Proteste vor der Schulbehörde: Schulsenator wirbt in Berlin für Kultur an Ganztagsschulen und streicht in Hamburg Stellen an Ganztags-Schulbibliotheken

25 Jan

Ihre Schulbibliothekare sollen bleiben, fordern Schüler von neun Hamburger Schulen

„Wir wollen Bücher“-  das riefen rund 300 Schüler, Eltern und Lehrer immer wieder hoch zu den oberen Stockwerken der Hamburger Schulbehörde. Kleine und große Demonstranten waren mit Transparenten und Protestplakaten vor die Tore der Schulbehörde im Einkaufszentrum Hamburger Straße gezogen, um Schulsentor Rabe über 4000 Unterschriften gegen die Stellenstreichungen an ihren Schulbibliotheken zu überreichen. Denn während Schulsenator Rabe als frischgekürter Präsident der Kultusministerkonferenz in Berlin gerade für mehr „Kultur in der Schule und die dafür einzigartige Chance der Ganztagsangebote“ (s.FAZ, heute, S.8 ) warb  und Eltern in ganz Hamburg derzeit besorgt auf Ausbauten für die Kursangebote der geplanten Ganztagsschulen hoffen, wird an einigen Schulen  in Hamburg das kulturelle Angebot schon wieder abgebaut. Betroffen sind ausgerechnet viele Ganztagsschulen.

An neun Schulen in Hamburg will Schulsenator Ties Rabe die Stellen für die Bibliothekare streichen, die die Schulbibliotheken betreuen. Schüler, Eltern und Lehrer aus 9  Schulen aus ganz Hamburg protestieren mit den Unterschriften gegen den drohenden Verlust ihrer Schulbibliotheken. Sie hatten sich gestern nachmittag mit ihren Protestplakaten in der Hamburger Straße versammelt, um für den Erhalt ihrer Bibliotheken und gegen die Stellenstreichungen zu kämpfen.

Initiator des Protests, Lehrer Martin Speth

Diese Sparmaßnahme sei ein „bildungspolitischer Schildbürgerstreich“, so wird in einer Presseerklärung einer der Initiatoren, Martin Speth, Lehrer am Gymnasium Bornbrook zitiert: „In Pisa-Tests rutscht HH immer weiter ab, Lese- und Schreibschwäche nimmt in den sogenannten bildungsfernen Schichten dramatisch zu und was plant der Senat? Gerade erst erfolgreich gestartete Bibliotheken sollen wieder geschlossen werden. Das ist Sparen am völlig falschen Ende und wird uns noch teuer zu stehen kommen.“

Zum Hintergrund: „Schulbibliotheken Hamburg“ war ein Projekt der der schwarz-grünen Vorgängerregierung, bei dem an neun Pilotschulen seit 2009 Schulbibliotheken eingerichtet wurden,  an jeweils drei Grundschulen, Gymnasien und Stadtteilschulen.  „Bei der Auswahl der Schulen wurde auf den KESS-Sozialindex, eine möglichst große Entfernung der Schule zur nächsten öffentlichen Bibliothek und eine breite Streuung über das gesamte Stadtgebiet geachtet“, so heißt es in der Presseerklärung. Der SPD Senat will dieses Modellprojekt jetzt beenden.

Sparmaßnahmen bei Schulbibliotheken, für Hamburger Schüler, Eltern und Lehrer heißt das Sparen am falschen Ende

Viele Schüler hätten zuhause zu wenig Ruhe zum Arbeiten und Lesen, sagte eine Mutter aus Lurup, die gestern mitdemonstrierte. Die Schulbibliotheken seien pädagogisch wichtig, um vielen Schülern den Zugang zu Büchern zu erleichtern. Aber ohne fachkundige Betreuung durch die Bibliothekare, so die Sorge an den Schulen, werden ihre Bibliotheken bald schließen. „Eine Bibliothek ohne Bibliothekar ist ein Unding“, kritisierte auch der Schulleiter des ebenfalls betroffenen Goethe Gymnasiums in Lurup, Egon Tegge, die Stellenstreichungen. Der Bibliothekar begleite die Schüler bei der Recherche, bei der Vorbereitung von Präsentationen und bei der gezielten Suche nach Informationen in der Fülle der Angebote. Dafür braucht man die  fachlichen Kenntisse eines Bibliothekars, erklärte er. Die Bibliothek der Schule verfügt über 4000 Bücher, Hörbücher, DVDS. Sie werde von Schülern aller Alterstufen genutzt, der Bibliothekar sei für sie eine wichtiger Begleiter und Unterstützer, so Schulleiter Egon Tegge. Seit der Schließung der nahegelegenen Bücherhalle sei die Bedeutung der Schulbibliothek  für die Schüler der gebundenen Ganztagsschule noch gestiegen.

Der Schulsenator habe weitere  Gespräche zugesagt, berichtete Initiator Martin Speth, nachdem er gestern mit einer kleinen Protest-Delegation die Unterschriften überreicht hatte.  Doch Ties Rabe habe gleichzeitig erklärt, die Stellen müßten gestrichen werden, denn es sei nicht genug Geld für Schulbibliotheken an allen Schulen in Hamburg da. Ein Argument,  das den Lehrer nicht überzeugt. Schulpolitik funktioniere so nicht, sagt er, es gebe immer erst Pilotprojekte und wenn die dann gut liefen, werde schrittweise ausgebaut. So sollte es auch bei den Schulbibliotheken sein, das wünschen sich alle, die gestern mitprotestiert haben.

Die betroffenen Schulen des Projekts: „Schulbibliotheken Hamburg“:

Grundschulen: Fritz-Köhne-Schule, Schule Rungwisch, Schule An der Glinder Au,

Stadtteilschulen (Ganztagsschulen): Gretel Bergman Schule, Otto-Hahn-Schule, Ida-Ehre-Schule

Gymnasien: Gymnasium Bornbrook, Gymnasium Hamm, Goethe Gymasium

Siehe auch. www.schulbibliotheken-hamburg.de

Dazu heute in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung: Ein Portrait von Schulsenator Ties Rabe als neuer Präsident der Kultusministerkonferenz: „Pragmatiker“: „Sein Pladoyer für mehr Kultur in der Schule und die dafür einzigartige Chance der Ganztagsangebote hätte in Hamburg zu Hohngelächter unter den Eltern geführt…..“, FAZ, 25. Januar, 2012, S. 8

Hoffnungsträgerin

                                                                                  

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    […] berichtet die Journalistin Dr. Mareile Kirsch, die auch an dem Tag anwesend war, in ihrem Blog: Proteste vor der Schulbehörde: Schulsenator wirbt in Berlin für Kultur an Ganztagsschulen und stre… – ein sehr pointierter Titel und ein guter […]

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    […] Hamburg Stellen an Ganztags-Schulbibliotheken. In: Kirschsblog, 25.01.2012. Online verfügbar unter kirschsblog.wordpress.com/2012/01/25/krach-in-der-hamburger-strase-protest-gegen-stellenstreichungen…, zuletzt geprüft am […]

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