zu verlieren, Kinder zu verlieren, um Belange der Jugendämter. Sie kämen lieber freiwillig  in die Kifaz, wo sie zügig Hilfe fänden, „ohne gleich ein Fall beim Jugendamt zu werden“.

„Ohne Unterstützung der Kifaz wäre ich nicht soweit gekommen“, erklärt ein junger Mann, der gerade Abitur macht. In der Offenen Jugendhilfe  hätten viele Jugendliche die Chance,“sich fei zu entfalten und soziale Chancen aufzubauen“.  Die „NPD“ macht mehr für Jugendliche,  als der Hamburger Staat“, erklärt er, aber das müsse „unterbunden werden“. Mehr in Ganztagsschule zu stecken, mit vielen Klassen, den „ganzen Tag mit pubertierenden Kindern zu tun zu haben, das geht nicht“, sagt er und erhält viel Applaus. Er sei im Übrigen mit einer Jugendgruppe der offenen Jugendarbeit  in Schweden gewesen, er selbst hätte kein Geld für solche Ausflüge.

Eine junge Frau schildert später, sie sei zwei Jahre obdachlos gewesen,  die offene Jugendarbeit habe ihr geholfen, viele junge Mütter wüßte nicht wohin, hätten nicht einmal etwas zu essen. Das dürfe nicht sein.  Sie sei  Tänzerin, erklärt dann die junge Abiturientin aus der Gruppe der Breakdancer vor dem Rathaus, für sie und andere Tänzer gäbe es viel zu wenig Übungsräume, sie seien auf die Räume der Jugendzentren angewiesen. 

10 Prozent weniger, so ein anderer Redner, da blieben den Politikern zufolge  doch noch 90 Prozent. Doch  „Wenn  diese 10 Prozent wegfallen, habe ich nichts mehr, was ich den Jugendlichen anbieten könnte.“ Die Kinder, die hier heute versammelt seien, die hätten verstanden, was das bedeute, wenn es gelänge „zwei Kinder aus dem Morast“ zu ziehen.

Senator Scheele in den Reihen des Ausschusses am Kopf des großen Festsaales  blickt die Redner selten an, er tippt in sein Handy und blickt stumm vor sich auf den Tisch.

Die SPD schlage eine Umsteuerung der Angebote der offenen Kinderarbeit in Angebote und Finanzierung der „ Sozialräumliche Hilfen und Angebote (SHA)“, die dann aber als verbindliche Fälle bearbeitet und schriftlich erfasst werden müßten. Diese Umsteuerung hält inhaltlich nicht stand, erklärt eine Rednerin. Die „Austrocknung der offenen Kinder und Jugendarbeit“ zerstöre auch ihr besonderes Konzept. Ein Konzept, das auf Freiwlligkeit, Wertschätzung, Verschwiegenheit, Partizipation und Selbstbestimmung beruhe, den Grundprinzipen der offenen Angebote an Kinder und Jugendliche.

Sabine Kümmerle von Sozial- und alternativen Wohlfahrtsverband, Soal, erklärt schließlich, der Soal sei den Landesrahmenvertrag für die Ganztägige Bildung und Betreuung an den Ganztagsschulen nur eingegangen, weil „wir die offene Kinder- und Jugendarbeit als Partner dabei hatten“. Es sei eine Illusion, dass die GBS Ganztagsschulen mit ihren Mitteln die offene Kinder- und Jugendarbeit finanzieren könnten. Diese müssten selbst ausreichend finanziert werden, nur dann könnten die Strukturveränderung und GBS funktionieren.

Eine Rednerin betont am Ende noch einmal die Offenheit und Unkompliziertheit des freiwilligen und selbstbestimmten Zugangs zur offenen Kinder- und Jugendarbeit – ganz im Gegensatz zu Ganztagsschulen und der SHA. In der Offenen Jugendarbeit seien Kinder und Jugendliche selbst souveräne „Herren und Frauen des Verfahrens“. „Wir warnen davor, die Kinder in „kurzfristige verregelte Korsetts zu zwingen“.  Man stehe jetzt vor einem „gefährlichen Scheideweg“. Es drohe eine rein „ökonomistischen Sicht“ auf Kinder und Menschen. Sie würden vor allem als zukünftige sozialversicherungszahlende Beschäftigte betrachtet, hinzu kämen „Steuerungselemente“ aus autoritären Gesellschaftsbildern. Dies sei mit einem humanistischen Menschenbild nicht vereinbar. Seid  wachsam, so diese Rednerin, wehret den Anfängen.

Die Abgeordneten der Oppositionsparteien im Ausschuss zeigten sich von den Redebeiträgen beeindruckt und sagten ihre Unterstützung zu. Es sei ein Irrglaube, „dass Kinder rund um die Uhr in Schule gut aufgehoben sind“, erklärt die erklärte Ganztagsschulanhängerin Christiane Blömeke von der GAL/Grünen. Man könne doch nicht schon am Anfang des neuen Prozesses der Ganztagsschule das „Geld rausnehmen“, so Jens Ole Ritter von der FDP. Die Einführung der Ganztagsschule sei entschleunigt worden, jetzt müsse man erste einmal abwarten und beobachten,  wie sich die Standorte in den Regionen entwickelten. Sozialsenator Scheele äußerte sich nicht.

Sabine und Zeynep vom KifaZ Schnelsen

4 Antworten to “Im Jugendauschuss geht die „die Post ab“ – Die Demonstration gegen Kürzungen der offenen Kinder- und Jugendarbeit vor und im Rathaus.”

  1. Jaana Rasmussen Mai 30, 2012 um 6:58 pm #

    Die Kürzungen im Bereich Kinder- und Jugend sind vollkommen unverständlich und treffen mal wider die Schwächsten. Warum hat Senator Scheele nicht aus dem Fall Chantal gelernt, wie wichtig niedrigschwellige Angebote sind, um Kinderin Not zu erreichen? Geht der SPD ihre angestrebte „Lufthoheit über die Kinderbetten“ über das Wohl der Kinder?

    So erzieht man übrigens auch die Jüngsten schon zur Politikverdrossenheit, wenn man den Kindern zeigt: Eure Lebenswelt ist uns egal, ihr kommt mit weniger aus und sollt am besten ganztags in der Schule eingepfercht sein statt „im Stadtteil herumzugeistern“ (Zitat Tie Rabe) !
    Hier ist ein breiter Widerstand unbedingt notwendig!

  2. Marha12@hotmail.de Juni 30, 2012 um 5:52 pm #

    Der Baui Bonnepark soll bleiben bitte ohne den Baui kann ich nicht einrad fahren oder queef bord fahren oder Vampier ticken spielen oder meak in Break spielen und noch ganz viele sachen der Baui muss bitte bitte bitte bleiben wir hoffen das der Bürgermeister uns den Baui nicht weg nimmt das macht uns ganz ganz traurig

    • Marha12@hotmail.de Juni 30, 2012 um 5:54 pm #

      das hab ich geschrieben ich will das der Baui bleibt sohnst sind wir alle traurig bitte bleibt der Baui

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  1. Nokija - Netzwerk Offene Kinder- und Jugendarbeit » Blog Archive » Am 2.Juni für ein Kinder-, Jugend- und Familienfreundliches Hamburg - Mai 31, 2012

    […] mehr für die Jugend als der Hamburger Staat!” (mehrfach in der Presse zitiert, z.B. hier, hier und […]

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